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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eberlein, Kurt Karl: Kerstings patriotische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0882

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andere Mal als Bruftbild, gezeichnet. Die zarte, fidlere Umrißzeicßnung, die nur we-
nige feine Conwerte umfaßt, verrät den ficßeren 3eicßner, der noch) bei Friedrich ge-
lernt hatte. Seine liebften Freunde, Körner, Friefen und 5artmann, waren gefallen,
und er hat fie tief betrauert. Vor allem für Körner, deffen Lieder er auswendig kannte
— in ihrer erften Faffung, nicht in Ciedges Korrektur — bewahrte er Liebe und Ver-
ehrung und fpracß gern von ihm. Als er dann nach Dresden heimgekommen war,
malte er den gefallenen Freunden ein Ehrenmal in zwei kleinen Bildern, die nach
langer Vergeffenßeit die Berliner Nationalgalerie erwerben konnte1. Man erinnere fidt)
der patriotifchen Bilder Friedrichs: das Grab des Ärminius, die Fiddengräber, der fran-
zöfifche Cßaffeur im düalde, der Adler über den Nebelbergen, tüie geftaltete nun
Kerfting feine patriotifchen Bilder? Gewiß nicht fymbolifcß. Das lag dem augenfrohen,
naturnahen Realiften zu fern. Er malte die Lütjower Freunde auf Vorpoften im
öUalde — wie er ße oft gefehen hatte — und als Gegenftück dazu ein kranzwindendes
Mädchen am Klaldbacß. Alfo zwei kleine fd)lichte Genrebilder, die man auch einzeln
genießen kann, als Gegenwart und Gedenken. Üüir wollen fie zunäcßft mit den Augen
jener 3eit befeßen. Karl Förfter, damals Hauslehrer, fpäter Profeffor am Kadettenhaus
in Dresden, befcßreibt uns in einem Briefe an feine Braut feinen Befucß in der Dres-
dener ÜJerkftatt Kerftings, den er um Neujahr 1815 befucßte und gerade mit diefen
Bildern befcßäftigt fand2: „Geftern war icß bei Kerfting, einem herrlichen deutfcßen Men-
fcßen, der unter Lü^ow ficß das Kreuz erfocht und jeßt zu feiner alten Freundin, der
Kunft, zurückgekeßrt ift. Er hatte zwei Gemälde vollendet, beide von gleicher Größe
und beide gleich gemütlich empfangen und ausgeführt. Das Eine war eine Vorpoften-
wacßt Lüßowfcßer Jäger. Die drei kräftig gehaltenen Kampfgenoffen rußen im Schatten
eines Eichenwaldes — nur im fernften Hintergründe ftraßlt bedeutungsvoll der heitere
Cag in die ülaldnacßt herein — das find deutfcße Eicßen und deutfcße Helden! So
mußten die edlen freiwilligen Kämpfer für Freiheit und Vaterland ausfeßen! fo und
nicßt anders! Möglich freilich auch, daß man, wenn man nicht ganz gemütßlos hin-
zutritt, manches in das Bild ßineinträgt, was nicßt eigentlich darin liegt. Möglich, daß
es mir felbft fo gegangen ift. Eine einzige Sonne aus der fcßönen 3eit regt taufend-
facße, ßerrlicße Erinnerungen in uns auf, wir feßen den ßoßen Geift, der riefenhaft und
gewaltig durch Deutfcßland zog und die Gemütßer bewegte und Arme ftäßlte und die
Hände bewaffnete und ein großes aufgeregtes Volk tUunder über dttunder tßat. Das
zweite ungemein lieblich und zart gehaltene Bild war ein Gegenftück des erftern. Dort
die rege lebendige Hoffnung des Siegs und der Freiheit, die aus den Augen der rüftigen
Jäger und in der Ferne durch das Dunkel des Klaldes ßereinftraßlt; hier der Sieg er-
rungen, der Kampf mutßig und glücklich durcßkämpft, aber auch manch tßeures Opfer
befallen; — dort milde Heiterkeit, hier ftille ineßmulh; — dort männlicher Ernft und
männlicße Kraft, hier weibliche 3artßeit und tiefes Gefüßl! Doch zum Bilde felbft.
Abermals ein heiliger Eichenwald; aber kein dämmernder Cag in der Ferne, dicht ver-
fcßloffner Hintergrund, überall düftre Schatten, nur belebt durch das frifcße Grün des
Bodens und der Blätter; vorn im äußerften Vordergründe ein klar plätfcßerndes Bäch-
lein, klar und rein, wie das deutfcße Mädchen, das, mit niedergefcßlagenen Augen,
verfenkt in Kleßmut auf einer Rafenbank unter der Scßattigften der Eicßen fißt und
einen Kranz von Eichenlaub windet; einer hängt fcßon vollendet vom linken Arm herab,
zu einem dritten fießt man in einem neben ißr fteßenden halboffenen Arbeitskörbcßen
das Eicßenlaub fcßon bereit liegend, tüer find die Drei, denen das blonde Mädchen
die wohlverdiente 3ier bereitet? Sie find nicßt meßr unter uns, die Kränze follen ißre
Gräber fcßmücken, ißre eingefcßnittenen Namen lefen wir in den drei älteften Eicßen:
1 Id) verdanke dem Direktor der Berliner Nationalgalerie, Herrn Gel). Rat Jufti, die gütige Er-
laubnis zur Veröffentlichung diefer Bilder.
2 Biograpßifcße und literarifcße Skizzen aus dem Leben und der 3eit Karl Förfters. Ijerausgeg.
von Luife Förfter. Dresden 1846. S. 216.

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