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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 9 - Nr. 16 (1. Februar - 25. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44617#0043

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Summe Geldes gelöſt hatte, an einer umheimlichen
Stelle der Landſtraße unverſehens auf einen, tief bis
über das Geſicht in einen Mantel gehüllten Mann.
Von gewaltigem Schrecken bei dieſem Anblick ergriffen,
denn er hielt ihn für einen Räuber, glaubte ber Päch-
ter ſchon das Mordmeſſer an ſeiner Kehle, oder eine
Kugel ſein Gehirn durchziſchen, und ohne irgend eine
Anfrage oder Aufforderung abzuwarten, warf er ſein
Taſchenhuch, in welchem hundert Souverains enthalten
waren, dem Fremden vor die Füße, gab ſeinem Pferde
die Spornen und eilte unaufhaltſam, ohne nur einmal
umzublicken, bis an ſeine Wohnung fort.
Am nächſten Morgen, nachdem er ſich von ſeinem
paniſchen Schrecken erholt hatte, kehrte er, ermuthigt
durch die Begleitung einiger Freunde, zu der Stelle zu-
rück, von welcher er ſo eilig die Flucht ergriffen, aber
weder der Fremde, noch ſein Taſchenbuch waren dort
mehr zu finden, noch ließ ſich irgend eine Nachricht
über dieſen Vorfall ermitteln, und es blieb dem Päch-
ter nichts anderes übrig, als den Verluſt zu verſchmer-
zen, den er nur ſeiner Feigheit zuzuſchreiben hatte.
Hierzu kam nun noch das zu gleicher Zeit bekannt
gewordene Verſchwinden Roberts, welches neuen Stoff
zu Wundergeſchichten darbot, und ſeine liebevollen Nach-
barn waren nicht faul, ihm Beides, die Verwundung
und die Hinnahme des Geldes vom Pächter aufzubür-
den. Indeſſen, da ſie vom Letztern keine Beweiſe hat-
ten, durften ſie ihre Vermuthungen darüber vor der
Familie des jungen Mannes nicht laut werden laſſen.

(Fortſetzung folgt.)

Die Hinrichtung elf preußiſcher Ofſiziere.

Im Jahre 1809, eben als der blutigſte Krieg Frank-
reichs gegen Oeſtreich begonnen hatte, Preußen aber
ſich im Friedensſtande mit Frankreich befand, entfernte
ſich der in Berlin in Garniſon liegende Major von
Schill mit ſeinem Huſarenregiment und einem kleinen
Korps reitender Jäger aus dieſer Reſidenz, um auf ei-
gene Fauſt den Krieg gegen die Franzoſen zu führen.
Dieſer kleine Haufen tapferer Deutſchen vergrößerte ſich
bald und fügte den Franzoſen nicht unbedeutenden Scha-
den zu. Da erſchien ein Dekret des Kaiſers Napoleon,

das Schill und ſein Korps für Räuber erklärte und

feſtſetzte, bei ſeiner Habhaftwerdung ſogleich Standrecht
gegen daſſelbe zu halten. Alsbald brachen von allen
Seiten Truppen gegen daſſelbe auf und ein Korps dä-
nifcher und holländiſcher Truppen ging ihm ſcharf zu
Leibe. Am 25. Juni warf ſich Schill in die Stadt
Stralſund, entſchloſſeu, ſich darin auf Leben und Tod
zu vertheidigeu. Nachdem von den Holländern und
Dänen die Batterien um die Stadt eingenommen wa-

ren, entſpann ſich mitten in der Stadt ein wüthendes

Gefecht; in allen Straßen lagen Todte und Verwun-
dete. In der Fährſtraße blieb Schill ſelbſt, niederge-
ſtreckt durch einen Schuß in den Kopf und die Schul-
ter und einem ſtarken Hieb über das Geſicht; fünfhun-

wartete.

