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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0914

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iß pcher nicht erfchöpfend und oft auch vom
3ufall beftimmt. Im ganzen aber ift fie zeit-
gemäß und hochwillkommen, da pe dem Fach-
mann ein Spiegelbild bereit hält, dem Laien aber
zugleich wichtigfter Wegweifer ift. Ausgezeich-
net ift überdies die kluge Einführung des Archi-
tekten, die durchaus über den Dingen fteht, und
wertvoll pnd auch die klar umriffenen Erklä-
rungen zu den einzelnen Bauwerken, die der
Band reproduziert.
So ift das Buch als Kompendium neuzeitlicher
Baukunft ungemein verdienftvoll und in jeder
Beziehung inpruktiv. Biermann.
Kurt Hielscher, Deutschland. Baukunst und
Landschaft. Geleitwort von Gerhart Haupt-
mann. Verlag von Ernst Wasmuth A.-G.,
Berlin.
In der Orbis-Cerrarum-Reihe des Verlags Was-
muth ift nach Griechenland, China, Spanien ein
vierter Band erfchienen: Deutfchland. Die an-
fcheinend leichteße und doch offenbar fchwie-
rigfte Materie. Der Meifterphotograph diefes
Bandes ift derfelbe, der das „ünbekannte Spa-
nien“ und damit die beiden bisher weitaus
fchönften Bücher der Sammlung fchuf. Nicht
nur das technifche Können (hinter dem felbft-
redend immer zugleich Kraft der Intuition und
Phantafie fteckt) ift der höchften Bewunderung
wert, fondern ebenfo das fchöpferifche Auge, das
aus einer hingebreiteten Fülle von Landfchaften
— nicht einmal durch einen gleichen Fjimmel,
fondern mehr nur durch jenes unfagbare Etwas
in Mauerwerk und Flur geeint, das man aus
einem unbeftimmbaren Gefühl heraus „deutfch“
nennt — diefe ünzahl von (Hinkeln, Weitblicken,
Erdformationen, üfern, Baumgeftalten, die leben-
digften ßinftellungen von Schlöffern, Straßen,
Domen herausfand. Einen befonderen 3uruf
der Freude verdienen noch die Wolkengebäude,
die über dem hingelagerten Irdifchen wahrhaft
pch zu bewegen fcheinen. )a, das ift Deutfch-
land! Ergriffen und beglückt, uns felbft ver-
pehend, emppnden wir diefes Gefühl in einer
ungewöhnlichen Beßätigung und können es nie
wieder verlieren, Was will es anders fagen
wenn der eine dies, der andere das vermiffen
wird, als: wie reich diefes Deutfchland an Schön-
heit ift. Wilhelm Schmidtbonn.
Otto Zoff, Die Handzeichnungen des
Michel Angelo Buonraotti. In Auswahl
herausgeg. Gustav Kiepenheuer, Potsdam 1923.
Für den Laien gewinnt ein Cext wie der vor-
liegende leicht eine ftarke Autorität. Gefchick-
lichkeit hat das ihrige getan; die Sätje pnd
einzeln gedruckt wie Bibelworte oder die Weis-
heiten eines Inders, die Sprache ift eine geho-
ben-feierliche, die Sa^type vornehm. Aber die
Gedanken halten dem Änfprucf) nicht Stand.
Erfte Behauptung: Michelangelo habe die Syn-

thefe in die Kunft gebracht, fie fei kein antikes,
kein gotifches Prinzip. War nicht auch Phidias
die Synthefe der vorhergehenden Entwicklung?
Gaben nicht auch die gotifchen Maler die Syn-
thefe aus byzantinifcher Cradition oder giottes-
ker Überlieferung und der Inbrunft der 3^it?
Gewiß fand Michelangelo feine individuelle, ge-
waltige Synthefe, aber er fand nicht die Synthefe
fchlechthin.
Die zweite Errungenfchaft fei die Entdeckung
des Dramatifdben für die Kunft gewefen.
„In der Antike ift alles typifch, in der Gotik
alles realiftifch.“ Wer den Pergamonfries in
Berlin gefehen hat, weiß um die Dramatik der
Antike.
Außerdem iß die Gotik (der drängende Verti-
kalismus!) nicht rein realiftifch, and Realismus
und Dramatik widerfprechen pch nicht. Von
den italienifchen Meißern waren überdies Dona-
tello und Mantegua dramatifd). Nach 3°ffs
Formulierungen aber hat Michelangelo die Dra-
matik, die ein ewiges Agens der Kunß iß, ent-
deckt, während auch hier wie bei der Synthefe
nur der Nachdruck auf den Grad zu legen ift.
Michelangelo hat der Renaiffance gegenüber
eine Steigerung des Dynamifchen gebracht, was
eine Binfenweisheit ift, aber keine Dramatik an
pch erfunden.
Die Cafeln des Buches geben Reproduktionen
von 3ßi<hnungen großartigen Ausmaßes.
Sie fprechen unmittelbar ohne jeden Kom-
mentar. Safcha Schwabacher.
/. Maes, Aniota-Kifwehe. Les masques des
populations du Congo beige. Verlag De
Sikkel. Antwerpen 1924.
Das vorliegende Bändchen iß die erfte populäre
Auswertung der herrlichften Sammlung von Ne-
gerplaftik im Kongo-Mufeum in Cervueren, frei-
lich in einer ganz anderen Art, als wir das in
Deutfchland gewohnt pnd. Äniota heißen die
Geheimbünde des nördlichen Kongo, die durch
Mörder mit Leopardenmasken und Krallen die-
jenigen Eingeborenen umbringen laßen, die p<h
den Weißen zu freundlich zeigen. Die Maske trägt
den gleichen Namen und dient einer Einrichtung,
über die man pch entrüftet, die man trotj exempla-
rifcher Strafen nicht ausrotten kann, und die man
weniger befd)impfen würde, wenn Raßenßolz und
Patriotismus nicht ein Privileg der Europäer wären.
Kifwebe heißen im Südkongo die Masken des
Baluba-Stammes. Der Eitel umfaßt alfo den
ganzen Befitj des belgifchen Gebiets und gleich-
zeitig die verfchiedenen 3wecke. Nach der Ver-
wendung laßen fich drei Gruppen herauslöfen:
die der Befchneidungsriten (weitaus der größte
Ceil), die des Canzes, die des Kampfes und Er-
fchreckens. Die fehr intereßante und gelehrte
Arbeit kümmert pch nur um die foziale Bedeu-
tung der Masken und bringt vor allem über die
Befchneidungsriten fehr ausführliches Material,

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