Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1008
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Passarge, Walter: Eine "Schöne Madonna" in Erfurt
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eines Klirrens und Splitterns der Form erwecken. Endlid) die Ärt, wie die fpitjbe-
fd)ul)ten Füße nur ganz wenig unter dem Gewände ßervorlugen.
Äßnlicße fcßarfe Brechungen dünner, flad) übereinandergelegter Schichten zeigen die
Gewalten des ßl. Markus und Nicolaus auf einem Cürbogenfeld aus der alten Kirche
von Ilversgeßofen — jet^t im Städtifchen Mufeum —, das 1453 datiert war und dabei
im übrigen noch durchaus die Formenfprache des weichen Stiles trägt.
Ein befonders fchönes Beifpiel für den Übergang des weichen Stiles in den eckigen
ift die Frauengruppe aus Roggenbeuren in Schwaben, jet^t im Lorenzmufeum in Rott-
weil1. Än die Stelle raufchender Melodik ift bereits ein heftiges „Kniftern und Knacken
der Formen“ getreten. Es ift im Grunde das gleiche Splittern der Formen, die gleiche
Schärfe, Brüchigkeit und Flächigkeit, die auch die „Rebenftock-Madonna“ zwifdjen den
weichgefchwungenen Kurven der ßängefalten zeigt.
Das ßaus zum Rebenftock ift laut Infdjrift im Jahre 1451 begonnen worden. Es
wäre verlockend, diefes Datum mit der Madonna in 3ufammenhang zu bringen — fo
fpät das auch auf den erften Blick erfd)einen mag. Gerade die Profanierung der Figur
durch das Motiv des Saugens, die Darftellung der Maria, — trotj der Krone — nicht
fo fehr als Himmelskönigin, denn als fchlid)te, irdifche Mutter legt die Vermutung
nahe, daß das tüerk von vornherein für private, außerkirdjliche 3wecke beftimmt war.
Sicher ift jedenfalls foviel, daß die Madonna eine feßr fpäte Stufe des weichen Stiles
vertritt, die fid) in einzelnen Formen bereits dem Stil des fpäteren 15. Jahrhunderts
nähert.
1 Dehio-Bezold, Meifterwerke der deutfcben Bildhauerkunft. 15. Jahrhundert. C. 23,1.
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fd)ul)ten Füße nur ganz wenig unter dem Gewände ßervorlugen.
Äßnlicße fcßarfe Brechungen dünner, flad) übereinandergelegter Schichten zeigen die
Gewalten des ßl. Markus und Nicolaus auf einem Cürbogenfeld aus der alten Kirche
von Ilversgeßofen — jet^t im Städtifchen Mufeum —, das 1453 datiert war und dabei
im übrigen noch durchaus die Formenfprache des weichen Stiles trägt.
Ein befonders fchönes Beifpiel für den Übergang des weichen Stiles in den eckigen
ift die Frauengruppe aus Roggenbeuren in Schwaben, jet^t im Lorenzmufeum in Rott-
weil1. Än die Stelle raufchender Melodik ift bereits ein heftiges „Kniftern und Knacken
der Formen“ getreten. Es ift im Grunde das gleiche Splittern der Formen, die gleiche
Schärfe, Brüchigkeit und Flächigkeit, die auch die „Rebenftock-Madonna“ zwifdjen den
weichgefchwungenen Kurven der ßängefalten zeigt.
Das ßaus zum Rebenftock ift laut Infdjrift im Jahre 1451 begonnen worden. Es
wäre verlockend, diefes Datum mit der Madonna in 3ufammenhang zu bringen — fo
fpät das auch auf den erften Blick erfd)einen mag. Gerade die Profanierung der Figur
durch das Motiv des Saugens, die Darftellung der Maria, — trotj der Krone — nicht
fo fehr als Himmelskönigin, denn als fchlid)te, irdifche Mutter legt die Vermutung
nahe, daß das tüerk von vornherein für private, außerkirdjliche 3wecke beftimmt war.
Sicher ift jedenfalls foviel, daß die Madonna eine feßr fpäte Stufe des weichen Stiles
vertritt, die fid) in einzelnen Formen bereits dem Stil des fpäteren 15. Jahrhunderts
nähert.
1 Dehio-Bezold, Meifterwerke der deutfcben Bildhauerkunft. 15. Jahrhundert. C. 23,1.
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