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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0913

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Neue Büd)er

Wilhelm Hausenstein, Fra Angelico. Kurt
Wolff-Verlag, München.
Klie bisher, fo bat auch mit diefer Publikation
der Kurt ttlolff-Verlag ein Außerordentliches an
Cecbnik und Huspattung geleiftet und dies muß
um fo mehr anerkannt werden, als es pd) um
eine erßmalige größere Ausgabe der merke
Fra Hngelicos bandelt. Huf 55 großen Lid)t-
drucktafeln, die an Klarbeit und Präzifion nichts
zu wünfcben übrig laffen, werden uns vielfad)
durch Detailaufnabmen, die wid)tigften Schöp-
fungen des Meifters von Fiefole nabe gebracht.
Mit Bedauern aber muß feftgeftellt werden, daß
der Verlag diefen vortrefflichen Illuftrationen
nicht eine ebenbürtige textliche Faffung an die
Seite geftellt bat. Denn was dem Lefer auf den
103 Seiten Begleittext geboten wird, bat wenig
mit Fra Hngelicos Kunft zu tun: modifcb-feuille-
toniftifcbe Parapbrafen um das merk und die
3eit des Künftiers, eine biporiperende Cüncpe,
die nur dem oberßäcbiicben Betrachter und den
ünwiffenden über den wahren Sachverhalt bin-
wegtäufcben können. Mehr aber noch als die-
fes ift es die fcbeinbar religiös-refpektvolle Dik-
tion, die aber dann doch den profanen Mund
nicht verleugnen kann, aus dem diefe morte
kommen. Man braucht nur von dem einen
Paffus zum andern kommen, und man wird ge-
wahr, daß hinter diefer fcheinbar fakrofankten
Gepnnung nicht das Ethos eines künftlerifcb-
religiöfen Erlebniffes pebt, fondern Konßruktion
und 3ugeftändnis an ein Literatenpublikum, das
plöfelidj [ein IJerz für das Mittelalter entdeckt
bat (das ob feiner „Dunkelheit“ noch geßern ver-
pönt war). An keiner einzigen Stelle des Buches
ift irgendwie ein ernftbafter Änfalj gemacht, die
Kunft des Fra Hngelico inhaltlich und formal zu
pxieren, das Phänomen der religiöfen Malerei an
ficb und fpeziell an der Grenzfcbeide von Mittel-
alter und Renaiffance, den Cypus füdlicber reli-
giöfer Huffaffung gegenüber der nordifcben zu
erklären. Ebenfo ermangelt die Darfteliung des
genaueren Ver[ud)es, die künplerifcbe Fjerkunft
und Entwicklung des Frate fachlich -biftorifch zu
deuten; ftatt deffen nennt derVerfaffer fo ziem-
lich alle 3eitgenoffen des Fra Hngelico bis zu
Mino da Fiefole (!). mollte man hier ins Ein-
zelne gehen, fo dürfte man mit Ricbtigftellungen
nicht fertig werden, aber zwei Fälle feien her-
ausgegriffen, die Fjaufenfteins Cbarakterißik be-
leuchten: Von Lorenzo Monaco fagt er u. a,:
„Man emppndet die meife des Don Lorenzo
wie einen gefährlichen Exotismus — wie eine
paradoxale Japonaiferie; er fcbeint tragifche
Vorausfet^ungen, tragifche Folgen zu verbergen;
er ift erfctjüttert, fcbwingend, in den Nerven er-
griffen; er enthüllt ein patbologifcbes Ele-
ment. -Hlles will ihm ins Siniftre ge-
raten; er ift ein luziferifcber Menfd), ein ver-
dächtiger Mond)-“ ufw. Huf S. 15 f.
gibt FJaufenftein, ein „Bild“ vom alten Cofimo

Medici, das an völlig willkürlicher und unbifto-
rifcber Hrt fd)wer zu überbieten ift. mir find
über die Perfönlichkeit des Medici nicht nur
fcbriftlid) außerordentlich gut unterrid)tet, fon-
dern beptjen aud) eine Medaille von Niccolo
di Forzore Spinelli (um 1465), die uns feine
3üge mit Sicherheit überliefert. Fjaufenpein
übergeht gefliffentlid) diefe Quellen und nimmt
als Husgangspunkt das 70 Jahre nad) Copmos
Cod entftandene Bildnis von Pontormo, wo er
ficb ledig aller bißorifcben Gebundenheit in
Pbantaftereien über den Florentiner ergehen kann.
Und das ift in nuce die Methode des ganzen
Buches. D. V. fprid)t an einer Stelle von den
„Geiftern der Vieldeutigkeit“; ich glaube, er
darf pd) felbft wohl als ihr würdigfter Vertreter
betrachten. L. Dußler.
H. de Fries, Moderne Villen und Land-
häuser. Verlag von Ernst Wasmuth, A.-G.
Berlin 1924.
Das Buch mit feinen 232 Hbbildungstafeln ift
ein Querfcbnitt durch die Baukunft unferer 3ßit
und weift programmatifd) einen durchaus inter-
nationalen Radius auf. Spiegelbild einer Ent-
wicklung innerhalb der lebten zehn Jahre, die
einen immenfen Fortfd)ritt auf dem Gebiete der
Architektur bedeuten, die immer mehr die Füb-
rerfcbaft unter den Künften erringt. Erftaunlid),
angepchts diefer Vielfeitigkeit des Schaffens in
allen Ländern zu feben, wie park pd) heute
bereits auf diefem Gebiet der eigentliche 3eit-
geip feine adäquaten Formen fchuf, wie trotj
aller Individualität der Einzelleipung das Gefühl
des neuzeitlichen Menfd)en und Künftiers in der
modernen melt den neuen Stil erobert hat. Die
Entwicklung ift mit Riefenfchritten tro§ Krieg,
Revolution und fcheinbarem 3erfall, der nur
Befreiung latenter Kräfte war, vorangefchritten
und heute gibt es nicht nur wieder eine fd)led)t-
bin europäifebe Baukunft, fondern eine Ard)i-
tektur, die auch jenfeits des Ozeans bereits das
gleiche meltgeficht befitp. Daß Amerika in die-
fem Sinne zweifellos das 3ukunftsland der
Architektur ift, beftätigeri — von allen anderen
Momenten einer nicht von Cradition gehemmten
Entwicklungsmöglichkeit abgefeben — fd)on die
wenigen Proben, die der vorliegende Band mit-
teilt. Rückftändig ift auf diefem Gebiet von
allen großen Nationen eigentlich nur Frankreich,
eine Catfache, die zu denken gibt, deren tiefere
Gründe aber leicht erkennbar pnd. Daß aber
gerade Deutfd)land auch heute noch eine Summe
wertvollfter feböpferifeber Kräfte bereit hält und
Berlin fpeziell in feinen neuen Ceilen ein Ge-
fiebt zukünftiger mohnungskultur befitp, das
einmal bahnbrechend wirken wird, fei doppelt
angemerkt im Ffinblick auf den tiefen 3erfall,
den die bauptftädtifebe 3ivüifation gerade in
den letjten Jahren erlebt hat*
Die hier angezeigte Sammlung von Bildern
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