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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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Nr. 48.

Samſtag, den 17. Juni 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.

und bei den Trägern.

Einzelne Nummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt in der Druckerei, Schiſtgaſſe a 4

Spielerglück.
(Novelle von Geyrg Reinbeck.)
CForſetzungz )

Graf Bamoysky, der Fremde und ihre Begleiter
gingen einem nahen Wirthshauſe zu, in welchem der
Kammerdiener, aͤuf Befehl des Grafen, das Frühſtück
beſorgte. Es ſtand bald reichlich vor ihnen. Der

Graf machte mit großer Zuvorkommenheit den Wirth,

und ſo trocken auch das Benehmen des ſeltſamen Frem-
den war, ſo lag doch nichts Abſchreckendes darin; es
war vielmehr ſichtbar, daß der Graf ihn intereſſirte.
Das Geſpräch wurde zwiſchen den beiden Hauptperſo-
nen auf italieniſch geführt, und der Fremde machte ſei-

nem Wirthe die verbindliche Bemerkung, daß er dieſe

Sprache mit großer Geläufigkeit und Feinheit ſpreche.
— Man geſteht uns Polen für Sprachen einiges Ta-
lent zu, erwiederte der Graf, und ich war in meiner
frühern Jugend mehrere Jahre mit meinen Eltern in
Toskana. — Der Fremde dagegen beantwortete mit
Offenheit die Fragen, ob er ſchon länger in Karlsbad
ſei und woher er gekommen. Er war erſt kurz vor
jenem Vorfall am Spieltiſche angekommen und zwar
von Genua. Dies gab Veranlaſſung zu einer intereſ-
ſanten Unterredung, indem es ſich auswies, daß der
Fremde nicht blos ſein Vaterland, ſondern den größ-
ten Theil Europa's aus eigener Anſchauung kannte
und überall mit Geiſt die ſich ihm dargebotenen Gegen-
ſtände aufgefaßt hatte, nur lag in ſeinen Bemerkun-
gen, beſonders über die Menſchen, eine gewiſſe
Bitterkeit, die offenbar bewies, daß er mit dieſen manche
unangenehme Bekanntſchaft gemacht haben müſſe. Der
Graf fühlte ſich dadurch abgeſtoßen, und auf der an-
dern Seite wieder auch ſeltſam angezogen. Er konute
ſich nicht enthalten, zu äußern, daß die Erfahrung ſei-
nem Gaſte nicht die beſte Meinung von Menſchen ge-
währt zu haben ſcheine. — Wie ſollte ſie, antwortete
dieſer ſchneidend, da ich ſelbſt ein Menſch bin! — So
galt wohl, au der Graf guthmüthig, der Spott, den
ich geſtern auf Ihrem Geſichte zu leſen glaubte,
auf mich bezog, der Menſchheit überhaupt, die freilich
am Spieltiſche nicht eben im vortheilhaf teſten Lichte er ·
ſcheint? — Nein. erwiederte der Italiener, dieſer galt
einzig — mir ſelbſt. — Ihnen? fragte der Graf über-
raſcht. — Nicht anders, verſetzte der Fremde, und
wenn Sie es nicht mißverſtehen, auch Ihnen, inſofern

kalte

und

ich mich in Ihnen erblickte. — In mir? rief der Graf,
aus welcher Aehnlichkeit? — Eine ſehr allgemeine und
doch auch wieder manche beſondere, entgegnete der
Fremde. — Ich war einſt jung, von Stande und reich,
wie Sie, Herr Graf, das Glück lächelte mir, wie Ih-
nen, ich ließ mich zum Spiele verleiten, wie Sie, und
ſpielte anſänglich mehr aus Eitelkeit, denn aus ander-
weitigem Intereſſe, wie Sie, Herr Graf. So ſah ich
Sie vor mir, ich ſah die Bewunderung Ihrer Freunde
über Ihr Glück, ich hörte, wie es zum größeren Theile
Ihren Combinatio en zugeſchrieben wurde, ich konnte
die Sicherheit bemerken, mit welcher Sie der günſtigen
Entſcheidung entgegenſahen; alles dies kannte ich aus
eigener Erfahrung, und da dieſe mich auch einen Blick
in die Zukunft thun ließ, ſo konnte ich nicht umhin,

mir ſelbſt zu ſagen: Solch' ein junger Thor warſt Du

einſt auch! und in dieſem Augenblik traf mich Ihr
Auge. Sie trauten wahrſcheinlich gerade einer der
ſcharfſinnigſten Kombinationen, denn es lag ein gewiſ⸗—
ſer Triumph in Ihren Zügen ... da entſchied das
Glück gegen Sie. Ihre ſcheinbare Gleichgültigkeit
täuſchte mich nichts Ich ſah, wie Sie jetzt eigenfinnig
das Glück zwingen wollten, denn meine Kenntniß des
Spiels ließ mich die gewagte Chance erkennen; der
Erfolg war, wie ich erwartet hatte; Sie ſuchten jetzt
meinen Blick, Sie fanden ihn, Sie wollten in mir die
Urſache Ihres Mißgeſchicks finden ... Wieder einer,‚
ſagte ich zu mir ſelbſt, den der Teufel beim Schopf
hat! — und das mag wohl den Hohn in meine Züge
gelegt haben, den Sie darin zu finden glaubten. —
Sie hatten ſich diesmal geirrt, ſagte der Graf lächelnd
und ohne Bitterkeit, bei dem Schopf ſoll der Teufel
mich wenigſtens nicht feſthalten; denn ſchon geſtern

ſtand der Entſchluß dei mir feſt, nie mehr zu ſpielen.

— Und Sie glauben, es — zu können? fragte der
Italiener mit ſpöttiſchem Lächeln. — Ich bin dies ge-
wiß, erwiederte der Graf, dadurch aufgeregt, mit Nach-
druck. — Das würde denn allerdings einen weſentli-

ſchen Unterſchied unter uns mochen, verſetzte Jener mit

ungläubiger Miene, denn das habe ich nicht vermocht.
— Sie werden den Wunſch natürlich finden, Signor,
ſagte der Graf, mit einem Leben bekannter zu werden,
das mir gewiſſermaßen nahe getreten iſt und an Er-
fahrungen ſo reich zu ſein ſcheint, Erfahrungen, die
mir, dem jungen Manne, vielleicht mehr, als alles An;
dere dazu nützen können, die Ausführung meines fe-
ſten Entſchluſſes mir zu erleichtern. — Erfahrungen,

Herr Graſ? entgegnete der Italiener ſarkaſtiſch, meine
 
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