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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eberlein, Kurt Karl: Kerstings patriotische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0886

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Ereue Cod“, durd) einen Sd)lußvers ergänzt und vollendet habe. Der literarifd)e 3u-
fammenhang diefes Bildchens mit einem Gedicht Körners ift bezeichnend für den Geift,
der in diefer patriotifchen Kunft waltet. Es ift fd)on der Geift der Biedermeierkunft
im beften Sinne, die durd) it>re Form- und Farbnäl)e dem „Kleinleben“ der Natur zu-
ftrebt. Klir fet)en heute diefe beiden Bilder, die nicht zu den beften Klerken Kerftings
gehören, mit anderen Äugen und Gefühlen an als der treffliche Förfter. Doch wiffen
wir ihren Gehalt zu würdigen, die leuchtende „Nettigkeit“ ihrer gepflegten Malerei zu
fchäljen, den menfd)lichen und gefd)id)tlid)en ÜCIert ihrer patriotifchen Art zu verehren.
Der erwähnte Kreuzfd)üler Julius ÜJilhelm Rachel erzählt uns in feinem Üagebud)
am 4. April 1831 von einem anderen patriotifchen Bilde Kerftings, das er bei einem
Befud) in der Schloßwohnung des Meißner Malervorfteßers beachtete1: „Über der
Goethefigur (von Rauch) hin9 ein von Fjerrn Kerfting gemaltes Bild, wo er als Lüt^ow-
fcher Jäger von feiner Braut (Agnes Sergel) Äbfd)ied nimmt.“ Dies Bild, das leider
verfd)ollen ift, das aber offenbar kleines Format hatte, ift nad) den Berliner Bildern
entftanden. Im Verzeichnis der Dresdener Äkademieausftellung vom Jahre 1821 wird
es (Nachtrag Nr. XXX) angeführt: „Der Abfd)ied des Kriegers von feiner Familie.
Eigne Erfindung und in öl gemalt von G. Kerfting, Maler-Vorfteher an der königl.
Porzellain-Manufactur zu Meißen.“ Als ein Selbftbildnis des Künftlers in üniform ging
es vielleicht auf eine der abgebildeten Bleizeid)nungen zurück und zeigte wahrfcheinlid)
die gleiche liebevolle Behandlung des Koftümlichen wie das Vorpoftenbild. Dem Künftler
war die Erinnerung an feine Kriegszeit fo lieb und wert, daß er diefem Bildchen über
dem Abguß der geliebten Goethefigur einen befonderen Ehrenplatz gönnte. Er hing
als alter Lütjower2 3 4 * an den Feldkameraden, wie fie an ihm, und freute fiel) herzlich,
als fein Sohn Ernft, der Mediziner, im März 1841 in Fjalle den Geheimrat Krukenberg,
der als ein grober Mann bekannt war, befuchte und nach Meißen berichtete: „Er
empfing mich fehr freundlich. Des Vaters erinnerte er fid) fogleid), als ich ihm einen
Gruß von dem alten Lütjower Kerfting brachte. Ja, ja, der kleine Mecklenburger mit
dem großen Schnauzbart — fagte er und freute [ich, daß fid) der Vater feiner noch
erinnerte.“8
Kerfting gehörte zu den romantifd)en Patrioten der Freiheitskriege und vermißte den
Geift jener nationalen Erhebung fpäterl)in nur allzufel)r. ünd wie viele gingen damals
an der furchtbaren Enttäufd)ung und Reaktion der berüchtigten Nachkriegszeit zu-
grunde! — Als man im Jahre 1913 zur Jahrhundertfeier der Freiheitskriege in Breslau
die große tüftorifche Äusftellung zufammenftellte, da fanden fid) auch ein paar köft-
lid)e Bildniszeichnungen Kerftings mit den bekannten üüeimarer Bildern zufammen1,
und man wußte — wenn man aud) feine patriotifeße Kunft nod) nicht kannte — den
durd) die Jahrhundertausftellung neuentdeckten Kerfting als einen der beften Künftler
aus der 3eit der Freiheitskriege neu zu würdigen.
1 Radjel, a. a. 0., S. 85.
2 In feinem Nachlaß fand fid) aud) eine kleine aquarellierte Sd) muck Vignette mit einem Lütjower
Jäger, die wahrfcheinlid) in der Meißner Manufaktur Verwendung finden follte oder pe vielleicht
gefunden hat.
3 Briefwechfel von Ernß Kerßing mit dem Elternhaus. An den Vater. 15. März 1841.
4 Jahrhundertfeier der Freiheitskriege Breslau 1913. Katalog der hißorifchen Äusßellung. Breslau.
Künftlerverzeid)nis. S. 493.

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