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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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— blatt.

Nr. 45.

Mittwoch, den 7. Juni 1871.

4. Jchrd

8— ie und Samſtag. Preis monatlich 1 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckecei, Schiffgaſſe 4

„und bet den Trägern.

Auswaͤrts bei den Landboten und Voſtanftalten.

Eine Redoute.
(Eine Erzählung.)
Sorſetzung)

Molly veſſcherte daß ſie ſch gläcklich ſhle, ihr
Stübchen einem Dienſt“ der Menſchenliebe weihen zu

können, und bot ſich mit zudringlicher Herzlichkeit der
Kranken zur Wärterin an.
zum Syndikus, welcher nur flüchtig und unvollſtändig
erfahren hatie, was in ſeinem Hauſe vorgehe.
mächte ihn mit dem Unfall, welcher die Amtsräthin
Pluto und ihren Bruder, den Oberförſter Felix, betrof-
fen, bekannt, und auf die wahrſcheinliche Wirkung da-
von, eine mehrtägige Kraukheit der jungen Frau, auf-

merkſam, und ohne alle Anſtrengung ſeiner Ueberre-
dungskraſt erhielt er von dem guthmütigen Alten die

Erlaubniß, ſeiner Patientin verſichern zu dürfen: ſie

koͤnne, ohne die geringſte beunruhigende Rückſicht auf

den Wirth des Hauſes zu nehmen, in demſelben ihre
Wiederherſtellung nach Bequemlichkeit abwarten.
Mit dieſer troſtvollen Verſicherung kehrte der Arzt zu
der Krankeu zurück, machte noch einige Verordnungen
und entfernte ſich ſodann mit dem Verſprechen, ſo früh
als möglich wiederzukommen. x
Die gemeinſame Pflege am Bette eines theuern Kran-
ken — ſo wie überhaupt gemein ſchaftlich getragene
Sorge um einen werthen Gegenſtand — macht ſchnell
und innig vertraut und ſtelt uns auf einen Stand-
punkt, von welchem aus wir die gewöhnlichen Formen
geſellſchaftlicher Verhältniſſe, als etwas ſehr Geringfü-
giges, nur belächeln. — Die ſtreng ſittliche Molly war
in den erſten Minuten ihrer Bekanntſchaft mit dem
Oberförſter vertrauter mit ihm, als mit irgend einem
Manne, und ihr reines einfaches Gemüth leuchtete in
dem himmlichen Licht inniger Theilnahme unverſchleiert
dem feinen Mädchenkenner.
Molly reichte der Amtsräthin, welche ſich jetzt et ·
was munterer fühlte, eine Taſſe Thee und während ſie
ſich zu ihr hernieder beugte, berührten ihre ſchönen,
langen Haarflechten, noch geſchmückt mit bunten Bän-
dern, die Hände des Oberförſters, welcher am Bette ſei-

ner Schweſter ſaß. — In dieſem Augenblick erſt ſchien

ihm das Fremdartige i in Mollys Kopfputz aufzufallen, und
wie aus einem Traum erwachend. fragte er das Mäd-
chen: ob ſie den Maskenball auch habe deſuchen wol

Er

Der Arzt ging hierauf

len? — „Ja ich wollte!“ erwiederte lächelnd Molly;
„doch“ — fuhr ſie fort — „es will mich dedünken, als
walte ein ganz eigner Unſtern über dieſer Redoute!“
Bei dieſen Worten ſah ſie dem Oberförſter freundlich
in's Geſicht, und begegnete in ſeinen Zügen der ſich
deutlich ausſprechenden Beſorgniß: ob ſie ſich auch etwa
durch ihre gaſtfreundliche Bereitwilligkeit, den Verun-
glückten hülfreich beizuſtehen, von dem vorgenommenen

Vergnügen habe abhalten laſſen. —

Unbegreiflich zart iſt der Sinn, durch welchen rein-
empfindende Weiber die leiſe. Sprache der Gedanken
und Gef ſten einer verwandten Seele verſtehen! — Da-
rum duften, oft dem ſtillſten und lauterſten Gemüthe
ſüße Blüthen, welche die Außenwelt nicht kennt. Es
vernimmt die Töne der Liebe und Treue, der Warnung
und des Vorwurfs — es liebt, es tröſtet, es beruhi-
get das Herz, in welchem dieſe nur von ihm gekannte
Empfindungen ruhen.
Molly fuhr, in Antwort auf des Oberſörſters ſtumme
Frage fort: „Wie ſehr habe ich Urſache, mein Geſchick.
zu preiſen, welches mich dabei leitete, meinen Vorſatz
aufzugeben! Die kleine Eniſagung, die mir ſchon mehr
als zu reich durch die Freude meiner Couſiue und die
Zufriedenheit des Oheims vergolten ward, hat einen
noch weit größern Lohn in der Gelegenheit gefunden,
ſo achtungswerthen Perſonen einigermaßen nützlich ſein
zu können.“ — Nun erzählte Molly, einfach, ohne
Schmuck — gleich weit davon entfernt, ihr gefälliges
Verzichten hervor zu heben als es in ſtolzere Beſchei-
denheit zu verhüllen — die Urſache ihres Zurückblei-
bens vom Ball, und in des Oberförſters glühenden
Blicken ſpiegelte ſich die Huldigung der Achtung und
eines innigen Wohlgefallens. — Leiſe flüſternd — denn
die Kranke war eingeſchlummert — gab nun auch der
Oberförſter ſeiner ſchönen Mitwächt erin die Geſchichte
der unglücklichen Fahrt zum Beſten. Seine Schweſter
— eine leidenſchaftliche Liebhaberin der Maskeraden,‚
habe, da ſein Schwager, der Amtsrath, in Geſchäften
auf längere Zeit verreiſen müſſen, den entfernten Bru-
der aufgefordert, ſie zu dieſem Vergnügen zu begleiten.

Er habe anfänglich nicht Luſt gehabt, doch endlich dem

Dringen der geliebten Schweſter nicht widerſtehen kön-
nen. — „Jetzt ſehe ich wohl,“ ſagte er mit Bedeutung,
den Strahl ſeiner ſchwarzen Augen den ſanft leuchten-
den Blicken Mollys Kornblumenaugen vermählend: „daß
mein guter Genius ihr dieſen Gedanken einhauchte!““
Mitternacht war nun vorüber; die Kranke ſchlief
ruhig fort und Molly bat den Oberförſter, daß er ſich
 
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