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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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olksblatt.

Nr. 67.

Mittwoch, den 23. Auguſt 1871.

4. Jahrg.

eint Mittwoch und Sam ag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret, Schiffgaſſe 4
Erne uund bei den Teger Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö ö

————

Der Sohn des Millionärs.
‚ (Fortſetzung.)

Als ſie in dem kleinen Salon neben einander Platz
genommen hatten, begann Madame Firmin das Ge-
ſpräch folgendermaßen: ö
Wir ſind ſchon in der Mitte des Juni, meine Liebe,
und Sie haben noch keinen einzigen Badegaſt!
„Davon iſt nicht die Rede, ſondern von Ihrem Ge-
heimniſſe, unterbrach ſie Madame Deschamps ein we-
nig verdrüßlich; übrigens wüßte ich nicht, warum man
ſo zeitig klagen wollte; die Saiſon iſt erſt im Beginn,

und der berühmte Dokter Portal in Paris hat mir

eine ganze Familie zuzuſchicken verſprochen, Leute, wie
man ſie ſich nur wünſchen muß. Für meine erſte Etage
iſt alſo geſorgt. **
Und was ſagen Sie dazu, liebe Nachbarin, wenn
ich Ihnen nicht ſpäter, als bis dieſen Abend einen
Miethsmann für Ihre zweite Etage verſchaffe?“ Was
ſagen Sie dazu, wiens
„Das Geſicht der Madame Deschamps klärte ſich
plötzlich auf und ſie antwortete mit einer ſüßen Stimme!:
Was ich dazu ſagen würde? ich würde ſagen, daß es
keine portrefflichere Nachbarin, keine vortrefflichere
Freundin gäbe, als Madame Firſiin.
Nun, meine Liebe, Sie können augenblicklich die
drei Zimmer Ihrer zweiten Etage in Stand ſetzen laſ-
ſen, um den Sohn eines Millionärs bei ſich aufzu-
nehmen. ö ö
Den Sohn eines Millionärs! ſchrie Madame Des-
champs mit Emphaſe und die Arme emporſtreckend, da
muß ich ſogleich .... Franziska, Franziska
Mein Gott, über die alte Einfalt! da iſt ſie nun fort-
gegangen; ich habe ſie nach etwas geſchickt. *
Aergern Sie ſich nicht, ſagte Madame Firmin, Sit
haben ja Zeit; er wird vor ſieben Uhr nicht kommen.
Aber, liebe Freundin, eine Liebe iſt der andern werth,
ich erwarte von Ihnen einen Gegendienſt und übrigens
die größte Verſchwiegenheit.
Das Lächeln verſchwand ſogleich wieder von dem
Geſichte der Madams Deschamps und ſie ſagte bei ſich
ſelbſt: Zum Henker, die Nachbarin will ihre Gefällig-
keit bezahlt haben; ſe braucht immer Geld, und ich
lande ihr borgen müſſen. — Dann entgegnete ſie
aut: ö ö ö

Einen Dienſt, meine Liebe? ah! wahrhaftig von
ganzem Herzen gern, vorausgeſetzt, daß es in meinen
Kräften ſteht, denn Sie wiſſen.
Ich weiß, antwortete Madame Firmin, ohne ſie
ausreden zu laſſen, ich weiß, daß ſie mit Vergnügen

Alles thun werden; und dabei drückte ſie ihrer Nach-

barin ganz freundſchaftlich die Hand. Madame Des-
champs ſah in dieſem Ungeſtüm eine ſchlimme Vorbe-
deutung, ſie zog ihre Hand an ſich, rückte ihren Stuhl-
zu rück und ſagte: Nachbarin, liebe Nachbarin....
à propos, ich habe Ihnen wohl von der glücklichen Erb-
ſchaft des Abbé Barbeau noch nichts erzählt. Es ſind
ihm 300 Franks zugefallen, auf die er gar nicht ge-

rechnet hat; er iſt ſeelenvergnügt, der arme gute

Mann, ich hörte ihn ſagen, die ganze Summe ſtehe ſei-
nen Freunden zu Gebote, natürlich zu 6 Pr. C., wie
billig! Er iſt ein lieber, gefälliger Mann!
Ich weiß das nicht ſo, ſagte Madame Firmin; aber
laſſen ſie den Abbs mit ſeinen hundert Thalern; wenn
mein Plan gelingt, ſo ſtehen uns Hunderte zu Gebote
und obendrein ohne Intereſſen.
Ein Plan! erwiederte Madame Deschamps, wenn
auch inemer noch wenig beruhigt; ein Plan! Aber ſo
ſagen Sie mir doch nur kurz weg, was Sie eigentlich
wollen. Was für eine erſchreckliche Einleitung machen
Suhr. ſchon ſeit einer Viertelſtunde! Raſch, zur
ache.
Madame Firmin reckte den Kopf, blickte ſich rechts
und links um und ſagte, die Hände an beide Seiten
des Mundes haltend: Wohlan! meine Liebe, dieſer
Milliönär muß meine Tochter Juliette heirathen.
Ah! Madame Firmin, wo denken Sie hin? Ju-
liette iſt ein hübſches Kind, das iſt wahr; aber der
Sohn eines Millionärs, ein ſo reicher Mann! ...

ECEben darum, meine Liebe, ein ſolcher Mann wird

nicht Alles berechnen, wie wir, er will nach Neigung
heirathen, und meine Juliette iſt ſcharmant, iſt erzo-
gen wie ein Engel, denn Sie wiſſen, ſie iſt in Paris
geweſen . . .. Die Ausführung des Plans nehme ich
auf mich, wenn er nur eingefädelt iſt; aber das iſt
der ſchwierige Punkt. Sie verſtehen mich, liebe Nach-
barin, und darin zähle ich auf Sie.
Recht gern, Madame Firmin, recht gern; man kann
das Terain auskundſchaften, das koſtet ja nichts; aber
warum wollen wir auf Juliette denken und nicht zu-
erſt auf die drei älteren? Von Rechts wegen.
Das iſt meine Sache, Madame Deschamps. Uebri-
gens will ich Ihnen nur im Vertrauen ſagen, daß ich
 
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