dert feiner tapſeren Krieger blieben ebenfalls auf dem
Platze. Die gefangenen Offiziere wurden nach Weſel
gebracht, daſelͤſt vor ein Kriegsgericht geſtellt und elf
davon am 16. September 1809 erſchoſſen.
Nachſtehend theilen wir die Beſchreibung des Zuges
dieſer heldenmüthigen jungen Männer zum Richtplatz,
ſo wie ihrer Hinrichtung, mit, die gewiß jedes wahr-
haft deutſche Herz mit Wehmuth erfüllen wird.
Um ein Uhr Mittags des 16. Septembers verkün-
digte der laute Schall der franzöſiſchen Trommeln den
Abzug der Verurtheilten von der Citadelle nach dem
Richtplatz. Den Zug eröffnete eine Abtheilung Caval-
lerie mit geſpannten Karabinern, dann folgte eine Kom-—
pagnie Grenadiere, dieſen zunächſt die zur Execution
befehligten Kanoniere, Alle tiefes Schweigen beobachtend
und ſelbſt, wie es ſchien, den traurigen Dienſt verwün-
ſchend, zu dem ſie jetzt genöthigt waren, denn auch ſie
fühlten die Schwere des Unrechts, das hier begangen
wurde. In der Mitte der Kanoniere gingen die elf
Schlachtopfer, zu zweieun und dreien mit dünnen Stricken
an den Armen an einander gebunden; eine Kompagnie
Voltigeurs ſchloß den grauſigen Zug, der langſam aus
dem Hauptthore der Citadelle über die Esplanade nach
dem Berliner Thore ſich bewegte. Als der Zug hinaus
war, wurde daſſelbe ſogleich wieder geſchloſſen, ſo daß
kein Stadtbewohner mit hinausgehen durfte, ſo dringend
auch manche darum baten, denn trotz der franzöſiſchen
Wachen ſprach ſich doch die Theilnahme und die Ent-

rüſtung über die furchtbare That ohne Rückhalt aus.

Die, welche vor der Schließung der Thore ſchon hi-
nausgegangen waren, vernahmen ſchon von ferne den
todtverkündenden Trommelſchlag mit banger Erwartung
und tiefbetrübter Seele, da ſo viele hochherzige Söhne
des alten preußiſchen Vaterlandes auf einmal von fran-
zöſiſchen Kugeln dahin geſtreckt werden ſollten. An eine
Beguadigung war unter ſolchen Umſtänden nicht mehr
zu denken. Unter jenen trauernden Bürgern befand
ſich auch Herr J., ein alter Bekannter Gabains, auf
den er an der Stelle, wo jetzt der Wegweiſer vor dem
Berliner Thor ſteht, mit dem ſchmerzlichen Gefühl ei-
nes ſolchen Wiederſehens auf dem heimathlichen Boden
Der Führer des Reiterzuges bemerkte den
Wartenden und fragte ihn, ob der Weg zum Richtplatze
rechts führe? Jener erwiederte aber, daß die Wieſe
und die Straße nach der Lippe zu überſchwemmt ſei;
der Zug müſſe daher links, den Weg nach dem Fürſten-
berge, einſchlagen und dies geſchah auch. Bald kamen
die elf Gefangenen, welche zwiſchen den Kanonieren in
edler Haltung, über ihr unverdientes Unglück erhaben
und voll der Ahnung, daß einſt das Vaterland wieder
frei und ihr Herzblut nicht umſonſt verſpritzt ſein
werde, wie Mänuer, ohne Todesfurcht, einherſchritten
und ſelbſt ihren Feinden Achtung und Bedauern zugleich
abnöthigten. — Das Anerbieten, nach dem Richtplatze
zu fahren, hatten ſie abgewieſen, da ſie zum letzten
Gange noch Kraft genug hätten. Deſſen ungeachtet lie-
ßen die Franzoſen einige auf der Straße aufgegriffenen
Bauernkarren dem Zuge nachfahren. —
(Schluß folgt.)
 
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