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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Kellner, Otto: Rudolph Czapek
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0771

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Rudolph) Czapek

Von OTTO KELLNER / Mit vier
Tafeln nach Werken des Künstlers

I. Eine Einführung in feine Kunfttljeorie
or nunmehr 16 Jahren, 1908, erfchienen im Verlag von Klinkhardt & Biermann,
^eipzig, die „Grundprobleme der Malerei“ von Rudolph Czapek. Der Unter-


▼ titel gab an, daß es fid) um ein Buch für Künftler und Lernende ßandeln [olle.
Äuf knappen 180 Seiten wurde der Lefer vertraut gemacht mit der geiftigen und ted)-
nifcßen Äuffaffung im künftlerifchen Prozeß, wurde dargetan, daß Malerei in erfter
Linie Flächenkunft fei, daß malerifcßes Sehen nicht mit dem Sehen des Bildhauers ver-
wecßfelt oder gleichgefetß; werden dürfe. Erhärtet wurde diefe Deßnition durd) einen
Rückblick auf das ßiftorifd) zugängliche Gefamtgebiet der Malerei, der den künftlerifchen
Kulturen Europas, Aßens und Amerikas Gerechtigkeit widerfahren ließ und durch eine
klaffifche Profa unvergeßlid) bleiben mußte.
Für eine jede Kunft- und Kulturepoche fand Czapek in den Grundproblemeil das er-
löfende Ulort: Strömt von den Kunftwerken Altägyptens, Babylons, Affyriens und Alt-
perßens ein Schauer tjöchfter Geiftigkeit aus, fo zeigt die jüngere Bildkunft Chinas uns
im Gegenfatj zu der großzügigen Kunft Uleftaßens eine weiche 3adl)eit und Sinnlich-
keit in höd)ft verfeinerter Stimmung. Fjellas, „ein Frühlmgsfproß altmorgenländifdjer
Uleisheit“, ift das Beifpiel einer echten und wahren Renaiffance: wie feibftändig war
es neben dem uralten Stamm erwad)fen, nur eine Verwandtfdjaft der treibenden Säfte
ift da. (Hohl hatte der griechifche Menfd) die Einheit von Trieb und Geift erreid)t,
aber unter diefer Oberßäche verbirgt fid) ein abgründiges Lebensgefühl voll meland)o-
lifcher Ratlofigkeit über das ewige Rätfel des Lebens felbft. In ftrenger Schule wäd)ft
dann der germanifd)e Künftlergeift heran; anfangs kleinlich und unßd)er, erreicht er in
wenigen Jahrhunderten den feinften Bildausdruck. Bis zum Beginn des Humanismus
hat aud) die.abendländifcße Kunft an der Gleichförmigkeit teil, die die Kunftübung von
den älteften Ulandßguren bis eben zu den Tafelbildern des mittelalterlichen Europa
kennzeichnet: Umriffe und Farbflecke waren die Kunftmittel, die man mit naiver
Sicherheit bis dahin unbefd)ädigt bewahrte, die Fläche wollte man fchmüdcen, nicht
aber die Natur kopieren.
„Malerei ift Flächenkunft“ —- dies ift das a priori aller malerifchen Betätigung,
um dies Prinzip ordnen fid) alle Elemente der künftlerifchen Kompoßtion, nämlich Farbe,
Fleck und Linie. Der harmonifd)e 3ufammenfd)luß diefer Elemente in Linien-, Farben-
und Fjelldunkell)armonie begründet dann den künftlerifchen Endwert der Kompofition,
und Czapek kommt unter Berückßchtigung aller diefer Momente zu der vorbildlichen
Deßnition: „Die Darftellung des Nebeneinander in Harmonie auf der Bildßäd)e ift das
eigentliche 3ißl der Malerei.“
Die weiteren Ausführungen Czapeks über Kompofition, Bildbedeutung, dekorative
Ulirkung, ted)nifd)e Äuffaffung, Materialbeherrfd)ung ufw. möge der interefßerte Lefer
in den „Grundproblemen“ felbft nacßlefen, kommt es diefen 3oüen doch in erfter Linie
zu, den Aus- und Uleiterbau der Czapekfcßen Kunfttheorie an Hand feiner noch un-
veröffentlichten Schriften darzuftellen und zu würdigen. Diefe Schriften find:
1. 3ur geiftigen Synthefis. Kunft und Religion innerhalb einer To1alanßd)t. 1916/17.
2. Färb en weit und Bild auf bau. Beiträge zu einer Theorie der Bildkompofition. 1921.
3. Umriffe und Raumwerte. Eine pfyd)ifcl)e Methode des Selbftunterrid)ts im
3eid)nen. 1922.
In dem umfangreichen philofophifcl)en Ulerk „3ur geiftigen Syntheßs“ unternimmt
Czapek den Verfud), von der Ularte einer planetarifd)en Pl)ilofophie aus und geftütß
auf ein reiches fozio!ogifd)es, kultur- und religionsgefcbict)tliches Uliffen, den Tatbeftand
der gefamten irdifd)en Ulelt zu deuten, eine Anweifung zu l)armonifd)er Überwindung

Der Cicerone, XVI. Jal)rg., I)eft 16

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