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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 9 - Nr. 16 (1. Februar - 25. Februar)
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Nr. 15.

Mittwoch, den 22. Februar 1871.

48. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4

und bei den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Heil der Wacht am Rhein!

Die Wacht am Rhein ſtand feſt und treu,
Das ganze Deutſchland war dabei,
Es fehlte von den Völkern keins,
Die Herzen wuchſen feſt in Eins.
Wir konnten Alle ruhig ſein

Feſt ſtand und treu die Wacht am Rhein.

Die Wacht am Rhein ging übern Rhein,
Sie drang ins Herz des Feindes ein,
All waren gleich in Sieg und Tod,
Die fremde Erde färbt ſich roth.
Sie ſind ja Helden jeden Tag,
Nord ſowie Süd ein Blitz und Schlag.

Der äuß're Feind hat ganz geeint,
Was zu zerreißen er gemeint.
Kein inn'rer Feind ſoll uns entzwei'n,
Und ſollten's auch die Pfaffen ſein —
Das fromme Hetzen wird zum Spott,
Wir rufen laut: Die Lieb' iſt Gott!

Des Volkes Stimm' iſt Gottes Stimm'!
Was ſie geſprochen, das vernimm: ö
Es giebt nun keine Ketzer mehr!“)
Das ſei die neue Gotteslehr,
Ob Katholik, ob Proteſtant,

Feſt ſtehn wir treu mit Herz und Hand!

Das Fluchen aus dem Prieſtermund
Verräth uns nur den ſchwarzen Bund,
Der gen Vernunft und Freiheit kämpft

Und alle Lieb' im Herzen dämpft,
Er reicht ſtatt Brod uns einen Stein,
Nur Lieb' und Licht, das giebt Gedeihn!

Auch gegen Jud' und Freigemein
Laßt ab von eurem wüſten Schrein!
Wer Haß ſtatt Liebe pred'gen kann,
Der iſt führwahr kein Goͤttesmann.
Die Meinung ſchwankt, das Herz ſei rein,
„Unfehlbar“ iſt nur Gott allein.

*) Wiederholte Aeußerungen ſüddeutſcher Krieger gegen nord-
deutſche Waffenbrüder:

wollen wir daheim an die Schwarzröcke, die uns ſo angelogen ha-

ben, daß ihr Ketzer wäret.“

„Wenn wir mit den Rothhoſen fertig ſind,

Des Freundes Sohn.
Etn Familiegemälde von Karl Haniſch.
(Fortſetzung.)

Ich möchte wiſſen, fuhr Stiller fort, wenn unſerm
alten Schappler von Aepfeln träumt, ob es auch Bräu-
tigamsſtand für ihn bedeutet; oder ſob unſer Nachbar
gegenüber, der ſeine ganze Habſeligkeit in ein Schnupf-
tuch packen kann, nicht auch von Birnen geträumt hat?
Daß ihr Frauenzimmer doch einen ſo großen Hang
habt, die Zukunft zu erforſchen, oder vielmehr, daß
Euere Neugierde nicht Stoff genug in der Gegenwart
findet, ſondern auch Traum und Einbildung zu Hülfe
nimmt, um hinter zukünftige Geheimniſſe und Neuig-
keiten. zu kommen. ö ö
Nun, Papa, ſagte Sybille, das Träumen und Traum⸗—
deuten iſt eine ſehr ehrwürdige Sache, das wirſt Du
nicht läugnen, wenu Du an Joſeph und Daniel denkſt,
und wenn 'auch die Gabe der Auslegung verloren ge-
gangen iſt, ſo bleibt als Surrogat hiefür, das Traum-

buch immer ein unſchuldiges Spiel der Seele mit der
Zukunft. ö

Wie wir überhaupt geneigt ſind, mit Hoffnungen
und Wünſchen oft ein gefährliches Spiel zu treiben,

verſetzte der Vater.

Du wirſt doch ſelbſt geſtehen — ſagte Frau Stil⸗—
ler zu ihrem Gatten, als die Mädchen mit dem Kaffee-
geſchirre ſich entfernt hatten, — daß Sybillens Traum
mit dem Briefe Klarens in einer unerklärlichen Ver-
bindung zu ſtehen ſcheint.
Es muß ſich Alles Eurem Glauben ſchmiegen, wenn
der Zufall nur halbweg zur Hülfe kommt, antwortete
lächelnd Stiller. Nur ein Wort von der Wirklichkeit:
Soll ich Klarens eine zuſagende Antwort ertheilen?
Ich überlaſſe es Deiner Einſicht, entgegnete die
Gattin. ö
Du biſt Mutter und haſt hier eine Stimme, ver-
ſetzte Stiller. Ich füge nur noch das einzige hinzu,
daß Deine Bedenklichkeiten bei mir keinen Zweifel er-
regt haben.
So ſchreib' in Gottes Namen! erklärte Frau Stil-
ler, Du kannſt es ja ſo einrichten, daß uns immer
freie Hand bleibt. Wir werden ja ſehen, wie der junge
Mann beſchaffen iſt, und jedenfalls muß die Neigung
der Kinder entſcheiden. — ö
 
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