derholten Heirathsanträge Eduards ab, ohne jedoch ſei-
nen Beſuchen ſich zu entziehen. Noch fernere zwei
Jahre waren wieder ohne Nachricht von Robert ver-
floſſen. Endlich gab Suſanne den ungeſtümmen Auf-
forderungen ihres Vaters und Liebhabers, aber nun
auch dem Drange ihres Herzens nach und belohnte die
beharrliche Liebe Eduards mit dem Geſtändniß, daß ſie
dieſelbe erwiedere. Sie wünſchte indeß immer noch,
die Heirath zu verſchieben, allein ihr Vater beſtand ein
für allemal feſt darauf, daß ſie nicht länger mehr ih-
ren Verlobten hinhalten dürfe, und ſo wurden denn
alle Vorbereitungen zur Hochzeit-Feier angeordnet.
Wenige Tage vor der hierzu anberaumten Zeit lan-
dete ein Schiff im Hafen, und ein Fremder ſtieg an's
Land, deſſen Erſcheinen und die von ihm über verſchie-
dene Einwohner gemachten Nachfragen großes Aufſeheu
im Orte erregten. Er ſchien ungefähr dreißig Jahre
alt, war ungeachtet ſeiner durch Wind und Wetter ge-
bräunten und gefurchten Geſichtszüge von angenehmer
und ausdrucksvoller Geſtalt, und hatte etwas Würde-
volles und Gebieteriſches in ſeiner ganzen Haltung.
Er erkundigte ſich vor allem nach dem Pächter Long-
ſield, und Suſanne Grantley. Als er hörte, daß Erſte-
rer geſtorben, und Letztere nächſtens heirathen würde,
ſchien er ſehr bewegt; da er aber auf ſeine weiteren
Nachforſchungen über Eduard vernahm, daß dieſer die
ganze Verlaſſenſchaft ſeines Vaters überkommen, der
älteſte Sohn hingegen (dem man ſo liebevoll den Na-
men Robert der Teufel
worden, und jener jetzt der wohlhabendſte Mann im
ganzen Orte, zugleich aber auch der künftige Ehegatte
Suſannens ſei, da konnte der Fremde dem Sturme
ſeiner Gefühle nicht mehr widerſtehen und enteilte den
Beobachtungen ſeiner geſchäftigen Erzähler.
Armer Robert! er war es ſelbſt! welch ein
Willkommen in der Heimath! — vom Vater enterbt,
von ſeiner Geliebten verlaſſen, und vergeſſen von ſei-
nem Bruder, ſah er alle Ausſichten für ſein künftiges
Leben mit ſeinem Schlage zerſtört, die Hoffnung auf
das ihm zugeſicherte Glück, die ihn in allen Mühſelig-
keiten und Gefahren ermuthigte und aufrecht erhielt,
war ihm durch den Bruder entriſſen, für den er ſich
freiwillig der Verbannung hingegeben. — Mag es denn
ſo bleiben, rief er endlich mit Bitterkeit aus; ſie ſelbſt
zwingen mich, dasjenige Weſen zu werden, deſſen Na-
men ſie mir geben! — mit einem Herzen zur Liebe
und Freundſchaft geſchaffen, verdammt man mich zum
Auswürfling der. Geſellſchaſt! Die ich am meiſten liebte,
ſind mir treulos! — Bruder! Geliebte! wollte
denn keines von euch den Vaterfluch von mir abwen-
den! keines für den abweſenden Freund ſprechen! Nein!
ſie ſchwelgen in ſeinem Vermögen, unbekümmert, welch
Schickſal das ſeinige ſein möge: verderben will ich ihr
Glück, und dann meinerſeits frohlocken. —
Mit dem Vorſatze, ſeine Rechte auf das väterliche
Erbe und ſeine Anſprüche auf Suſannens Hand zu be-
hauplen, eilte er nach der Wohnung ihres Vaters.
Auf ſeinem Wege dahin fiel ihm eine Anzeige in die
beilegte) vom Vater enterbt
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glaubwürdiger Hand kam, wieß ſie immer noch die wie
Augen, worin verkündet war, daß eine ſchöne in der
Nachbarſchaft gelegene Meierei, mit Inbegriff eines be-
trächtlichen Umfanges an Ländereien zu verkaufen und
der Beamte Grantley mit dieſem Geſchäfte beauftragt
ſei. Nach kurzer Ueberlegung beſchloß er, ſich nicht zu
erkennen zu geben und dieſen Umſtand zum ſcheinbaren
Grunde ſeines Beſuches zu benutzen.
