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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 9 - Nr. 16 (1. Februar - 25. Februar)
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Nr. 16.

Samſtag, den 25. Februar 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4
und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Des Freundes Sohn.
Etn Familiegemälde von Karl Haniſch.
(Vortſetzung.)

Was willſt Du denn aber machen, fuhr Margarethe
fort, wenn meine Ahnung zur Gewißheit wird und Kla-
rens um Dich anhält?
Ach! was bliebe mir anders übrig, als zu gehor-
chen! verſetzte klagend Sybille. 2
Du könnteſt mir wohl einen Gefallen thun, Gret-
chen! ſagte ſie nach kurzem Stillſchweigen — einen
recht großen Gefallen, der die ganze Sache in's Ge-
leis brächte. ö
Nun? ö
Sieh! Du haſt Freude an der Reſidenz. Du wür-
deſt gern dahin ziehen; ſei Du recht freundlich gegen
Herrn Klarens, ich will Dir gewiß nicht in den Weg

treten. Vielleicht wählt er Dich ohnehin, denn Du biſt-

hübſcher, als ich.
O Du Schmeichlerin aus Angſt!
Und hat mein Traum Bedeutung, was ſich ſchon
halb und halb bewährt hat, ſo iſt Dir ja der Apfel
zugedacht.
Wenn aber der Apfelträger, Herr Klarens, mir
nicht gefiele?
O er gefällt Dir gewiß!
der Reſidenz ſind alle ſchön. ö
Nun wir wollen ſehen, was ſich thun läßt, entgeg-
nete Margarethe mit komiſcher Würde. Am Ende iſt
meine Bermutbung ganz ungegründet, und wir haben
uns um nichts gequält. *
Aber nicht wahr, Margarethe! Du ſchweigſt von
Allem?
„Aber nicht zu Allem, verſetzte dieſe. Schlaf' einſt-
weilen wohl und laß Dir etwas Angenehues träumen.
Gute Nacht! wünſchte Sybille mit tiefem Seufzer.
Margarethe fand die Sache nicht halb ſo traurig
und ſcherzend überraſchte ſie der Schlafx.
Der beſtimmte Tag erſchien und mit ihm der Er-
wartete.
Es war elf Uhr, als ein eleganter Reiſewagen in
die Straße einbog und nach einer Anfrage des Kutſchers
hiet. Vorübergehenden, vor Stillers Hauſe ſtill
ielt.
Er iſt's! Dieſe Worte gingen bei den Frauenzim-

Die jungen Herren aus

mern wie eine Parole von Mund zu Munde, während
Vater Stiller an der Thür des Hauſes zum Empfange
des Gaſtes bereit ſtand. ö ö
Ein junger, wohlgewachſener Mann, mit einem
rothwangigen, guthmüthigen Angeſichte, ſtieg aus dem
Wagen und gab ſich als Samuel Klarens zu erkennen.
Sein Sie mir herzlich willkommen, ſagte Herr Stil-
ler, den Ankömmling mit Wohlgefallen betrachtend und
ihm die Hand reichend. Bei Gott! Sie hätten ſich
nicht nennen dürfen und ich würde in Ihnen ſogleich
den Sohn meines alten Freundes erkannt haben, denn
Sie ſind ihm wie aus den Augen geſchnitten.
Unter beiderſeitiger Aeußerung gewöhnlicher Artig-
keiten, führte der Hausherr den Gaſt in die Wohnſtube,
wo Frau Stiller in Mitte ihrer Töchter ihn empfing.
Schappler hatte Ordre erhalten, für das Abpacken
des Wagens zu ſorgen und die Effekten in Sicherheit
zu bringen, was dann auch unter Beiſtand des Kut-
ſchers mit pedantiſcher Genauigkeit vollzogen wurde.
Indeſſen Vater Stiller den Gaſt in's Comptoir ge-
geführt hatte und über Handelsangelegenheiten ſich
unterhielt, war die Hausmutter mit den Mädchen in
die Küche geeilt, um die bereits begonnenen Vorkeh-
rungen zu einer reichlichen Mahlzeit in Ausführung zu
bringen.
Er iſt recht hübſch! flüſterte Sybille Margarethen
in's Ohr.
Es geht an! antwortete dieſe in demſelben Tone.
Ein recht artiger, junger Mann! ſagte die Mutter
mit wohlgefälligem Lächeln, recht angenehm in ſeinen
Ausdrücken und recht anſtändig gekleidet. Nun, er ſoll

ſehen, daß wir auch nicht auf dem Dorfe wohnen.

Die nahe Mittagsſtunde vereinigte endlich alle Mit-
glieder der Familie an dem wohlbeſetzten Tiſche. ö
Schappler war der Geſchäftigſte an demſelben, der
ſeine Blicke einzig und allein auf die heute beſonders
delikaten Speiſen gerichtet hatte, und ſich's trefflich
ſchmecken ließ, während er dazwiſchen hinein manches
Späßchen nach ſeiner eigenthümlichen Weiſe auskramte,
wozu ihm ſein gutes Anekdotengedächtniß reichlichen
Stoff an die Hand gab. ö
Vater, Mutter und Margarethe mochten mehr die
Beobachtenden, indeß Sybille in ihrer Herzensangſt
kaum wagte, die Augen von dem Teller zu Samuel zu
erheben, der einigemal ſchon, wie ſie erröthend zu be-
merken geglaubt, recht bedeutende Blicke auf ſie gerich-

tet hatte. ö

Der junge Mann benahm ſich mit zutraulicher Un-
 
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