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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Mayer, August Liebmann: Die Kathedrale von Toledo
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1197

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Die Kathedrale von üoledo
Mit drei Abbildungen auf drei Tafeln Von AUGUST L. MAYER
Ift die Kathedrale von Leon die fchönfte, in jeder f)infid)t die harmonifchfte und auch
franzöfifchfte unter den großen gotifchen Domen Spaniens, [o führt die Kathedrale
von Coledo mit eben fo viel Recht den Beinamen „dives, die Göttliche“1 2. Ob
der Fjauptbaumeifter Spanier oder Franzofe war, ift bisher nod) nid)t endgültig ent-
fcpieden. Die Löfung des Problems bedeutet lebten Endes die Klärung der Frage, in-
wiefern fpanifche Gotik fid) von franzöfifcßer fcheidet. Die Dichtigkeit diefer Frage-
ftellung hat Lamperez bei feiner kurzen monographifcßen Behandlung diefes Baues nid)t ver-
kannt und wenn aud) vorfichtig, fo dod) unferes Erachtens mit Recht, auf die Sonder-
heiten des Baues und die Dahrfcheinlid)keit der fpanifchen Autorfchaft Ipngewiefen.
1227 wurde der Grundftein zur großen Kathedrale an der Stelle der einftigen ßaupt-
mofchee gelegt3. Der Bau zog fid) ziemlich lange hinaus, Ende des 13. Jahrhunderts
war er ßd)erlid) bis über das Querfchiff gediehen. Die Cürme wurden 1380 begonnen,
die Fjauptfaffade erft 1418. Erft unter dem Kardinal Mendoza (1493) waren end-
lich alle Decken eingewölbt. Als Fjauptbaumeifter wird Petrus Petri genannt. Auf
feinem Grabftein ift er bezeichnet als „Magifter eclesia sce. marie toletani.qui
prese . . . templum costrux.“ Geftorben ift er am 10. November 1291. Dill
man wirklich annehmen, daß diefer Petrus Petri der Autor des Planes war, nach dem 1227
die Arbeiten begonnen wurden, fo muß Pedro ein Alter von rund 90 Jahren erreicht haben.
Laffen wir aber diefe Perfonenfrage beifeite und betrachten wir die Anlage des Baues
auf ihre befondere Eigentümlichkeit. Es ift eine riefige fünffchiffige Kirche mit halb-
kreisförmigem doppeltem Chorumgang; das Querfchiff reicht mit feinen Armen nicht
über die Breite von Chorpartie und Langhaus und Kapellen hinaus. Die Gefamtlänge
beträgt rund 129 m, die Gefamtbreite 59 m. Das Mittelfchiff ift 30 m hoch- Gewiß
ift die Gefamtaniage ohne die genaue Kenntnis des nordfranzöfifchen Kathedralftils der
Frühgotik undenkbar. Aber das Syftem der Strebebogen und Strebepfeiler fpielt hier
keineswegs eine markante Rolle. Mit Recht hat Lamperez auf die mächtigen Pfeiler
im Inneren hingewiefen, die als Fjauptflütjen die üblichen Strebebogen und Strebepfeiler
überflüffig machen und dazu beitragen, daß man hier, was die Ponderation anbe-
trifft, noch viel eher von einem romanifchem Stil fprechen darf als von einer durch-
gehenden Anwendung des gotifchen Stils. Dies ift aber nicht erfolgt aus einer (Un-
kenntnis des gotifchen Syftems, da ja nicht zuletzt in der von Lamperez anfchaulid) be-
fchriebenen genialen Verwendung der Strebebogen bei der Cßorpartie fid) das volle
Verftändnis des Architekten für die Gotik verrät. Es ift alfo keine Rückftändigkeit, fon-
dern ein bewußtes Verharren in einer Tradition, die der fpanifche Baumeifter dem
allgemeinen Empfinden feiner Landsleute ebenfo adäquat fand, wie dies nod) in viel
höherem Maß in Italien der Fall war.
Sieht “man von dem ftörenden Einbau des „coro“ ab, fo gewinnt man fel)r rafd)
den entfcheidenden Eindruck eines weit ausladenden, majeftätifchen Baues, der fid)
hoch und weit wölbt, aber nicßt durd)fid)tig wirkt wie ein Glashaus, nod) aud) jäh
emporfd)ießt. 3u alle dem kommt, daß die Criforiengalerie fowol)l im Chorumgang
wie ganz befonders im eigentlichen Altarhaus (capilla mayor) unverkennbar von mau-
rifcher Kunft abgeleitete Bogenformen aufweift, wie fie in jener 3eit ein franzöfifd)er
Künftler fchwerlid) verwendet hätte.
Sind die Kapellenreihen im Längsfcljiff durchaus urfprünglid), fo ift der heutige
Kapellenkranz, der fid) um den Chorumgang legt, in der Fjauptfache ein Erzeugnis der
1 Ein alter lateinifcher 3weizeiler fagt: Sancta ovetensis pulchra leonina
dives toledana fortis salmantina.
2 Vgl.V.Lamperez y Romea: historia de la Hrquitectura eristiana espanola en laEdadMedia II, 223ff.
Der Cicerone, XVI. Jatjrg., ßeft 24 59 1165
 
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