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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 79 - Nr. 86 (4. Oktober - 28. Oktober)
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Heidelberger Volls

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* ..— 277

8 2 5

Nr. 85.

Mittwoch, den 25. Oktober 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe4
und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Aus der Geſellſchaft.
ö Von Clariſſa Lohde.
(Fortſetzung.)

Frau von Uechtritz kam beſorgt den Ankommenden ent-
gegen. „Sagt ich's nicht, Eliſe,“ rief ſie, „daß es eine
Thorheit wäre, bei drohendem Unwetter ſo weit fortzuge-
hen? Nur gut, daß ich Euch nicht begleitet habe, ſo war
ich doch wenigſtens im Stande, Euch den Wagen zu ſchicken.
Du ſiehſt blaß aus, Eliſe,“ ſetzte ſie beſorgt hinzu, als ſie
in der Freundin Antlitz ſchaute, „Du haſt Dich doch nicht
erkältet, Liebe?“
„Ich hoffe nicht,“ erwiederte Eliſe, „geſtatte mir nur,
meinen derangirten Anzug wieder etwas zu ordnen, und
ich werde ſo friſch ſein, wie zuvor.“

V

Eine halbe Stunde ſpäter ſaß die Geſellſchaft beim
dampfenden Kaffee; von dem gehabten Abenteuer war
nichts mehr zu bemerken. Herr von Uechtritz hatte ſich
bald nach der Zurückkunft des Barons mit Fräulein von
Raven gleichfalls eingefunden. Auch ihn hatte das Un-
wetter gleichfalls unterwegs überraſcht, er hatte aber den

ſchlimmſten Ausbruch auf einem nahe gelegenen Vorwerk

abgewartet und war ziemlich trocken nach Hauſe gekom-
men. Fräulein Eliſe ſah ſo friſch und reizend aus, wie
zuvor, und das Durchlebte bot ihr vielfachen Stoff zur
Unterhaltung und zum Scherz, ihr reizendes Antlitz ſtrahlte
von heiterſtem Muthwillen. Nichts war mehr von der
vorhergehenden Düſterheit zu ſehen und die Bläſſe ihres
Antlitzes hatte einer lebhaften Röthe Platz gemacht. Aber
trotz ihrer überſprudelnden Laune hätte ein ſcharfer Beob-
achter doch gemerkt, daß dieſe Heiterkeit nicht ganz aus
dem Herzen kam, ſondern eine angenommene war, die eine
innere Mißſtimmung verbergen ſollte. Dieſer ſcharfe Be-
obachter fehlte aber. Herr und Frau von Uechtritz wa ren
beide nicht ſo tief angelegte Naturen, um derartige Blicke
in die Seele zu thun und der Baron war ſo von ſeinen ei-
genen Gedanken in Anſpruch genommen, er ſchien ſo ganz
in ſeine innere Welt verſenkt zu ſein, daß er der Unter-
haltung und ſeiner Umgebung nur ſo viel Aufmerkſamkeit
ſchenkte, als es die geſellſchaftliche Rückſicht grade erfor-
derte. Der Regen hatte aufgehört. Herr von Uechtritz

ſtand auf und ging nach der Veranda, um nach dem Wet-

ter auszuſchauen. Bandelow folgte ihm.

„Du wirſt verzeihen, Uechtritz, wenn ich jetzt aufbreche,“
ſagte er, dem Freunde die Hand reichend. „Es hat mit
Regnen aufgehört, ich muß durchaus zu Hauſe nachſehen,
ob der Hagel etwa auf den Feldern Schaden angerichtet
hat.“
„Du haſt Recht, Bandelow,“ erwiederte Herr von
Uechtritz, „auch ich fürchte, daß ſtellenweiſe der Hagel ſehr
ſtark gefallen iſt, ich werde auch ſogleich auf's Feld rei-
ten. Leider führt mein Weg nach einer andern Richtung,
als der Deinige, ſonſt würde ich Dich begleiten. Aber
noch ein Wort, ehe Du gehſt. Wie weit biſt Du mit
Fräulein. Eliſe? Die ganze Nachbarſchaft ſpricht ſchon
von Eurer Verlobung, wie von einer abgemachten Sache.
Darf man gratulieren?“
„Ich begreife nicht, wie man darauf kommt,“ entgeg-
nete der Baron ruhig. „Bis jetzt iſt noch kein Wort über
meine Lippen gekommen, das zu ſolchen Vorausſetzungen
Veranlaſſung geben könnte.“
„Aber Du biſt doch geſtern bei dem General geweſen,“
fuhr Herr von Uechtritz fort, „man weiß, daß morgen
Raven's zu Dir eingeladen ſind, daß ſie zugeſagt haben
und kommen werden, daraus entnimmt man natürlich, daß
Fräulein Eliſe Dir keinen Korb zu geben beabſichtigt und
thut Dir die Ehre, Dich für klug genug zu halten, daß
Du ein ſolches Glück nicht zurückweiſen wirſt.“
„Man hat wirklich eine zu gute Meinung von mir,“
entgegnete der Baron. „Apropos, was morgen anbetrifft,
ſo erinnerſt Du mich daran, was eigentlich der Haupt-
zweck meines Kommens war, nämlich Euch zu bitten, mor-
gen Nachmittag gleichfalls bei mir vorlieb zu nehmen.
Dein Frauchen hat ſchon in ihrer gewohnten Liebenswür-
digkeit zugeſagt und ich hoffe, Du ſtimmſt ihr bei.“
„Gewiß, Bandelow,“ rief Herr von Uechtritz, „wir
kommen mit Vergnügen; ich wünſchte nur, wir feierten
gleich Deine Verlobung.“
Der Baron erwiederte nichts und ging zu den Damen
zurück, um ſich von ihnen zu verabſchieden. Eliſe ver-
mochte ihre Verſtimmung über ſein frühes Aufbrechen nicht

ganz zu verbergen, als er aber ſeine Gründe auseinander-

ſetzte, entließen ihn beide Damen mit einem
Lächeln.
Die Luft war köſtlich, friſch und erquickend, als der
Baron aus dem Gitterthor hinaus in den duftigen Wald
ritt. Alles war um ihn her ſo friedlich und ſtill, die Vö-
gel zwitſcherten in den Zweigen, eine Nachtigall ließ ab.
und zu ihr melancholiſch ſüßes Lied ertönen, als wäre
nichts geſchehen, als habe kein Donner und kein Blitz je-
mals dieſen heiligen Frieden geſtört. Die Aeſte der Bäume

freundlichen
 
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