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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 96 - Nr. 104 (2. Dezember - 30. Dezember)
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Nr. 102.

Samſtag, den 23. Dezember 1871.

4. Jahr g

Erſcheint Mittwoch und Sam

ſtag. Preis monallich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſel
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Weihnachtsklänge.

Weihnacht! Weihnacht! tönet es ſchon wieder,
Durch den Erdkreis dringt der frohe Schall,
Hoch vom Dome ruft's zu uns hernieder
Mit der Freude ſüßem Wiederhall,
Uns verkündet dieſer Klänge Macht
Laut begrüßend, die geweihte Nacht.

Töne, töne, helle Glockenſprache,
Ruf's hinein in jede Menſchenbruſt,
Daß das Herz zum ſchönen Feſt erwache,
Daß es ahnt die ganze ſel'ge Luſt,
Froh erglühend dieſem Worte lauſcht ö
Das der Glocken hellem Mund entrauſcht.

Freude, Freude, bis zum tiefſten Grunde,
Jedes Herzens dring' das ſüße Wort,
Heile, mild're jedes Herzens Wunde,
Scheuche koſend, ihn den Kummer fort,
Daß von ſeinem Hauche, kühlend angefacht
Froh begrüß' es die geweihte Nacht.

Weilend, weilend in der Hütten Räume,
Ueberall o kehr' die Freude ein.
Wieg die Herzen in die ſchönſten Träume
Sel'ger Stunden ſüßen Daſeins ein.
Ihre goldnen Schwingen, liebend niederſenken
Alle Menſchen Herzens winkend zu ſich lenken.

Tröſtend, tröſtend, wo noch Thränen fließen
Um der Theuren ruhmvoll frühes Grab,
Innig ſie mit deinem Hauch begrüßen,
Daß auch deren Auge blickt auf ſie herab,
Daß auch deren Geiſt, die Freud mit ihnen theilt
Ungeſeh'n in ihrer Mitte weilt. ö

Schimmernd, ſchimmernd, o wie lieblich ſtrahlet
Schon des Chriſtbaums grüner Zweige Kranz.
Das Waldeskind, wie ſinnig es ſich malet
Voll buntem Tand, im hellen Lichter Glanz.
Und wer den Baum aus Lieb geſchmückt
Fühlt ſich im Herzen dann beglückt.

Freu detrunken jauchzen Kinderſtimmen
Bei den Gaben um den Weihnachtsba um,
Wie im Meere reinſten Glückes ſchwimmen ö

chen davon noch weiter.

Ihre Herzen wie im ſüßen Traum,
Elternlieb hat ſie ſo reich gemacht
Durch den Zauber dieſer heil'gen Nacht.

O wer denkt nicht mehr an jene Stunden
In der Jugend freudig noch zurück,
Wo das Herz des Kindes Luſt empfunden,
Ungetrübt noch ſchwelgte in dem Glück.
Darum ſei das Weihnachtsfeſt begrüßt,
Da ſich in ihm ein Himmel uns erſchließt.
ö A. Thiele.

Leid und Löfung.
Eine Weihnachtsgeſchichte von Her mann Klerke.
(Fortſetzung).

Es dauerte nicht lange, ſo ſchlich er vorſichtig wie
ein Dieb auf den Fußſpitzen wieder hinaus. Seine
Anweſenheit war gar nicht bemerkt worden. Sie

machte ſich aber recht ſehr bemerklich, als er nach ei-

ner halben Stunde zurückkehrte. Denn diesmal ſchien
er abſichtlich polternd aufzutreten und klopfte nicht an-
ders, als ob er Thier' und Menſchen aus tiefſtem
Schläfe zu wecken hätte. Frank öffnete ihm ſelbſt, er

war allein. „Man darf,“ begann der Händler, Nach-

barn und Freunden das Gute nicht vertragen. Ich
habe geſtern in Gedanken an Sie ein prächtig ausge-
legtes Käſtchen gekauft, venetianiſche Arbeit, fein und
ſauber, trotzdem nicht allzu theuer. Das wäre ein
Feſt⸗Geſchenk, das Sie ſich ſelber einbeſcheeren könnten.
Wie, Herr Frank?“ Frank ſchüttelte den Kopf: „Ich
danke Ihnen wenigſtens für die freundliche Abſicht.
Denken Sie aber nicht weiter an mich, denn ich kann
jetzt nichts kaufen.“ „Ei nun,“ entgegnete der Händ-
ler, „Sie dürfen es ſo raſch nicht von der Hand wei⸗—
ſen. Vorläufig ſtell' ich es zurück; ich meine, wir ſpre-
Dos Käſtchen aber war die
Hauptſache heute nicht, Herr Frank, ich habe noch eine
Bitte.“ — „Eine Bitte!“ rief Frank erſtaunt, „ich
wünſchte in der Lage zu ſein, recht viele Bitten erfül-
len zu können. Nur zu, Herr Nachbar, ich hoffe, Sie
werden ſchlimmſten Falls den guten Willen für die
That auch gern annehmen.“ Der Händler zö-
gerte ein wenig; er hatte ſichtlich etwas auf dem Her⸗—
 
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