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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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E


jeilelberger Vollsblatt.

Nr. 49.

Mittwoch, den 21. Juni 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 19 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Spielerglück.
(Novelle von Georg Reinbeck.)
Corſetzung) —

Es verfloß wohl ein Jahr und ich dachte kaum an
den ganzen Vorfall mehr, als der Bankier, bei welchem
ich meine Renten zu erheben hatte, mir einſt mit Be⸗—
dauern erklärte, daß das genueſiſche Handlungshaus,
in welchem meine Fonds waren, ſich in unvorhergeſe-
henen Verwickelungen befinde, die eine augenblickliche
Stockung veranlaßten; doch würde in wenigen Wochen
gewiß Alles wieder in Ordnung ſein und auch meine
Renten, wie bisher, ſlüſſig werden. Dieſe unerwartete
Erklärung ſetzte mich gerade in dieſem Augenblicke, wo
ich einige dringende Zahlungen zu machen hatte, in
nicht geringe Verlegenheit und ich verließ den Bankier
nicht eben in der beſten Laune; da flüſterte mir eine
innere Stimme, als mein Weg mich an dem Palais-⸗
royal vorüberführte, zu: dort oben liegt Gold genug
für dich, du darfſt es nur holen. Ich folgte ihr. Der
Tiſch war zahlreich beſetzt; als mich aber einer der
Croupiers erkannte, und mich ohne den zuflüſternden
Freund ſah, verſchaffte er mir ſogleich einen Platz und
verſah mich mit Karten. Ich begann wieder mit eini-
gen Goldſtücken und ſiehe — Fortuna zeigte ſich mir
nicht minder günſtig, nun ich fur meine alleinige Rech-
nung ſpielte und der Erſolg war noch reichlicher, als
das erſtemal; auch verſchwanden mir diesmal mehrere
Stunden, ohne daß ich es bemerkte. ö ö

Von jetzt an wurde mein Beſuch des Spielhauſes

häufiger, ohne daß ich jedoch mit Leidenſchaft ſpielte.
Das Spiel wurde mir vielmehr zum Studium. Ich
verſuchte, es gewiſſen Geſetzen zu unterwerfen, und
bald zog ich durch das nur ſelten wankende Glück die
RNuafmerkſamkeit der Spieler auf mich. Der Gewinn,
den ich in einigen Monaten aus der Bank zog, wäar

n bedeutend, daß die Bank ſich an mich wandte und

mir einen Antheil anbot, um mein ihr bisher ſo un-
günſtiges Glück für ſich zu benutzen. Ich ging den
Vorſchlag unter vortheilhaften Bedingungen ein. Wie
hätte ich nach den bisherigen Erfahrungen beſſer wäh-
len können. Ich war oft Zeuge geweſen von der un-
ſeligen Leidenſchaftlichkeit der gewöhnlichen Spieler und
von dem ſeltſamen Eigenſinn, mit dem ſie oft gegen
alle Wahrſcheinlichkeit gewiſſe Chancen verfolgten, und
es ſchien mir faſt ein Verdienſt, ihre Dummheit zu

züchtigen, die mir noch dazu ſo häufig in der Geſtalt

des ſchmutzigſten Eigennutzes erſchien, der ſelbſt Betrü-

gereien nicht ſcheute, ſo entehrend auch ihre Strafe
bei der Entdeckung war, der ſie ſelten entgingen. Der
Verſuch fiel über jede Erwartung glänzend aus, und
wenn es ſich auch traf, daß einzelne Tage kein günſti-
ges Reſultat gaben, ſo diente dies nur dazu, die Spie-
ler um ſo mehr anzulocken, und mein Antheil an der
Bank war bei Ablauf des Kontraktes ſo bedeutend,
daß ich für meine eigene Rechnung eine Bank zu über-
nehmen im Stande war. So ſah ich mich im Ueber-
fluſſe und in Verbindungen, die mich in's Weltleben
ganz hineinzogen, da man in meinem Umgange noch
mehr als den gewöhnlichen Spieler zu finden glaubte.
Mit den Mitteln erwachte auch in mir der entſchlum-
merte Ehrgeiz. Es war die Zeit, wo Napoleon ſeine
Antichambre mit altem Adel zu füllen wünſchte. Ich
hatte keinen Grund mehr, meinen Rang und meine Ab-
kunſt zu verhehlen; ich legitimirte mich als Herzog
von Durazzo, und wurde anerkannt. Mein Haus war
eines der glänzendſten, und jedes andere, auch das
höchſte, ſtand mir offen. Ich wurde der Hauptpächter
der Spiele, die Bank wurde als meine Domäne be-

trachtet und nur die glänzendſte, reichſte und beſte Ge-

ſellſchaft von Paris ſtrömte mir zu.
Da traf es ſich einſt, daß jener alte Wucherer, der
ſchon ſeit länger ſehr bedeutende Geſchäfte bei meiner
Bank machte, mit einigen Goldſäcken eintrat, und ſiehe
— Keiner wollte diesmal von ihnen Gebrauch machen,
denn Alle waren im Vortheil gegen die Bank, über
welcher ein beſonderer Unſtern zu walten ſchien. Der
Alte wurde auf dieſe ungewöhnliche Erſcheinung auf-
merkſam, und als man ihn ſcherzend aufforderte, eine
ſo gute Gelegenheit nicht ungenützt vorüber gehen zu
laſſen, und da der Gedanke ihm unerträglich war, ſein
Geld ohne Gewinn wieder mitzunehmen, ſo wagte er
es, und fing ſelbſt zu ſpielen an. Fortuna ſchien heute
ganz entſchieden Parthie gegen die Bank genommen
zu haben; es waren mehrere ſtarke Zuſchüſſe zur Er-
gänzung der bedeutenden Abflüſſe nöthig geworden,
und auch der Chevalier ſah ſich bald ſo begünſtigt, dah
er in dem Uebermuthe ſeines Glückes, in einem wahr-
haften Taumel, ein „và banqe!“ erſchallen ließ, als
die Bank gerade wieder betrachtlich aufgefriſcht war.
Alles drehte ſich, wie von einem elektriſchen Schlage
getroffen, zu dem krampfhaft grinſenden Alten, der mit
ſtolzem Blick um ſich ſchaute. — Und was ſetzen Sie
dagegen, Chevalier? — fragte ich, entrüſtet über ſolche
 
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