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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0911

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eine Stufe der apatifcben Miniaturmalerei vor-
führen, die man bisher nid)t kannte. (denn das
alfo gewiß nur eine Angelegenheit fpezialißifcber
Interefpertbeit iß, fo wünfcße id) um fo drin-
gender, daß es der Le Coqfcben Publikation ge-
lingen möge, einen möglicbft weiten Kreis von
Kunftgelebrten zur Mitarbeit aufzurufen.
Kunßgefd)id)tlid) [teilen die Fragmente einen
Bearbeiter vor folgende bauptfäcblicbfte Fragen:
(Heidjern Kunftkreife gehören [ie an? Sind pe
der Äusdruck eines [elbftändigen, etpnifd) be-
gründeten Kunftwollens oder find pe in ihrer Ge-
[taltung vorwiegend durch internationale 3u-
fammenbänge beftimmt? Kommt ihnen eine
Bedeutung für die Erkenntnis der Ge[d)id)te der
apatifcben und der religiöfen Kunft im welt-
biftorifcben Sinne zu? ünd im engeren Rabmen:
Klelcbe Stellung nehmen pe in der Entwick-
lung der Fjandfcbriften-Illuftration ein?
Leider bat Le Cop, dem eine fpezißfd) kunft-
biftorifcbe Schulung abzugeben fcbeint, nur [ehr
wenig zur Beantwortung diefer Fragen beige-
tragen. Eigentlid) bauptfäcblicb nur durd) Be-
hauptungen, die — mag ihre fachliche Berech-
tigung welche auch immer fein — unbewiefen
bleiben und die mit einer durd) keinen 3weifel
erfcbütterten Sicherheit vorgetragen werden,
mag ihre Grundlage auch metbodologifd) noch
fo unpcber fein: „...wir dürfen annehmen, daß
man die von Mani bergefteilten Originale,
foweit pe religiös waren, zu allen feiten bis
zum Untergang der manid)äifd)en Kirche mit
äußerßer Genauigkeit zu kopieren be-
ftrebt geblieben ift“ (S. 16). „Eine ünter-
fucbung der manid)äifd)en Miniaturen durch mit
der Cechnik der neuzeitlich perpfchen und in-
difcben Miniaturen vertraute Künftler oder Ge-
lehrte ift erwünfd)t. ((Harum hat man vor der
Publikation keinen Sacbverftändigen, der in Ber-
lin wahrlich nicht fehlt, zugezogen?) dir er-
warten von ihr Feßftellungen, die unfere Änpd)t
beftätigen werden, daß diefe frühen iranifchen
Malereien Vorftufen feien aller Miniaturmalerei
in Süd-, Mittel- und Oftapen ([S. 18] DieDruck-
bervorbebuug nach Le Coq)“. Dabei unter-
fdrjeidet Le Coq felbft (S. 16) innerhalb der Funde
zwei Sd)id)ten: Erpens Schriften in iranifchen
Dialekten (etwa vom 6. bis 9. Jahrhundert) und
zweitens in türkifcber Sprache (etwa vom 8. bis
12. Jahrhundert), die er dann kunftgefd)i<htlicb,
aber gleichwertig als Erzeugnis früher iranifd)er
Malerei anpebt. „Von befonderer Klicbtigkeit
pnd diefe Miniaturen für die noch vollkommen
im Ärgen liegende Kunßgefcbicbte Äpens (S. 18).“
(Her fo ftreng urteilt, müßte beßrebt fein, den
Gatbeßand nicht gewaltfam zu vereinfachen,
fondern den Quellen immer und immer wieder
mit der einzigen (Haße, die wir ihnen gegen-
über haben, der Stilanalyfe, zu Leibe zu gehen.
Le Coq bst [ich ihrer nur gelegentlich bedient
und ohne ihre Ergebniße fyntbetifd) zufammen-

zufaßen. Darum hat er auch der febr cijarak-
terißifchen Ornamentik keine Äntwort zu ent-
locken gewußt, die am erften aller Erfahrung
nach imßande fein wird, einiges über das (Hie,
das Klober und das Kloßm der Malereien aus-
zufagen. Eine negative Äntwort erteilt pe fo-
fort: den bisher bekannten faßanidifchen Orna-
menten entfpricht pe nicht; die pofitive über
ihre Ärt wird ihr nun ein anderer als Le Coq
entnehmen müßen. <Uo diefer [ich bemüht hat,
3ufauimenbänge mit Saßanidifcbem nachzuwei-
fen, dienen il)m als Beweife z. G. nur vermutete
ikonograpbifche Parallelen (S. 41, 58) und von
ihm felbft oßenbar nur als bedingt beweiskräf-
tig angefebene Ornamente (S. 43). Äus feinen
Beobachtungen von Beziehungen zum Byzan-
tinifcben (S. 35), Ägyptifcben (S. 36), Chinepifchen
(ebenda u. S. 43), 3entralapatifcben (S. 43), Indi-
fcben (S. 45 u. 48) hat er keine Schlüße gezogen.
Da ich als Kunßbßtoriker in einem kunßge-
fd)icbilieben Intereßen dienenden Blatte das
(Herk anzeige, kann ich damit den kritifcben
Geil befcbließen; er kann nur in der Feftftellung
gipfeln, daß die kunßgefcbichtliche Bearbeitung
der Miniaturen — fie muß aber als eine unge-
wöhnlich fcbwierige kunßhiftorifcbe Äufgabe be-
zeichnet werden — noch ausßebt. Dann wird
[ich aud) erß ergeben, ob wir über die Ändeu-
tungen, die ich vor V/2 Jahrzehnten über die
Bedeutung der manid)äi[cben Miniaturen für die
Entwicklung der Bibelilluftration machte (3u
Datierung der Miniaturen des cod. Par. gr. 139,
S. 33 ß.), bmauskommen können. Das iß jeden-
falls die Frage, um derenthalben die Fragmente
auch für die europäifche Kunftgefd)id)te beach-
tenswert pnd.
Sieht man ab von der kunftgefd)id)tlichen Be-
arbeitung, fo hat Le Coq die Fragmente mufter-
gültig ediert. Soweit ich urteilen kann, erfährt
man alles (Hißenswerte über die Fundorte und
die Funde; mit Dank werden ficber die Mittei-
lungen über Mani und die Manichäer aufge-
nommen werden. Der Verlag hat auch diefen
Band in der bekannten tecbnifcb vollendeten
opulenten Kleife ausgeftattet. Leider wurde nur
die Korrektur nicht mit der für fold) Prachtwerk
unumgänglichen Sorgfalt gelefen (z. B. S. 20).
Ich möchte zum Schluß noch einmal auf das
zitierte harte ürteil Le Coqs über den Stand
der Erforfcbung der apatifcben Kunftgefchichte
zurückkommen. Muß nicht gerade er dann zu-
ftimmen, wenn als erftes Erfordernis ftatuiert
wird, daß auch auf diefem Gebiete die Methode
anzuwenden ift, die für den (Heften heute Selbft-
verftändlichkeit ift, nämlich die der kritifcben
biftorifcben Klißenfdjaft, während es verfchwin-
den muß, daß jeder glaubt, um mit Criftram
Sbandy zu reden, dem Publikum geruhfam fein
Steckenpferd vorreiten zu können mit der freund-
lichen Einladung hinten aufzufteigen?
R. Berliner.
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