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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0912

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Neue Büdjer

Leandre Vaillat et Paul Ratonis de Li-
may. J.-B. Perronneau (1715—1783). Sa
vie et soti oeuvre. G. van Oest & Co. Editeurs.
Parts et Bruxelles 1923.
Bei dem hier angezeigten merk handelt es ßcß
um die zweite ftatk erweiterte Huflage jenes
zuerft 1909 in Paris erfcßienenen Buches, das
damals in fet>r viel größerem Format und meßr
als Pracßtpublikation ßerausgekommen iß. Für
die neue Huflage hat der Verleger ein hand-
licheres Format gewählt — das Bud) bildet jeßt
einen Band der „Bibliotßeque de l’art du XVIII.
siecle“—, und die an fid) vornehme Husftattung
außerdem durd) rund 50 ganzfeitige Cafeln be-
reichert, die eine vortreffliche Hnfchauung ge-
währen und Perronneaus künftlerifche Entwick-
lung pnngemäß belegen.
Die Verfaffer haben die 3eit feit dem erften
Erfcheinen des lüerkes für ihre weiteren Stu-
dien über den großen franzöfifcßen Paftelliften
mit reichem Gewinn ausgenußt. Im Gegenfaß zu
La Cour, von dem man bisher nur Paftelle kennt,
iß Perronneaus Änteil an der Ölmalerei der 3eit
beträchtlich. Nicht weniger als 45 Gemälde find
von ihm nacßgewiefen, die freilich die Bedeu-
tung des Paßeiliften nicht herabmindern, viel eher
noch unterftreicßen. Ja es kann ruhig gefagt
werden, daß die Gemälde kaum für die hervor-
ragende Begabung diefes Parifers zeugen wür-
den, da fie an ßd) den guten Durchfchnitt des
Jahrhunderts, den ähnlich auch die deutfcße
Malerei der 3eit aufweift, kaum übertreffen,
während die Paftelle, den Hrbeiten La Cours
•durchaus ebenbürtig, Perronneau kunftgefcßicßt-
lid) in die vorderße Linie jener Rokokokünftler
ftellen, die den Efprit ihres Jahrhunderts in
feiner leßten Effenz unvergänglich auf die Nach-
welt vererbt haben. Hn diefe Schöpfungen
denkt man immer zuerft, wenn von der fran-
zöfifchen Cradition in der Malerei die Rede ift,
die auch heute noch die Moderne in Frankreich)
befruchtet. Dies ift das Jahrhundert des fünf-
zehnten Ludwig, das aus Hllongeperücken und
in den Mienen forglofer Lebenskünftler dem
Befchauer fein wahres Geficht enthüllt.
mißenfcßaftlid) haben die beiden Bearbeiter
eine ausgezeichnete Hrbeit geleißet. Der impo-
fante Katalog am Schluß, der rund ein Drittel
des ümfangs in Hnfprucß nimmt, ift nicht nur
Beleg für die vorbildliche Sammelarbeit im
Kleinen, fondern auch Refumee der Husftellungen
und gibt anfcßließend ein genau nach Jahren
verzeichnetes Gefamtregifter, deffen Befcßrei-
bungen an Hkribie nid)ts zu wünfchen übrig-
laßen. Ähnlich gründlich ift die Verarbeitung
der zeitgenöfpfchen Quellen innerhalb des Cextes
felbß, der u. a. aud) einen befonders inftruktiven
Hbfdßnitt über die Ced)nik enthält.
So erfcheint die neue Huflage durchaus als
abfcßließend, obwohl angenommen werden darf,
daß auch in der Folgezeit vereinzelt nod) un-

bekannte merke des Künßlers auftauchen werden.
HUes in allem eine Hrbeit, die als Quelle der
Kunßgefd)id)te des europäifchen 18. Jahrhunderts
in mehr als einer Beziehung auffd)lußreid) iß
und die allen Freunden diefer Epoche nacß-
drücklichß empfohlen werden kann.
Biermann.
Ferdinand Gregorovius. Lukrezia Bor-
gia. Nach Urkunden und Briefen ihrer eigenen
Zeit■ Mit Bildern und altem Buchschmuck.
Allgemeine Verlagsanstalt. München 1923.
Dies ift ein unveränderter Neudrude des be-
rühmten ülerkes von Gregorovius, das erftmalig
bereits in den 70er Jahren erfd)ienen ift. Daß
der Verlag diefe Catfache mit keinem Cüort er-
wähnt und auch die alte Einleitung des Ver-
faßers ohne Datum mitteilt, ift zum mindeßen
feltfam, weil das Gefühl hoch kommt, als wolle
unlauterer Gefchäftspnn auf die Menge ge-
wißermaßen mit einem neuen Lukrezia-Bud)
fpekulieren. Darum darf auch die Frage er-
laubt fein, ob diefer Neudruck gerade in diefer
3ßit überhaupt nötig war. Denn ficher iß Gre-
gorovius ttlerk über die Borgia-Cod)ter und
fpätere Fjmzogin von Ferrara keine der großen
Glanzleißungen neuzeitlicher Gefd)id)tsfd)rei-
bung, zu denen wir auch heute nod) desfelben
Verfaßers umfaßende Gefd)id)te der Stadt
Rom rechnen dürfen. Die verfud)te Ehrenret-
tung Lukrezias, die die eigentliche Cendenz des
Buches ausmacht, hat längß — fpeziell im Ein-
blick auf die römifd)e Jugendzeit der Papß-
tod)ter — einem kühnen Reßentiment Plaß ge-
macht, wie wir heute überhaupt die Seite des
moralifchen Hfpektes in der Renaißance freier
und unbefangener werten, als dies die große
Generation der Gefd)id)tsfchreiber um 1870 tat.
So wenig fid) die hiftorifeße Erkenntnis aud)
mit dem Victor Fjugofcßen 3errbild Lukrezias
einverftanden erklären kann, die engelgleiche
ünfcßuld, die Gregorovius in der Lukrezia pel)t,
war pe beftimmt nicht. So oder fo ift das Bud)
veraltet, die moralinfaure Sauce, die es durch-
tränkt, unzeitgemäß und der Verfud) von Gre-
gorovius in (einen entfeßeidenden Punkten als
mißlungen erkannt.
^deshalb alfo diefer Neudruck, der an fid)
als tgpographifdße Leißung ungemein anfpricßt,
troß des etwas krampfhaften Verfucßes, ihm
Uuftrativ durch Reproduktion der alten römi-
feßen Hnpd)ten des M. van Fjeemskerck eine
reizvolle Folie zu geben! Muß doch in diefem
3ufammenhang fogar Giorgione herbalten, was
den Kenner der venezianifeßen Kunß nicht wenig
überrafeßen dürfte.
Überßüfpg zu erwähnen, daß anfonßen das
iOerk des Gregorovius mit Kunftgefcßicßte nichts
zu tun ßat. Hber da es zu den bekannten
Gefcßichtsquellen der Renaißance gehört, follte
ein kurzer Fpnweis auf den Neudruck an diefer
Stelle nießt unterdrückt werden. B.

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