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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 87 - Nr. 95 (1. November - 29. November)
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Samſtag, den 11. November 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4

und ber den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Aus der Geſellſchaft.
Von Elariſſa Lohde.
(Fortſetzung.)

Der Baron war in den Fauteuil, in den er ſich
ſeinem Schwager gegenübergeſetzt hatte, zurückgeſunken,
ſeine Miene war wieder gleichgültig, wie vorher.

„Ich wüßte keine Dame, die mich ſo beſonders in-

tereſſirt hätte, wenn es nicht Frau Reuter iſt; doch er-
zählen Sie.“ ö
Der Miniſter ſprang auf. „Nein, wahrlich, Ban-
delow!“ rief er, „meine Frau hat Recht, Sie haben
Anlage, vollſtändig hlaſirt zu werden, der Gedanke an
dieſe unſelige Frau Reuter wird bei Ihnen zur fixen
Idee. Sieh nur, Kamilla, welche Miene der vollſtän-
digſten Apathie Dein Bruder in dieſem Augenblick hat.
Jetzt bitte ich Sie aber wenigſtens um etwas Aufmerk-
ſamkeit. Was ich Ihnen erzählen will, intereſſirt Sie
doch vielleicht mehr, als Sie denken. Ich habe das
frühere Fräulein von Raven geſehen, ſie wurde heute
von 6r Gräſin Dennſtein Ihren Majeſtäten vorgeſtellt
— (0 —
„Eliſe von Raven!“ rief die Miniſterin.
Auch der Baron ſah überraſcht und geſpannt auf
ſeinen Schwager.
„Die ſchöne Eliſe wieder hier?“ fuhr Frau von
Wertheim fort, „und wahrſcheinlich als Frau, denn
ſonſt würde es ihr ſchwerlich geſtattet ſein, wieder bei
Hofe zu erſcheinen. Die junge Prinzeſſin Alexander
könnte eiferſüchtig werden.“
„Sie hat alſo einen Gatten gefunden,“ ſagte der
Baron, „das freut mich wirklich aufrichtig.“
„Das ſreut Sie? ſo?“ rief der Miniſter lachend.
„Nun, daraus erſehe ich, daß Sie doch wenigſtens et-
was aus Ihrer Gleichgültigkeit geriſſen ſind, und das
freut mich, Lieber. Doch jetzt zur Hauptſache, ſtaunen
Sie, lieber Bandelow, Kamilla, ſuche es zu faſſen, wer
der Gemahl der größten Schönheit unſeres Landes iſt,
ſo nennt man ſie nämlich bei Hofe. — Der Graf Al-
phons.“
Die Boronin ſowohl wie ihr Bruder ſprangen Beide
überraſcht auf. ö
„Der alte Geck!“ rief die Baronin. „Unmöglich.“
„Der alte Geck“, wiederholte der Miniſter und lachte
laut auf. „Ihr hättet ihn nur ſehen ſollen, wie er

heute herausgeputzt wie ein Affe um ſeine ſchöne Frau
herumſchwenzelte, Alles war neu an ihm von Kopf bis
zu den Füßen, ſogar Bart und Haar friſch und glän⸗—
zend ſchwarz gefärbt und in tauſend Löckchen gebtannt
um das alte faltige Geſicht. Als ich ihm Glück wünſchte,
lächelte er ſo beſeligt, er wußte vor devoten Verbeu-
gungen gar nicht mehr, mit wem er eigentlich fprach,
und verneigte ſich ſo tief vor mir, wie vor einem Prin⸗—
zen des Königlichen Hauſes.“
„Aber wie benahm ſich denn die ſtolze Eliſe dabei,“
fragte die Baronin.
„Sie beachtete ihn kaum,“ erwiederte der Miniſter.
„Alles huldigte ihr, Se. Majeſtät ſelbſt waren ſehr
gnädig und des Prinzen Alexander Antlitz leuchtete vor
Entzücken bei ihrem Anblick. Sie war aber auch wun-
derbar ſchön in der glänzenden Hoftoilette mit dem

prachtvollen Brillant-Diadem auf dem ſtolzen Haupte.

Die Prinzeſſin Alexander ſah ganz unbedeutend ihr ge-
genüber aus, und Niemand verdachte es dem Prinzen,
daß er für ſeine frühere Adorata von Neuem zu bren-
nen ſchien.“
„So wird man es ihm wohl jetzt gnädigſt geſtatten,
da Fräulein von Raven Gräfin Alphons iſt, und er
ſelbſt vermählt iſt, ihr ſeine Huldigungen darzubrin-
gen,“ ſagte bitter lächelnd der Baron, „Gott ſei Dank,
daß ich nicht der Auserwählte bin, deſſen Name zum
Deckmantel dienen muß, um das Unlautere zu ver-
hüllen.“ ö ö
„Ei, ei, nur nicht gleich ſo bitter!““ rief der Mini-
ſter; „der milde Bandelow iſt ja auf einmal ein ſchar-
fer Richter geworden. Ja, ja, Lieber, die Trauben
ſind ſauer!“
Der Baron erwiederte nichts und lächelte nur leicht.
„Wo hat denn aber Fräulein von Raven den Gra-
fen kennen gelernt?“ fragte die Baronin, „man hat
doch gar nichts vorher von dieſer Verbindung gehört.“
„Die Hochzeit iſt in Italien gefeiert worden“, er-
zählte der Miniſter. „Beide haben dort gefunden, was
ſie ſuchten, er eine Frau, die ihm ſchwer war zu be-
kommen, ſie einen Mann, der ihr einen angeſehenen
Namen gab und ſie wieder an den Hof brachte, was
jedenfalls ihr heißeſter Wunſch war. Aber nun, Ka-
milla,“ ſetzte er lächelnd hinzu, „wollen wir den armen
Bandelow mit dieſer Unterhaltung nicht weiter quälen,
beſonders, da ich ihm noch eine Ueberraſchung zuge-
dacht habe.“
„Und die wäre?“ fragte der Baron und ſeine Schwe-
ſter zugleich.
 
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