donnen eignet, ift blockhafte Schwere, fefte Maffigkeit, fteinerne härte getreten. Von
dem Strömen, Riefeln, Plätfchern der Faltenkaskaden ift nur die fdtjnörkelfyafte und
eigenfinnige Ulindung des Mantelfaumes übriggeblieben, von dem räumlichen ßinter-
einanderfd)ieben vertikaler Röhren eine auf die Fläche gefchriebene, ftark linear emp-
fundene Bewegung. Und ebenfo ift auch die faft kokette Grazie, die entzückende
Delikateffe, die elegante Gefte fchon ftark ins Derb-Bürgerlid)e, Behäbig-Satte, und der
zärtlich geneigte „Katjenkopf“ in den breiten, maffiven Kopf einer jungen Bürgersfrau
gewandelt. Dazu tritt fchließlid) das Motiv des Saugens, das in feiner ungenierten Nai-
vität weit entfernt ift von dem doch fehr bewußten Raffinement in Fjaltung und Gefte,
wie es vor allem die oftdeutfcßen „fcßönen Madonnen“ zeigen.
Das find Unterfcßiede, die fid) weder qualitativ noch lokal allein erklären laffen.
Die „Rebenftock-Madonna“ ift Repräfentantin einer neuen, bürgerlichen Kunft, die von
er ariftokratifchen Feinheit des frühen 15. Jahrhunderts, die in Cl)üringen vor allem
durch die Ärnftädter Madonna (um 1410/20) vertreten wird, im Grunde ebenfoweit
entfernt ift wie die Kunft eines Klits von der des Kölner Meifters der Madonna mit
der Ulickenblüte.
Der Vergleich mit verwandten Erfurter Arbeiten beftätigt diefen erften Eindruck. 3u-
nächft befindet fid) in der Martinikirche eine verwandte Steinmadonna1, die ausge-
fprochene Spätformen des „weichen Stiles“ zeigt; fo den breiten, in feltfamen Schnör-
keln über die Fläche gleitenden Mantelfaum, die tief herabfackende, fd)laffe, faft ftrick-
artig dünne hängefalte zwifdjen den Beinen, die Vorliebe für große, kaßle, nur durch
wenige Falten unterbrochenen Flächen, vor allem die Delle über dem unverhältnis-
mäßig tief fixenden rechten Knie — eine Form, die für gewöhnlich erft nach der Mitte
des Jahrhunderts auf tritt.
1438 ftiftete die Schneiderinnung einen Schlußftein für ein Gewölbe im füdlichen
Seitenfd)iff der Predigerkirche mit einer Darftellung der fixenden Madonna, die ihrem
Kinde eine Birne reicht2 3. Die Art, wie fich der Arm als glatter 3ylinder aus dem
Mantel hervorfcßiebt, die hand, ein wenig nach unten gebogen, die Frucht hält, kommt
der „Rebenftock-Madonna“ ebenfo nah, wie das vorgebeugte und dabei fefte Sitjen
des halbbekleideten Kindes. Im übrigen gehört das tUerk anfcheinend einer früheren
Stilftufe an, die mit großen, runden, weitgefcßwungenen Linien arbeitet.
Verwandte 3üge zeigt das 1444 datierte Epitaph der Jutta Bock im Chorgang
des Domes8. 3unäd)ft die Köpfe: die glatten, breiten Gefidjter, die großen, in die
Gefid)tswölbung eingefdjnittenen Augen, mit den fcßweren, fich eiförmigen Lidern, der
breit betonte Mund, das energifd) vorgewölbte Doppelkinn! In der Gewandung die
in die Fläche gefchriebenen Schnörkel der Mantelfäume, die ziemlich flachen, wenig
raumhaltigen ßängefalten, beim Johannes zumal die fchwad) gebogene Vertikalfalte
(vom Betrachter aus links), die in leichter Brechung am Boden verebbt, fchließlid) die
kalligraphifchen Linien der Gewänder auf der Erde, die faft wörtlich die gleichen
Um- und Überfd)läge, Bögen und Schleifen bilden wie bei der „Rebenftock-Madonna“.
Selbft ein Übergangswerk wie die Grabplatte des Gerbftedt in der Clemenskapelle
am Dom (geft. 1451)4, wo die Geftalt in ein fd)arfliniges Nets dünner Vertikalfalten
eingefpannt ift und die Formen des weichen Stils bereits in lineare Erftarrung über-
gegangen find, zeigt gerade in den Staufalten am Boden viel Verwandtes. Dazu
treten die beiden eng nebeneinanderlaufenden Vertikalfalten links, die am Boden in
mehrfacher Knickung in die horizontale übergehen und in feinem Kontraft zu dem
leicht bewegten Spiel des unterften Saumes ftehen; ferner die fd)arfen, wie mit der
Nadel eingeriffenen, oft fpitjwinklig gegeneinander fahrenden Falten, die den Eindruck
