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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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eilelberger

0 Kbla t.

Nr. 86.

Samſtag, den 6. Mai 1871.

4. Jahrg.

Enſcheint — und oSamfag Preis monatlich 12 kr.
uund bei den Trägern.

Einzelne Nummer 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt in der Druckere, Schiffgaſſe 4

Das Opfer des Herzens.
Erzählung von G. Reinbeck
ö (Schluß.)

Es wurde in ſeinem Zimmer abgehalten, und ward
bald beendiget; denn ihm fiel nichts zur Laſt, als die
Ausſtellung der unglücklichen Zeugniſſe, und dieſes
Vergehen gab er mit den kleinſten Umſtänden an. Da
bis jetzt gegen Friedberg noch kein Kläger aufgetreten
nnd der Gebrauch der Zeugniſſe für das fürſtliche Intereſſe
ohne weitere Folgen geblieden war, ſo war auch bis
jetzt keine Verantwortlichkeit auf ihn gefallen. Völk-
ners Aus ſage verwickelte ihn zwar mit darin, doch blieb
unter den obigen Umſtänden. und bei der Erklärung,
daß Friedberg um die Ausſtellung der Zeugniſſe durch-
aus nichts gewußt habe, die Sache unberührt. Völk-
ner hätte in der Beſorgniß, daß die Unterſuchung wei-
ter gehen möchte, ſich deßwegen an den Miniſter ge-
wandt, und auf den ausdrücklichen Beſehl des Fürſten
mußte ſie bei dem ſtehen bleiben, was den fürſtlichen
Dienſt unmittelbar betraf.“
Kaum war Friedberg im Stande, ſein Zimmer zu
verlaſſen, als er zu dem ar eilte, und alle Schuld

von Völkners Vergehen auf ſich nahm, und ſich als

den Schuldigen dem Geſetze darbot. Der Miniſter
machte ihn mit ſeines Freundes edler Sorgfalt für ſein
Wohl bekannt, und ſuchte ihn damit zu beruhigen, daß
er dadurch, wenn er ſich blosſtelle, Völkners Schickſal
doch nicht ändern, wohl aber das laſtende Gefühl deſ-
ſelben unendlich verſtärken würde, wenn er es mit-
ihm theilte. Er ſollte zwar dem Geſetze fallen, der Un-
glückliche, aber mit der Befriedigung, daß ſein Opfer
nicht verloren ſei.
Friedberg eilte mit zerriſſenem Herzen zu ſeinem
brüderlichen Freunde und Retter. Er fand ihn in Lai-
dens Arme. Als er eintrat, wand ſie ſich empor,
und wollte in das Nebenzimmer; allein der Bruder
hielt ſie ſanft zurück und reichte Friedberg die Hand,
und legte Laidens in die ſeine./

Laide, willſt Du mich um den einzigen Troſt brin-

gen, den mein Unglück mir gewähren kann? ſagte er
ſanft gerührt zu ihr. Wenn ich, der reifere, erfahre-
nere. kältere Mann, fehlen konnte, willſt Du dieſen Feh ·
ler dem jüngern, nnerfahrenen, feurigen Manne zum

Verbrechen machen ? Sei nicht ungerecht. Ich ehre
Dein Gefühl für mich, allein nur wenn ich Dich in
Friedbergs Armen glücklich ſehe. tann ich mein Schick-
ſal ertragen.
Laide ſtürzte an Friedbergs Buſen, und weinte bit-
terlich, und Fun ſe drückte die Hand ſeines Freun-
des wehmüthig an ſein dankbares Herz.
So manichfaltig ſich durchkreuzende Gefühle griffen
aber Völkners Gemüth zu heſtig an, als daß ſein Kör ·
per nicht darunter hätte leiden ſollen. Je näher der
Tag heran rückte, an welchem das Urtheil erfolgen
ſollte, deſto ſtärker fühlte er ſich erſchüttert. Die uner-
bittliche Nemeſis rächte ſein Vergehen um ſo ſtrenger

an ihm, je zarter ſeine Begriffe von Rechtſchaffenheit

waren. Er war mit ſich ſelbſt entzweiet, und fühlte,
daß ſein Herz ihm darüber brechen müſſe. — Um aber
das Schickſal ſeiner Schweſter zu ſichern, eilte er jetzt,
die Verbindung zu ſchließen, die ihm ſo unendlich theuer
zu ſtehen kam. Im Kreiſe der trauten Freunde im
Gärtchen wurde das unauflösliche Band geknüpft; doch

weigerte ſich Laide durchaus, dem Gatten zu folgen,

Pont ihr Brnder ihrer Pflege nicht gänzlich entbehren
önnte.
Ach! lange ſollte er der irdiſchen Pflege nicht mehr
bedürfen! Der Hochzeitabend war der letzte frohe Ge-
nuß, den ihm das Leben gewähren ſollte. Nachdem der
Wunſch erfüllt war, daß er ſeine Laide mit dem Manne
verbunden ſahe, der ihm ſelbſt durch Leiden theuer ge-
worden war, verfiel er in ſichtbare Abnahme der Kräfte,
es fand ein ſchleichendes Fieber ſich ein, und der Red-
liche ſchlummerte hinüber in das Land der Vergeltung,
wo der Buchſtabe nicht verdammt, ſondern wo ein hei-
liger Wille richtet.
Laide trauerte lange um den Märtyrer ihres Glückes,

und eine ſanfte Schwermuth begleitete Friedberg durch

das Leben. Sie errichteten dem Vollendeten ein rüh-
rendes Denkmal in dem Gärtchen, in welchemn er ſo
viele frohe Stunden gegeben und genoſſen hatte. Hier
verſammelte ſich oft der trauliche Kreis, und nie er-
ſchien der Todestag des Entſchlafenen, daß nicht ſei-
nem Andenken hier eine wehmuthige Thräne gefloſſen
wäre.
 
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