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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 96 - Nr. 104 (2. Dezember - 30. Dezember)
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Nr. 100.

Samſtag, den 16. Dezember 1871.

4. Jahrg

Erſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4
ö und bet den Trägern. Auswärts ber den Landboten und Poſtanſtalten.

Leid und Löſung.
Eine Weihnachtsgeſchichte von Hermann Klerke.
(Fortſetzung).

Was Bergemann mit allem Reichthum, mit allen
Künſten und Liſten nicht hatte erreichen können, gewann
die Liebe leicht und raſch. Das junge Paar fühlte ſich
auch in beſcheideneren Verhältniſſen ſo glücklich, als es
zwei Menſchen nur immer ſein können, die ein ſympa-
thiſcher Zug zuſammengeführt hat, die thätig, redlich
und wohlwollend ſind, und die das eigene Glück in dem
des andern ſuchen. Zwei reizende Kinder brachten zu
dieſem Glück noch einen reichlichen Zuwachs. So ver-
ſtrichen die erſten Jahre.
deß ein eigener Unſtern in den geſchäftlichen Beziehun-
gen Franks zu walten. Es war, als ihn auf Schritt
und Tritt ein böſer Geiſt belauere und ihn zu Schaden
zu bringen ſuche. Er konnte nicht klär darüber wer-
den, er ſah nur die Wirkung, ohne den Urheber zu
entdecken. Vortheilhafte Unternehmungen wurden plötz-
lich rückgängig, andere vereitelt, die er mit dem beſten
Wiſſen geheim gehalten. Zuweilen verſchwand ein
Brief, ein Papier mit geſchäftlichen Notizen; er glaubte,
Beides verlegt zu haben, allein es fand ſich nicht wieber.
Doch alle dieſe kleinen Verluſte und Verdrießlichkei-
ten hätten ſich noch ertragen laſſen, wenn nicht in letz-
ter Zeit verſchiedene harte Schläge ſich vereinigt hät-
ten, ihn für den Augenblick rath- und hilflos zu machen.
Der Hanptſchlag beſtand darin, daß der Buchhalter
eines ſeiner älteſten und beſten Freunde mit dem ge-
ſammten baaren Kapital deſſelben durchgegangen war.
Der Beſtohlene hatte ſich ſofort zur Verfolgung aufge-
macht, allein ſchon waren vierzehn Tage vergangen und
noch war keine Nachricht da. Frank, der mehrere Tau-—
ſend Thaler von ſeinem Freunde zu empfangen hatte,
wurde dadurch in deſſen Fall hineingezogen. Eine an-
dere ſehr unangenehme Verwickelung hatte ſich mit dem
oben erwähnten Kommiſſionsrath Bergemann ergeben.
Sie war zugleich ſo unerklärlicher Art, daß Frank ver-
gebens nach der Löſung ſuchte. Vor etwa einem Jahre
war ein Schuldſchein, deu er einer auswärtigen Fabrik
für Rechnung eines Auftraggebers ausgeſtellt, an Ber-
gemann in Zahlung gegeben und Frank davon benach-
richtigt worden. Er war im Stande, ſeiner Verbind-

Seit einiger Zeit ſchien in-

lichker vünktlich nachzukommen, weil die Summe jedoch
ziemlich boeutend war, ſo hatte er in einer plötzlichen
Anwandlung yn Vorſicht das Geld nicht ſeinem Die-
ner anvertraut, ſondern es ſelbſt zu Bergemann ge-
bracht und ſeiien Schein von dieſem zurückerhalten.
Zufälligerweiſe ar bei der Zahlung Niemand zugegen
geweſen. Wer der grinſenden Bergemann beobachtet

hätte, der hätte glatben müſſen, er begrüße in Frank

einen alten, neu wiedrgewonnenen Freund. Er nöthigte
Frank in ein abgelegoes Zimmer, um das Geldgeſchäft,

das er wie nebenſächlid behandelte, abzumachen und

zwang ihn mit aufdringicher Freundlichkeit, ein Glas
ſpaniſchen Weines zu trinen, „auf die Beſiegelung ih-
res ferneren freundſchaftlichn Verkrehrs.“ Er gehörte
die ganze Gutmüthigkeit Frant's dazu, um dieſes heuu,
leriſche Entgegenkommen, das ihn entſchieden widerwär-
tig berührte, nicht kurz abzubrechen. Er entwand ſich
indeß ſo raſch er konnte, dem allzu höflichen Geldmann
und nahm ſeinen Weg nach Hauſe. -
Als er in ſein Zimmer trat, empfand er eine ei-
genthümliche Dumpfheit im Kopfe und eine lähmende
Müdigkeit in ollen Gliedern. In den Vormittagsſtun-
den ſchweren Wein zu trinken, lag allerdings ganz au-

ßer ſeiner Gewohnheit, allein es war ja kaum ein Glas

geweſen und der Genuß deſſelben konnte unmöglich eine
ſolche Wirkung hervorbringen. Das Einzige, deſſen ſich
Frank ſpäter mit Beſtimmtheit erinnerte, war, den
Schuldſchein zerriſſen und in den Papierkorb geworfen
zu haben. Dann überwältigte ihn eine Betäubung,
der er vollſtändig erlag. In dieſem Zuſtande fand ihn
Anna, als ſie nach einiger Zeit in's Zimmer trat.
Der Arzt ſprach die Beſorgniß eines nervöſen Fiebers
aus. Nach einigen elenden Tagen und Nächten aber,
die Frank halb beſinnungslos, halb in Fieberphanta-
ſien zugebracht, trug ſeine kräftige, geſunde Natur den
Sieg davon, und er konnte ſeine Geſchäfte wieder auf-
nehmen. Frank ſprach ungern von dieſem Zufall und
gedachte nicht einmal des Weines, den er vorher ge-
trunken hatte, denn Beides in Zuſammenhang zu brin-
gen, erſchien ihm als eine Verdächtigung, die er durch-
aus abwies. Er wollte den Gedanken, der einem Drit-
ten allerdings ſehr nahe lag, der Wein habe irgend ei-
nen nachtheiligen Zuſatz gehabt, gar nicht in ſich auf-
kommen laſſen. Im Uebrigeu war ja nun Alles vor-
über. So ſchien es. Vor einigen Tagen aber ſtellte
ſich ein Abgeſandter Bergemann's mit einem groben
Briefe deſſelben ein, worin Frank an ſeine Zahlungs-
verbindlichkeit gemahnt wurde; zugleich ward ihm ſein
 
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