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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eberlein, Kurt Karl: Kerstings patriotische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0885

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Körner, Friefen, Reinhardt, drei ausgezeichnete Menfdßen, die unter Lüßow fochten und
fielen. — Id) faß lange vor den Bildern und dachte Deiner . . Die Deutung des
Gegenfäßlicßen in Art und Kiefen diefer beiden Gegenftücke ift nicht fd)led)t und ge-
wiß durd) Kerftings eigene Erklärung beeinflußt. Ein Irrtum, der dem gefühlvollen
Förfter unterlief, ift zu berichtigen. Die erfte der Eichen am linken Bildrand trägt nicht
den Namen Reinhardt, fondern fjartmann. Der Irrtum ift verftändlid), wenn man weiß,
daß aud) ein junger Reinhardt, der waßrfcheinlid) Förfter bekannt war, zu den Goten
gehörte. Die Reihenfolge der eingefcßnittenen Namen entfpricht auch der Reihenfolge
der Dargeftellten von links nach recßts: Fjartmann, U). Körner, Friefen. Qnd nun zu
den Bildern felbft. Beide Ölbilder find nacßgedunkelt, aber gut erhalten. Auf beiden
finden wir Kerftings verfdßungene Initialen GK mit der durch das Monogramm hal-
bierten Jahreszahl 1815, auf einem Stein am unteren Bildrand. Die Bilder find dünn
und glatt wie mit dem Fjaarpinfel in fauberer Lafurmalerei, vor allem im landfdjaft-
lichen Beiwerk peinlich allzufleißig gemalt. Eine feltfame Befangenheit findet pd) in
dem fpitj getupften Baumfchlag und in der Lichtung des Klaldes. Die Uniformen und
Klaffen find mit fachlicher Liebe und militärifchem Kliffen ftillebenartig ins Kleinfte
ausgeführt, fo daß in die klare, fefte Form eine zierliche Akribie hineinkommt, Qnd
doch klingt das Graufchwarz der Qniformen mit den roten Bifen und Quaften, die
braunen und blonden FJaare, die braunen Gewehre, mit dem warmen Grün gut zu-
fammen. Das feine Gefühl für Farbreflexe — wie es befonders die Kleimarer 3immer-
bilder erweifen — ift kaum zu ahnen; nur der Rotreflex der Quafte auf Knöpfen und
Bandelier erinnert daran. Der „Vorpoften“ ift uns befonders durch feine vortrefflichen
Bildniffe wertvoll, wenn auch, wie bereits angedeutet wurde, ein gewiffes Gegenein-
ander von Erinnerungsform und Modellform, von Fernform und Nahform bei der durch
den Augenblicksausfcßnitt erftrebten Bildillufion empfindlich ift. Das Gegenftück, die
Kranzwinderin, ift farbig anmutiger. Das rofige, goldblonde Mädchen — das, nebenbei
bemerkt, nicht Körners Braut Coni darftellt, fondern nur ein teutfches Mädchen —
leuchtet mit feinem weißen Kleid aus dem grünen Grunde fd)immernd heraus. Die
fchwarzen Schuhe, das blaue Band der grünen Kränze, das feuerrote Cucl) des zart-
gelben Körbchens, die Blumentupfen blau, rot, Kreß am braunen, weißfchäumenden
Bach, bringen diatonifche Gakte in den fanften, ruhigen Saß. Die eingefchnittenen
gelblichen Namen in den grauen Eid)enftämmen wirken vielleicht allzu deutlich, und
die Eichenallegorie diefes empfindfamen Bildes, in dem wieder Erinnerungsform und
Modellform zufammentreffen, wird verftändlicher und genießbarer, wenn man weiß,
daß Kerfting hier ein Gedicht aus Körners „Leger und Schwert“ benußt hat: „Die
Eichen.“ fjier ift der Abend im Eichenwald, das Sißen unter den 3weigen, das trau-
rige Gedenken an die Goten umfchrieben, und der Schlußvers faßt das Sinnbild zu-
fammen:
„Schönes Bild von alter deutfcher Greue,
Klie fie beffre feiten angefdßaut,
Klo in freudig kühner Godesweihe
Bürger ihre Staaten feftgebaut.
Ach! was hüfts, daß ich den Schmerz erneue,
Sind doch alle diefem Schmerz vertraut.
Deutfehes Volk, du herrlichftes von allen,
Deine Eichen ftehn, du bift gefallen! —“
Kerfting ift hier dem geliebten Dichterfreund mehr gefolgt als zu ahnen war und hat
[ich felbft als den Klagenden empfunden, der nun das did)terifche Gleichnis dem toten
Dichter zudenkt. Ich habe fdjon in anderem Snfammenhang1 darauf hingewiefen, wie
fehr Kerfting in Körners Dichtung lebte und wie er ein Lied des Gefallenen, „Der

1 K. K. Eberlein, Deutfcße Maler der Romantik. Jena 1920. S. 74/5.

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