1 Overmann, a. a. 0. Nr. 77. 3ur 3^it im Städtifchen Mufeum.
2 Overmann, a. a. 0. Nr. 108.
3 Overmann, a. a. 0. Nr. 95.
4 Overmann, a. a. 0. Nr. 113.
Der Cicerone, XVI. Jaljrg., ßeft 20
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dem Strömen, Riefeln, Plätfchern der Faltenkaskaden ift nur die fdtjnörkelfyafte und
eigenfinnige Ulindung des Mantelfaumes übriggeblieben, von dem räumlichen ßinter-
einanderfd)ieben vertikaler Röhren eine auf die Fläche gefchriebene, ftark linear emp-
fundene Bewegung. Und ebenfo ift auch die faft kokette Grazie, die entzückende
Delikateffe, die elegante Gefte fchon ftark ins Derb-Bürgerlid)e, Behäbig-Satte, und der
zärtlich geneigte „Katjenkopf“ in den breiten, maffiven Kopf einer jungen Bürgersfrau
gewandelt. Dazu tritt fchließlid) das Motiv des Saugens, das in feiner ungenierten Nai-
vität weit entfernt ift von dem doch fehr bewußten Raffinement in Fjaltung und Gefte,
wie es vor allem die oftdeutfcßen „fcßönen Madonnen“ zeigen.
Das find Unterfcßiede, die fid) weder qualitativ noch lokal allein erklären laffen.
Die „Rebenftock-Madonna“ ift Repräfentantin einer neuen, bürgerlichen Kunft, die von
er ariftokratifchen Feinheit des frühen 15. Jahrhunderts, die in Cl)üringen vor allem
durch die Ärnftädter Madonna (um 1410/20) vertreten wird, im Grunde ebenfoweit
entfernt ift wie die Kunft eines Klits von der des Kölner Meifters der Madonna mit
der Ulickenblüte.
Der Vergleich mit verwandten Erfurter Arbeiten beftätigt diefen erften Eindruck. 3u-
nächft befindet fid) in der Martinikirche eine verwandte Steinmadonna1, die ausge-
fprochene Spätformen des „weichen Stiles“ zeigt; fo den breiten, in feltfamen Schnör-
keln über die Fläche gleitenden Mantelfaum, die tief herabfackende, fd)laffe, faft ftrick-
artig dünne hängefalte zwifdjen den Beinen, die Vorliebe für große, kaßle, nur durch
wenige Falten unterbrochenen Flächen, vor allem die Delle über dem unverhältnis-
mäßig tief fixenden rechten Knie — eine Form, die für gewöhnlich erft nach der Mitte
des Jahrhunderts auf tritt.
1438 ftiftete die Schneiderinnung einen Schlußftein für ein Gewölbe im füdlichen
Seitenfd)iff der Predigerkirche mit einer Darftellung der fixenden Madonna, die ihrem
Kinde eine Birne reicht2 3. Die Art, wie fich der Arm als glatter 3ylinder aus dem
Mantel hervorfcßiebt, die hand, ein wenig nach unten gebogen, die Frucht hält, kommt
der „Rebenftock-Madonna“ ebenfo nah, wie das vorgebeugte und dabei fefte Sitjen
des halbbekleideten Kindes. Im übrigen gehört das tUerk anfcheinend einer früheren
Stilftufe an, die mit großen, runden, weitgefcßwungenen Linien arbeitet.
Verwandte 3üge zeigt das 1444 datierte Epitaph der Jutta Bock im Chorgang
des Domes8. 3unäd)ft die Köpfe: die glatten, breiten Gefidjter, die großen, in die
Gefid)tswölbung eingefdjnittenen Augen, mit den fcßweren, fich eiförmigen Lidern, der
breit betonte Mund, das energifd) vorgewölbte Doppelkinn! In der Gewandung die
in die Fläche gefchriebenen Schnörkel der Mantelfäume, die ziemlich flachen, wenig
raumhaltigen ßängefalten, beim Johannes zumal die fchwad) gebogene Vertikalfalte
(vom Betrachter aus links), die in leichter Brechung am Boden verebbt, fchließlid) die
kalligraphifchen Linien der Gewänder auf der Erde, die faft wörtlich die gleichen
Um- und Überfd)läge, Bögen und Schleifen bilden wie bei der „Rebenftock-Madonna“.
Selbft ein Übergangswerk wie die Grabplatte des Gerbftedt in der Clemenskapelle
am Dom (geft. 1451)4, wo die Geftalt in ein fd)arfliniges Nets dünner Vertikalfalten
eingefpannt ift und die Formen des weichen Stils bereits in lineare Erftarrung über-
gegangen find, zeigt gerade in den Staufalten am Boden viel Verwandtes. Dazu
treten die beiden eng nebeneinanderlaufenden Vertikalfalten links, die am Boden in
mehrfacher Knickung in die horizontale übergehen und in feinem Kontraft zu dem
leicht bewegten Spiel des unterften Saumes ftehen; ferner die fd)arfen, wie mit der
Nadel eingeriffenen, oft fpitjwinklig gegeneinander fahrenden Falten, die den Eindruck
1 Overmann, a. a. 0. Nr. 77. 3ur 3^it im Städtifchen Mufeum.
2 Overmann, a. a. 0. Nr. 108.
3 Overmann, a. a. 0. Nr. 95.
4 Overmann, a. a. 0. Nr. 113.
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