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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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Nr. 6².

S amftad. den 5. Aadn 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint WMittwoch und Samfag.
und bet den Trägern.

Prels monatlich 12 kr.

Einzelne Nummer 2 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Voſtanſtalten.

Man abonnttt in der — Schiffgaſſe 4

— ——

Der Freinde.



455 nie ſein Brod mit Thränen ah,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf ſeinem Bette weinend ſaß,
Der kennt euch nicht, Ihr himmliſchen Mägte.

Jr führt in's Leben uns hinein,
* Ihr laßt den Armen ſchuldig werden.
Dann überlaßt ihr ihn der Pein, ö
Denn alle Schuld rächt ſich auf errhe.
e.

belgrau umkleidete das ganze Firmament, welches ſich
in Waſſer aufzulöſen ſchen, und mit einer zweiten
Sündſtuth der Erde drohte.

laubten Buchen und dürrem Geſtrüpp, wandte ſich ein
Wanderer, in einen langen, dunkelbraäunen Tuchman-
tel gehüllt, den breitrandigen Filzhut tief herabgezo-
gen über das ſchwarze HKrüppige Haar und über die
trotzige, gramgefurchte Stirn. Nur wer ihm länger

in das düſtere Auge, in das männlich gebräunte Ant-
litz geſchaut hätte, würde in jenem einen Ausdruck

der Schwärmerei und um die aufgeworfenen Lippen
einen Zug des Wohlwollens gefunden haben. — Ob-
gleich jetzt aus der ſich eng krümmenden Windung des
Vucennalpes hervortretend, konnte er doch noöch im-
mer kaum fünf Schritte vorwärts ſehen, ſo undurch-
dringlich dicht verhüllten die etannten Pe das Licht
des Tages. Aber, wie auf bekannten Pfaden, eilte
der Wanderer, ohne zu irren, durch die unwegſame Ge-
gend, ſtarken Schrittes das verblühte Pfriemenkraüt
der öden Felder und das dürre Moos auf kahten Hö-
hen niedertretend,
ter ihm, als ſich endlich die Ströme vom Himmel in
Tropfen verwandelten, und allgemach auch dieſe verſieg-
ten. Die Abendgluth ſtrahlte durch zerriſſenes Ge-
Wölt, das freiherrtiche Schioß W. Und die Kirchthurm-
ſpitze des dazu gehörigen Dorfes ſchwach beleuchtend,
und am Firmament prangte, in fieben ſchimmernden
Farben, das Zeichen der hinimliſchen Verſöhnung.
Am'f ſchlüpfrigen Abhange eines kleinen Hügels blieb
der einſame Wanderer ſtehen, ſeine unriihigen Blicke
hefteten ſich eine Minüte lang auf die ſichtbar gewöt-
denen Hütten jenes Dorfes, ſanftere Empfüdlingen

Durch ſchlüpferige Hohl-
wege, über hervorragende Baumwurzeln, zwiſchen ent-

Weite Strecken lagen bereits hin-

nämmerten in dem düſteren Auge, und ap
ſtreckte er die Arme nach der Gegend des Dorfrs hin-
aus. Doch ſchnell ließ er ſie wieder ſchlaff ſinken, das

x Antliß verdüſterte ſich mehr, als zuvor.

Wurm des Ehrgeizes, einmal nur/ noch gönne. dem

x Beſchimpften Ruhe! murmelte er wild vor ſich hin,

hüllte ſich feſter in ſeinen Mantel und zog nun lang-

ſamer auf das Dorf zu

In gemächlicher Ruhe ſein Pfeif ſchen ſchmauchend, ö
ſtand der dicke Wirth zur blanen Gans vor dex Thür
ſeines anſehnlichen Hauſes und blinzelte mit den klei-
nen, freundlichen Augen zum wieder klar gewordenen

Himmel auf. Faſt wäre ihm die Pfeife vor Schrecken
aus der Hand gefallen, als plötzlich die rieſenhafte Ge;
Der Sturmwind peitſchte den Regen, düſteres Ne-

ſtalt des Wanderers vor ihn hintrat und ihm in frem-
dem Dialekt einen guten Abend bot. Der Dorfwirth
faßte ſich indeß bald und erwiederte mit ziemlicher Un-
befangenheit:
Habt ſchönen Dank!
Der Fremde fragte nun mit einem Tone, der mehr

befehlend, als bittend, klang, ob er hier für gute Be-

zahlung Aufnahme und Bewirthung finden könne.

J.-

ner muſterte ihn mit Blicken, in denen ſich Neugierde

und Mißtrauen um den Vorrang ſtritten, und fragte
Wär mit bäuerlicher Indolenz: ö
Hat der Herr auch einen Paß? ö
Während der Fremde den Mantel zurüdfallen ließ
und ein Taſchenbuch hervorzog, bemerkte der Wirth

eine ſehr feine Civilkleidung und einen Orden auf ſei-

ner Bruſt, der ihn augenblicklich mit Ehrerbietung er-

füllte; zugleich flößteu ihm aber auch die zwei Terze-

roke, welche aus der Weſtentaſche hervorragten, eben

ſo ſchnell Furcht und Mißtrauen ein.

Laßt's gut ſein, verſetzte der Fremde, der einige
Augenblicke unter mehreren Papieren geſucht hatte, und

ſteckte das Taſchenbuch wieder ein.

Ihr könnt meinen Paß doch nicht leſen.
Wenn ich ihn auch nicht leſen kann, entgegnete der

Dicke, den die Vorausſetzung ſeiner Unwiſſenheit ver-
droß, ſo hoben wir doch Paſtor und Schulmeiſter. —
Aber Paß oder keinen Paß, ſetzte er, auf die Terzerole

deutend, hinzu, ich muß auf alle Fälle anſtehen, Euch
mein Haus zu öffnen, denn Ihr tragt. verwegene und

verbotene Waffen.

Der Fremde zuckte troniſch die Lippen ging ein ͤ
paar Schritte abwärts und feuerte ſeine Taſchenge-

wehrz in die Luft ab. Dann trat er raſch in's Haus.

Seid Ren Ratr, begann er zu dem Furchtlamen.
 
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