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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 52 - Nr. 60 (1. Juli - 29. Juli)
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eidelberger Vollsblatt.

Nr. 58.

Mittwoch, den 5. Juli 1871.

4. Jahrg.

Seſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Rummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret, Schiffgaſſe 4
ö und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Roſe und das Schaffot.
(Forſetzung)

Wofür der Grad eines Brigadiers bald die gerechte
Belohnuug ſein wird. Aber hören Sie mich jetzt, Ble-

rinval; der Morgen naht, und ich wünſche, daß Sie

noch das Bischen Dunkel benützen, um ſich mit meiner
lieben Blanka aus dem Lager zu entfernen, ohne von den
feindlichen Bivouacs bemerkt zu werden. Laſſen Sie
meinen Wagen mit vier Pferden beſpannen, komman-
diren eine Eskorte von fünfzig Dragonern, die Ihnen

bis zum erſten Poſten ſolgen ſollen, und ſetzen dann

Ihre Reiſe ruhig bis Chartres fort. Eilen Sie, Ble-
rinval; während Sie die Anſtalten zur Abreiſe tref-
fen, wird Blanka eine der Uniformen Ihres jüngern
Collegen Verdier anziehen; bitten Sie ihn, mir ſogleich
eine zu ſchicken, ſagen ihm aber nicht den Gebrauch,
welchen wir davon machen wollen.
Der Adjutant entfernte ſich hurtig aus dem Zelte,
um die Befehle ſeines Generals zu vollziehen. Ver⸗—
dier ſchickte die Kleider, welche Blanka paßten; aber
wie ſich umkleiden? Sollte Fräulein Beaulieu den Au-
gen ihres Geliebten die Reize ſehen laſſen, welche ihre
Vendser Tracht verbarg? Aengſtlich blickte ſie auf
Marceau und erröthete. Der General, welcher in der
Uniform eines Huſarenoberſten, die er gewöhnlich trug,
faſt eben ſo rein war, wie ſie, erröthete ebenfalls, und
ließ Blanka in dem Zelte allein, deſſen Vorhänge er
hinter ſich ſchloß.
Fräulein Beaulieu war ſchnell umgekleidet und be-
reit, als Marceau zurückkehrte.

Der Wagen iſt da, begann der General; Blerinval

holt die Eskorte; entjernen Sie ſich ohne Weiteres.
Vielleicht, Blanka, werden wir mit Tagesanbruch arge-
griffen. ö
Marceau, ich bleibe.
Was ſagſt Du, Verehrungswürdige?
Ich bleibe, ſage ich Dir; Du biſt im Begriff, zu

ſchlagen — ich kann mich nicht entfernen; laß mich an

Deinem Triumphe Theil nehmen; es wird genügen,

wenn ich nächſte Nacht abreiſe. — Sollteſt Du aber

unterliegen, wenn Dich der feindliche Stahl träfe, wer

ſollte mich dann von Chartres zurückbringen, um mit

Dir begraben, noch im Tode Deine Gattin zu werden!

Deine Worte entzücken mich, Blanka; ſolche Liebe,

ſein. J
Pflicht zu vernachläſſigen.

Gras bewachſen war.

ten Waffen.
„cogner mit ſeinen Späßen und witzigen Erfindungen

ſolche Schönheit! — Ach! ich bitte Dich, geh', wenn
Dir mein Ruhm theuer iſt. Biſt Du da, ſo werde
ich weder Herr meiner Gedanken, noch meines Armes
Ich würde Dir zu ſehr gehören, um nicht meine
Willſt Du, als Gebieterin
meines Herzens, daß Dein Geliebter ein gewöhnlicher
Menſch werde, da Du Dich ſeinetwegen über alle Frauen
ſtellſt? ö
General, ich gehe, ſofort warf ſie ſich Marceau in
die Arme und ſprach mit erſtickter Stimme: Ich erwarte
Dich in zehn Tagen.
Blerinval war ſchon in der Chaiſe, worin ſich Blanka
ſchwang. Der Wagen fuhr quer durch's Lager, ohne
Aufmerkſamkeit zu erregen, weil der Boden dick mit
Die erſten Strahlen der Mor-
genſonne zeigten ſich im Oſten, und beleuchteten mit
ihrem matten Schein die vor den langen Zeltreihen,
worunter der republikaniſche Soldat ſchlief, aufgeſtell-
Von Zeit zu Zeit hörte man den Gas-

die Krieger bei ihrem Erwachen aufheitern, während
man die Reveille zu ſchlagen begann, welche den Va-
terlandsvertheidigern den Anfang eines Tages bezeich ⸗
nete, der für viele unter ihnen mit den erſten Strah-
len der Morgenröthe endigen ſollte. ö
In dieſem Augenblicke, wo Blerinval dem bei den
Vorpoſten kommandirenden Ofſizier die Parole gab, be-
gann auf der weſtlichen Seite des Lagers ein zuneh-
mendes Musketenfeuer. Blanka lehnte ſich bewegt an
den Kutſchenſchlag; ſie ſah die Blitze des Pulvers ſchnell
in der Dunkelheit auf einander folgen, und hörte den
ungleichen Knall, welchen die erſten Schüſſe eines Schar-
mützels hervorbrachten. Ein Kanonenſchuß, welcher das
ſchwach unterhaltene Flintenfeuer imponirend übertönte,
fand in der dreifachen Hügelreihe, die das Thal um-⸗
gab, worin das Lager war, ein dreifaches Echo.
Man hatte jetzt eine Heerſtraße erreicht, wo das
Rollen des Wagens und der Galopp der fünfzig Pferde,

welche ihn umgaben, die Füſilade, von der man ſich mit

reißender Schnelligkeit entfernte, bald unhörbar mach-
ten. Man vernahm nur noch einige Artillerieſalven,
die aber immer ſeltener wurden, und nach einer Stunde
gar nichts mehr. ö
Faſſen Sie Muth, begann ſofort der Adjutant, wel-
cher bisher etwas ängſtlich auf den fernen Lärm des
Treffens gehört hatte. — Der General hat ſein ge-
wöhnliches Geſchäft getrieben und die fanatiſche Ka-
naille geſchlagen, welche ihn in ſeinen Verſchanzungen
 
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