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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 17 - Nr. 25 (1. März - 29. März)
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Heille b er 0 er V olksblatt.

Nr. 20.

Samſtag, den 11. März 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Des Freundes Sohn-

Ein Familiegemälde von Karl Haniſch.
(Schluß.)

Ich hörte hier Aeußerungen, die ich nirgend noch
gehört hatte und als es mir zu bunt wurde, und ich
gegen eine dieſer ruchloſen Behauptungen auftrat und
meine Meinung, anfangs mit aller Mäßigung, nach und

nach aber kräftiger und ohne Rückhalt ſagte, da hätten

Sie hören ſollen, wie man über mich hineinſchrie.
Doß ich nicht in die Acht und Aberacht erklärt wurde,
war Alles. Es blieb mir nichts übrig, als ein Haus
zu verlaſſen, wo zehn oder zwölf unerfahrene, vorlaute
und brausköpfige Jünglinge die Welt ein wenig um-
kehren und ſolche dann nach eigenen Grundſätzen orga-
niſiren wollten. Die Sache hat übrigens hier keine ſo
eruſte Seite und verdiente, belacht zu werden, wenn
nicht trübere Dinge ſich an dieſe Erſcheinung der Zeit
reihten. — Das iſt nun der ganze Vorgang, wie er
ſich der Wahrheit gemäß zugetragen hat.
Ganz nach Bericht! ſagte Stiller mit zufriedenem
Lächeln.
Darf ich nicht fragen, wer der Berichterſtatter war?
O ja! antwortete Stiller, mein alter Schappler, der
nach Empſang des Briefes abgeordnet worden iſt, um
Ihre Schritte zu verfolgen und da hat ihn ſein In-
ſtinkt in die Wirthshäuſer geführt, wo er, vom Zufall
begünſtigt, Ihren Beſuch in der Krone ausgatterte.
Sie trafen mich vorhin eben im Begriffe, ihn wegen
ſeiner geſtern nachmittägigen Uebertretung coram zu
nehmen. Er bleibt aber ſtandhaft dabei, daß er an
dem Räuſchchen, wie er es nennt, vollkommen unſchul-
dig ſei, und daß nur allein Sie durch Ihre freundli-
chen unb nicht zurückzuweiſenden Nöthigungen die Schuld
trügen. ö
. Es iſt ein guter alter Herr, der Herr Schappler,
ſcherzte Samuel — und wenn Sie ihn zu meiner Ver-
theidigung auffordern, ſo ſollen Sie Wunder hören. —
Ich hoffe übrigens — fuhr er ernſter fort — Sie wer-
den von Ihrem allerdings verzeihlichen Irrthum zu-
rückgekommen ſein und meinen guten Leumund bei der
Familie wieder herſtellen, von der ich ſeit geſtern früh
keinen freundlichen. Blick mehr erhalten habe.

Ich bekenne meine Schuld, ſagte Stiller. Aber ſa-

gen Sie ſelbſt, war, nach dem ominöſen Schreiben und
nach den übrigen Anzeigen, nicht ganz der Schein ge-
gen Sie? Und wenn ich auch wirklich noch gezweifelt
hätte, mußte die Warnung nicht vollen Glauben bei
mir finden, als Sie geſtern Abend mit der verzweifel-
ten Pariſienne, dem Generalmarſche der Schwindler,
aufgezogen kamen? ‚
Es war ein ſonderbarer Einfall, ich muß es ſelbſt
geſtehen, entgegnete Samuel, aber durchaus zufällig.
Ich nannte ein Muſikſtück, was, wie Alles, was von
Paris kommt, Mode geworden iſt und überall aufge-
tiſcht wird. ö ö

Nun wohlau! ſagte Stiller, ich will glauben, daß.

Sie von der Krankheit der Zeit nicht befallen, ſondern
geſund an Seele und Leib ſind; ach, man glaubt gar
zu gern, was man wünſcht! Laſſen Sie mich ohne
Rückhalt ſprechen: Sie kennen unzweifelhaft die Abſich-
ten Ihres Herrn Vaters mit Ihnen; ich habe Sie in
meinem Hauſe mit Freuden und in der Hoffnung auf-
genommen, den Wunſch meines guten alten Freundes
in Erfüllung gehen zu ſehen; ich habe keinen Sohn —
Gott ließ mir von meinen Kindern nur die zwei Mäd-
chen, an denen mein ganzes Herz hängt; beide ſind
herzgut und verdienen ein glückliches Loos, aber dieſes
Glück blüht ihnen nur an der Hand eines Gatten der
Gott und ſeinen Fürſten liebt, der die Pflichten eines

rechtſchaffenen Mannes und treuen Hausvaters redlich

erfüllt, das Geſetz und die bürgerliche Ordnung befolgt
und ehrt und ſeine Kinder zu gottesfürchtigen und iu-⸗
gendhaften Menſchen erzieht, der an die göttliche Welt-
regierung glaubt und nicht meint, die menſchliche Klug-
heit allein ſei im Stande, das Ruder zu führen. Das
ſind meine Grundſätze, Herr Klarens, und auf dieſen
beruht allein — nach meiner innigſten Ueberzeugung
— die Wohlfahrt der bürgerlichen Geſellſchaft.
Sie ſind auch die meinigeu, verſicherte Samuel, dem
biedern Mann die Hand drückend, darauf kann ich Ih-
nen mein heiliges, theueres Wort geben. Gerade dieſe
Geſinnungen, die wir, ich und mein guter Vater, von
Herzen theilen, hahen bei letzterem den Wunſch erzeugt,
aus Ihrem Hauſe, für das er eine große Vorliebe
hegt, für mich eine Gattin zu holen. Ich gehorchte gern,
denn mein Herz war frei, als ich Ihre Schwelle be-
trat. ö ö
Nun, Gottlob! rief Stiller. ſo iſt das alte gute
Verhältniß wieder hergeſtellt. Kommen Sie hinauf,
ich bin Ihnen eine glänzende Satisfaktion ſchuldig.
Eine Bitte, mein väterlicher Freund! ſagte Samuel,
 
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