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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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Nr. 50.

Samſtag, den 24. Juni 1871.

Heillelberger Vollsblatt.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 1 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4

und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Spielerglück.
(Novelle von Georg Reinbeck.)
(Forſetzung.)

Adele beſchäftigte ſich ganz mit dem Frühſtück. Sie
blickte nur zuweilen ſcheu auf mich, doch weigerte ſie ſich
nicht, an der Unterredung Theil zu nehmen, in welche ich
ſie zu ziehen wußte. Ich fand in ihr eine Bildung, wie
ich ſte in der Tochter eines Wucherers und Spielers,
gewöhnlichen Schlages, niemals würde geſucht haben.
Daß ich mit keiner Silbe verrieth, wie ich ſchon früher
Und durch wen ich Kunde von ihr erhalten hatte, kön-
nen Sie ſich vorſtellen, Herr Graf. —
Nach einiger Zeit verließ Adele das Zimmer und
jetzt wandte ich mich zu dem ſichtbar in Verwirrung

gerathenen Alten. Chevalier, ſagte ich zu ihm in ei-

nem leichten Tone, ich werde Ihnen meinen Notar
ſchicken, mit welchem Sie die Uebertragungsakte mei-
nes Hauſes und deſſen, was Sie darin beſitzen, nach
einer ungefähren Schätzung in Ordnung bringen kön-

nen. Das Kapital bedarf ich in dieſem Augenblicke

nicht, und bis ich es gebranchen werde, überlaſſe ich
Ihnen und Ihrer Tochter gern die Nutznieſung. Was
ich mir dagegen ausbedinge, iſt die Erlaubniß, zuwei-
len einige angenehme Stunden in Ihrer Beider Ge⸗—

ſellſchaft verleben zu dürfen. — Der Chevalier war

zu erfahren, als daß er nicht hätte überzeugt ſein ſol-
len, wem er dieſe milde Behandlung verdanke.
ſeltene Großmuth, ſtotterte er verlegen, ich weiß ſie zu
ſchätzen und — ſie würde mich weniger für mich, als
für meine Tochter freuen, wenn — ich hoffen dürfte,
ſie werde ſie annehmen. — Wie;? rief ich aus, ſie
würde ſich weigern, zu theilen, was ich für ihren Va-
ter thue? — Ihr Rang, Herr Herzog, erwiederte er,
Ihr Reichthum, der Ruf meiner Tochter — Chevalier,
fiel ich ihm in's Wort, ich will ganz offen mit Ihnen
ſprechen. Ihre Tochter hat auf mich einen unauslöſch-
lichen Eindruck gemacht; ſie hat in mir eine Sehnſucht
entflammt, der ich nicht zu widerſtehen vermag. Die
Achtung für Schönheit und Tugend läßt in mir keinem
andern Gedanken Raum, als ſie mir zur Gattin zu
wünſchen. Sie wiſſen, ich bin gänzlich unabhängig und
völlig im Stande, meine Frau auf eine angemeſſene
Weiſe zu erhalten. — Das Haus überlaſſe ich ihr als
unbeſchränktes Eigenthum, damit zu ſchalten, wie's ihr

nicht ſein, erwiederte der Alte.

Sie wird überraäſcht ſein.

und weiß, was ſie ihm ſchuldig iſt.

Ihre

gefällt, und an einem hinreichenden Nadelgeld ſoll es
ihr auch nicht fehlen. — Iſt das ihr Ernſt, Herzog?

fragte der Alte, angenehm überraſcht. — Mein völli-

ger Ernſt, wenn Adele darin übereinſtimmt. — So un-
dankbar, eine ſolche Großmuth zu verkennen, kann Adele
Zwar, fügte er etwas
ſtockend hinzu, ſie hat allerdings ganz eigene Grillen.
Sie werden ihr Zeit laſſen
müſſen. — Iſt ihr Herz frei? fragte ich lebhaft. —
Ihr Herz, erwiederte er zögernd, ſie liebt ihren Vater
Ueberlaſſen Sie
es mir, ſie mit Ihrem großmüthigen Anerbieten bekannt
zu machen; ihre Hand iſt frei, ich kann darüber be-

ſtimmen. — Nicht ohne Adelens Einwilligung, entgeg-

nete ich. — Gewiß nicht, verſetzte er; aber ſie wird

einwilligen, ſie wird nicht verkennen, was Sie für ſie
thun wollen. Adele iſt ein gutes Kind, überlaſſen Sie
mir Alles, und ich hoffe, Sie ſollen mit mir zufrieden
ſein. Ich willigte ein, erſt nach einigen Tagen mei-

nen Befuch zu wiederholen. ö
Dieſe Tage wurden mir unbeſchreiblich lang. Ich
verſuchte, ſie mit der Jagd, mit rauſchenden Vergnü-
gungen, mit dem gewohnten Spiel zu verkürzen; das

Glück war mir auch überall günſtig, allein es konnte

meine innere Unruhe nicht beſchwichtigen. Mich mar-
terte der Gedanke an Bouchard, die Ungewißheit, wie
es um Adelens Herz ſtehe, und ob die Neigung, wenn
ſie noch ſtatt fand, ſo ſtark war, die Hand eines Her-
zogs und ſeine Reichthümer zu überwiegen. Und wo
Bouchard? Ich hatte Bekanntſchaft in der Kriegskanz-
lei, denn wo hätte ich nicht welche gehabt? Ich zog
Erkundigung ein. Er ſtand in Italien in Garniſon,
war als ein tüchtiger Offizier bekannt, ohne daß es ihm
bis jetzt geglückt war, die beſondere Aufmerkſamkeit d““
Kaiſers auf ſich zu ziehen und ſchnell zu avanciren.
Ich ſchöpfte Hoffnung, und dieſe fand ſich nicht getäuſcht.
Als ich am dritten Abend zum Chevalier kam, trat
dieſer mir freudeſtrahlend entgegen.
tes Kind, ſagte er: Ihr großmüthiges Betragen hat
ſie gerührt. Sie hat eingewilligt, den ehrenvollen An-
trag Ihrer Hand anzunehmen.
zuzuführen, damit Sie ſich gegen ſie erklären können.

Und bald trat Adele, zwar mit verweinten Augen, aber

doch ohne Aengſtlichkeit, an ſeiner Hand herein. Ich
begrüßte ſie achtungsvoll ohne Zudringlichkeit. Mich
hielt ein gewiſſes Etwas von zu großer Vertraulichkeit
zurück; ſie war meine erſte ächte Liebe und — meine
einzige — ſagte der Herzog mit etwas bebender Stimme,

Adele iſt ein gu-

Ich gehe, ſie Ihnen


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