Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

DOI Kapitel:
Nr. 70 - Nr. 78 (2. September - 30. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44617#0309

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 77.

Mittwoch, den 27.

September 1871. 4. Jahrg

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Wiedervereinigung.
(Schluß.)

Bebend ſaß Marie da und horchte der Erzählung.
„Was iſt Dir, liebe Marie?“ fragte Robert beſorgt;
„wird Dir nicht wohl?“ ö
„O Gott, Robert!“ rief ſie, „wenn“ .... Schnell
wandte ſie ſich zu dem Greiſe: „Sie heißen?“ ö
„Baron Landal!“ erwiederte der Greis.
„Mein Vater!“ rief Marie außer ſich und ſank zu
ſeinen Füßen.
Der Greis wich zurück, „Madame“ . . . . ſagte
eer
„O nicht dieſen Namen, ich bin, ich bin wahrlich ihre
Tochter. Könnten Sie mich verſtoßen?“
„Sie wären“ .. . rief der Greis ..
„Wie hieß Ihre Mutter?“
„Louiſe Werner.“ —
ö „Louiſe Werner!“ wiederholte er mit
Stimme. Ja, ſo hieß die Unglückliche.
rie! und Du wäreſt meine Tochter?“?
Sie lag in ſeinen Armen in ſprachloſem Entzücken;
-er benetzte ſie mit ſeinen Thränen und ſchloß ſie feſt
an ſein klopfendes Herz. ö
Betäubt ſtand Mariens Gatte da. —
„Und ichl“ rief er endlich, „und ich bleibe hier al-
lein ſtehen?“ ö
Marie ſchlang den einen Arm um ihn, und hielt
mit dem andern den Vater umfangen; der Greis reichte
dem jungen Manne die Hand und ſo weilten ſie lange,

„Gott ...

bebender
Marie! Ma-

ehe ihre Herzen die Sprache wieder zu finden ver-

mochten.
„O, mein ahnendes Herz!“ rief endlich Marie.
„Ach: es erkannte Sie bei dem erſten flüchtigen An-

blicke; nur zu deuten wußte ich ſein Flüſtern nicht.
Wie konnte ich mir denken, da ich ſchon ſeit zwölf Jah-

ren Ihren Tod beweine!“
„Meinen Tod? — Wer hat Dir geſagt ...“

„Ich war in Petersburg in einer Penſion und meine

Madame Berg “

Mutter abw'ſend mit ihrem Manne, als eine gewiſſe

Du mit Deiner Mutter gezogen und nicht mehr am
Leben' ſeiſt.“ * — ᷣ

„Und zu mir kam ſie und ſagte: Herunter, liebes
Kind, mit dem rothen Bande, Sie müſſen ein ſchwar-
zes tragen. Es iſt ein Herr hier angekommen, der Ih-
ren Vater kennt und der die Nachricht bringt, daß er
im Duell erſtochen iſt. — Ich ſank mit einem Schrei
des Entſetzens bewußtlos zu Boden. Man eilte her-
bei, trug mich auf ein Bett und die Schändliche er-
klärte Allen die Urſache dieſes Zufalles. Als ich wie-
der zu mir kam, fand ich Sie an meinem Bette ſtehen.
Mit Heftigkeit wandte ich mich von ihr. Ich hatte ſie
nie leiden mögen, aber jetzt haßte ich fie. Ach! ſie
hatte meine ſüßeſte Hoffnung zertrümmert, die Hoffnung,
meinen Vater noch einſt auf dieſer Erde an mein Herz
zu ſchließen, von ſeinen Vaterarmen umſchlungen zu
werden, ſeinen Segen zu erhalten . . . . Jetzt war er
mir auf immer geraubt, und noch dazu auf eine ſo
ſchreckliche Weiſe! — Ich habe die Elende ſeitdem nie
wieder geſehen ohne Schauder und Abſcheu. Aber was
vermochte ſie dazu, an mir ſo ſchändlich zu handeln?
Was hatte ich Unglückliche ihr gethan?“
„Meine Tochter,“ erwiederte der Greis, „ich ſehe
jetzt nur zu deutlich, wir waren in jenem Augenblicke
beide die Opfer weiblicher Rachſucht. Dieſe Berg hatte
einſt mit mir in Verbindung geſtanden. Deine Mutter

entriß mich ihr, die ich nie geliebt hatte. Sie glühete

ſchon damals nach Rache, und nach Jahren noch war
dieſe Gluht nicht erloſchen. Das Glück einer Tochter
jener ihr verhaßten Verbindung war jetzt in ihre Hände
gelegt und zugleich konnte ſie meine Vaterfreuden mor-
den; wie hätte ihr rachſüchtiges Herz dem widerſtehen
können? Sie benutzte dazu die Begebenheit, die einen
meiner Brüder betroffen und die ich ihr erzählt hatte.“
„Aber es iſt ihr dennoch nicht gelungen!“ rief Ma-
rie wonnetrunken und ſtürzte von Neuem in die Arme
des erſchütterten Greiſes; „ſie hat mir doch nicht auf
immer die Glückſeligkeit rauben können, an dem Her-
zen eines Vaters zu weinen.“
Die Liebe der Tochter hatte die Rinde, mit welcher
Welterfahrung das Herz des Barons umſponnen zu
haben ſchien, geſprengt. Auch er war freudetrunken,

daß er die verloren geachtete Tochter wieder gefunden
hatte und unter ſo ſonderbaren Umſtänden.

de Er ent-
ſann ſich aber, daß Robert von zerrüttetem Vermögen

—— — * Igeſprochen hatte, und da er jetzt ein näheres Recht zu
„Dieſe war es gerade,“ fiel der Greis ein, „an die
ich mich wandte, und die mir die Nachricht gab, daß

haben glaubte, ſich nach den Verhältniſſen ſeiner Kin-
der zu erkundigen, ſo förſchte er, in welcher Lage ſie
 
Annotationen