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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1176

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Ausheilungen

Dann „Oje Rooras of tl)e early republic in the
new american Kling“ und endlich einen gründ-
lichen Beitrag über Goyas „Disasters of war“.
Das Oktoberheft gibt zunächft einen auch illu-
strativ fehr gründlichen Überblick über die neuen
Säle mittelalterlicher Kunft und der Renaiffance,
die ausftellungstecbnifch hervorragend gelungen
pnd. Es folgen dann Beiträge wie „Klall Pa-
pers and Point in ttje new american Kling“,
ferner „Miscelloneous Greek and Roman Sculp-
tures“ und in beiden Nummern gibt es zum
Schluß einen Überblick über die Mufeumskurfe.
Ankäufe, Leihgaben ufw. b.—
Äusftellungen
Äusftellung altdeutfd}er
Kunft in Ctiemni^
Mit einer Cafel
Im Mittelpunkt fteht das Klerk des Meifters
5- KI. Ihm gilt im Grund die ganze Äusftellung.
Sie war wichtig und notwendig, denn es fehlte
in Sachfen das rechte Verftändnis und die rechte
Liebe für diefen großen Meifter und feine Per-
fönlichkeit ift noch immer nicht klar und beftimmt
herausgearbeitet. Seine Hauptwerke, der Altar in
Borna 1511 und die „Schöne Pforte“ in Änna-
berg 1512, die bezeichnet find, die Culpenkanzel
in Freiberg, das große Portal und die Geiße-
lungsgruppe der Scßloßkirche in Chemnitz können
natürlich nur in Photographien gezeigt werden.
Sie geben die allein pepere Baps für dieVorftel-
lung vom Schaffen diefes Künftlers, der wie kein
zweiter eine genaue exakte Naturbeobachtung
im einzelnen mit einer beweglichen Phantape
im Aufbau des Ganzen verbindet. In der Chem-
nitzer Äusftellung pnd es vor allem die beiden
Ebersdorfer Pulthalter, die feine ganze Bedeu-
tung zeigen. Beides pnd überlebensgroße Ge-
palten, mit mächtigen Körpern unter fdjweren
Gewändern. Der Engel (vgl. Äbb.) mit geöff-
netem Mund befitp jene koftbare Vermißhung
von getreuer Darßellung des einmalig Gege-
benen feines Gepchtes und völliger Vergeiftigung,
die den Meifter groß macht. Fjier fielet man
was der Künftler liebt: die große Form des
langen Gefichts, die kühne mächtige Nafe, den
weichen Kranz des Haares, die gefchwungene
Linie in Äuge und Mund. Der Diakon daneben
ift zwar ftiller, aber der gleiche pnnliche Glanz
ift über fein herbes und kühnes Gepicht gelegt.
Man glaubt Menfdjen der leidenfchaftlidjen und
doch männlichen 3eit der Vorreformation im
Erzgebirge zu erkennen. Denn man muß pch
klar machen, daß diefe Klerke im abgelegenen
Gebirge entftanden, wo der Silberbau einen
jungen Reichtum aufwachfen ließ, wo foziale
wirre 3uftände, vermifdbt mit neuen religiöfen
Gedanken aus Böhmen her die Menfchen quälten.
Dr. Klalter Hentfchel, der wißenfchaftliche Leiter

der Äusftellung, zeigt noch eine ganze Anzahl zum
Ceil fehr bedeutender Klerke, die er mit dem Meißer
in Beziehung bringt. Eine fchlanke, zierliche, un-
endlich zarte Madonna mit dem Kinde (Dresdner
Ältertumsverein) und eine Maria als Schmerzens-
mutter (Chemnitzer Gefchichtsverein) fallen be-
fonders auf. Jedoch kann man die 3ufammen-
hänge und 3uphreibungen, die den Arbeiten
anderer Kunßhiftoriker, Robert Bruck und KI. Ju-
nius, zum Ceil widerfprechen, aus den Angaben
des Kataloges noch nicht völlig verßehen. Man
wird das Erfcßeinen von Hentfchels Arbeit über
den Meifter H- KI. abwarten müffen. Es wird
weiter verpacht, das Klerk eines Peter Breuer
aus 3wickau, eines Malers Haus Hßße in Änna-
berg, eines Jacob Naumann in Ältenburg und
des Malers Hans von Cöln in bezeichnenden
Beifpielen aus der Chemnitzer Gegend vor-
zuführen. Nur Hans von Cöln hat — wenn
er der Maler des Eprenfriedersdorfer Altars ift —
für weitere Kreife Bedeutung. Die wühlende
Kraft der Farbe und Linie dieferCafeln machen
auch den von neuem erßaunen, der den Altar
in der Dresdner Galerie Vorjahren gefehen hat.
Die warme Farbe aber feiner Ältarßügel in
Einpedel wird für die meißen eine köftliche
Überrafdbung gewefen fein. Ein reicher Be-
ßre!) von auswärts und aus der Stadt zeigte,
daß die Arbeit vieler Gemeinden, der Chem-
nitzer Kunfthütte (Direktor Schreiber-Kleigand),
des Landesamtes für Denkmalspßege (Dr. Bach-
mann) und Dr. Hentfchei, nicht umfonft war.
Hildebrand Gurlitt.
Berliner Äusftellungen
Juryfreie Kunftfchau / Sezeffion
Sich in die vieltaufendnummrige Kleitläußg-
keit und den arktifdjen Froß der ungeheizten
Glashallen zu wagen, das heißt einen Opfermut
beweifen, den felbß die produktivße aller Ber-
liner Jahresausftellungen, die unter Hermann
Sandkuhls taktvoller und organifatorifd) höchß
ge(d)ickter Leitung als öffentliche Unentbehr-
lichkeit feß behauptete Jury freie Kunßfdjau,
allenfalls dem Publiziften, nicht aber einem
weiteren Publikum zumuten kann. Die ungün-
ftigen Lokalverhältniffe kappen die Auswirkung
diefer auch diesmal wieder äußerft fruchtbaren
Veranßaltung in der bedauerlichßen Kleife; und
man muß an die Stadt Berlin die nachgerade
dringende Bitte richten, pch doch lieber der
lächerlich ausgewählten Ankäufe zu enthalten
und ßatt deßen die Juryfreie durch ein ßändiges
Quartier zu entfdjädigen, in dem überfchaubare
Äusftellungen allmonatlich oder doch quartals-
weife gewechfelt und derart temperiert werden
können, daß eine gründlichere Betrachtung nicht
rein phypfch zur (Inmöglichkeit gemacht und
die Mehrheit nicht von vornherein fortgegrault
wird. Da die Juryfreiheit nicht einfach als Pri-
vilegierung des Chaos, vielmehr als Nachprüf-

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