Robert traf Grantley zu Hauſe, und nach einigen
Verhandlungen über die Zahlungsfriſten erklärte er ſich
zum Ankaufe der Meierei bereit. Nachdem dies Ge-
ſchäft beendigt war, leitete er das Geſpräch auf den
verſtorbenen Pächter Longſield, und eröffnete ihm, daß,
wie er vernommen, eine Abſchrift des letzten Willens
deſſelben bei ihm in Verwahrung läge, er ſehr wünſche,
Einſicht davon zu erhalten, weil deſſen Sohu Eduard
ihm eine beträchtliche Summe ſchuldig ſei. Ueber dieſe
Nachricht gerieth der Beamte ſicht bar in die größte Be-
ſtürzung und äußerte, daß ihm dies für ſie beide, ihn
und Eduard, höchſt betrübend ſei, indem er kurz vor-
her aus ſicherer Quelle erfahren habe, daß ein Han-
delsfreund Eduards, mit welchem dieſer in ausgedehn-
tem Handelsverkehr geſtanden, fallirt habe, und dies
den gänzlichen Ruin Eduards, der aber ſelbſt von ſei⸗—
nem Verluſte bis jetzt noch keine Kenntniß habe, un⸗—
fehlbar nach ſich ziehen würde. Robert, von dieſer
Nachricht wie vom Donner getroffen, nahm mechaniſch
das ihm zur Einſicht dargebotene Teſtament an, und
durchlas es. Er eilte darauf nach einem ihm wohlbe-
kannten Plätzchen im Garten zu, um dort ſeine Ge-
danken zu ſammeln, und den Aufruhr ſeiner ſtreiten⸗—
den Gemüthsbewegungen zu beſänftigen? Das, was er
ſo eben vernommen, hemmte jeden Gedanken an Rache
in ihm. — Sollte ſeine Gegenwart Unglück über Eduard
bringen? und konnte er ſo grauſam ſein, ihn noch elen-
der zu machen? — Er gedachte ihrer Tage der Ju-
gend, der grenzenloſen Liebe ſeines Bruders zu ihm,
und alles deſſen, was dieſer ſchon durch ihn gelitten,
— und Suſanne! konnte er ſie aufgeben? — ſelbſt die
Laube, in welcher er ſich jetzt befand, — wie oft war
ſie nicht Zeuge ihrer wechſelſeitigen Schwüre? daran
nur zu denken würde Thorheit ſein! — Er überdachte
jetzt das Teſtament ſeines Vaters. Sein Vater, nach⸗—
dem er im Eingange angeführt, daß er von der gan⸗—
zen ſtrafbaren Aufführung Roberts, die ſem Leben ver⸗—
bittert und verkürzt habe, Kenntuiß erhalten, ſetzte
hinzu: daß, wie ſehr auch das Vaterherz zur Milde ge-
neigt ſei, doch die dem Interreſſe der Geſellſchaft und
ſeinem bisher unbefleckten Namen ſchuldige Pflicht von
ihm ſtreng fordere, den Verletzer derſelben mit Enter-
bung zu beſtrafen. Ihrer Sorgfalt, mein alter Freund,
ſuhr er fort, vertraue ich dieſe Urkunde meines Wil ·
lens an; verwahren Sie dieſelbe als ein Denkmal der
Vergehungen meines Sohnes und deren Beſtrafung.
Doch, wenn je Elend oder Reue ihn wieder ſeiner Hei-
math zuführen würden, wenn je in ſeinem Herzen Reue
erwachen und ihn bewegen ſollte, ſeine begangenen Feh-
ler wieder gut zu machen, dann widerrufe ich den In ·
halt dieſer Urkunde. Ja, mein Kind! ſchrieb er, ſeineu
Sohn anredend, uuter dieſer Bedingung ſei mein Se-
nen Beſuchen ſich zu entziehen. Noch fernere zwei
Jahre waren wieder ohne Nachricht von Robert ver-
floſſen. Endlich gab Suſanne den ungeſtümmen Auf-
forderungen ihres Vaters und Liebhabers, aber nun
auch dem Drange ihres Herzens nach und belohnte die
beharrliche Liebe Eduards mit dem Geſtändniß, daß ſie
dieſelbe erwiedere. Sie wünſchte indeß immer noch,
die Heirath zu verſchieben, allein ihr Vater beſtand ein
für allemal feſt darauf, daß ſie nicht länger mehr ih-
ren Verlobten hinhalten dürfe, und ſo wurden denn
alle Vorbereitungen zur Hochzeit-Feier angeordnet.
Wenige Tage vor der hierzu anberaumten Zeit lan-
dete ein Schiff im Hafen, und ein Fremder ſtieg an's
Land, deſſen Erſcheinen und die von ihm über verſchie-
dene Einwohner gemachten Nachfragen großes Aufſeheu
im Orte erregten. Er ſchien ungefähr dreißig Jahre
alt, war ungeachtet ſeiner durch Wind und Wetter ge-
bräunten und gefurchten Geſichtszüge von angenehmer
und ausdrucksvoller Geſtalt, und hatte etwas Würde-
volles und Gebieteriſches in ſeiner ganzen Haltung.
Er erkundigte ſich vor allem nach dem Pächter Long-
ſield, und Suſanne Grantley. Als er hörte, daß Erſte-
rer geſtorben, und Letztere nächſtens heirathen würde,
ſchien er ſehr bewegt; da er aber auf ſeine weiteren
Nachforſchungen über Eduard vernahm, daß dieſer die
ganze Verlaſſenſchaft ſeines Vaters überkommen, der
älteſte Sohn hingegen (dem man ſo liebevoll den Na-
men Robert der Teufel
worden, und jener jetzt der wohlhabendſte Mann im
ganzen Orte, zugleich aber auch der künftige Ehegatte
Suſannens ſei, da konnte der Fremde dem Sturme
ſeiner Gefühle nicht mehr widerſtehen und enteilte den
Beobachtungen ſeiner geſchäftigen Erzähler.
Armer Robert! er war es ſelbſt! welch ein
Willkommen in der Heimath! — vom Vater enterbt,
von ſeiner Geliebten verlaſſen, und vergeſſen von ſei-
nem Bruder, ſah er alle Ausſichten für ſein künftiges
Leben mit ſeinem Schlage zerſtört, die Hoffnung auf
das ihm zugeſicherte Glück, die ihn in allen Mühſelig-
keiten und Gefahren ermuthigte und aufrecht erhielt,
war ihm durch den Bruder entriſſen, für den er ſich
freiwillig der Verbannung hingegeben. — Mag es denn
ſo bleiben, rief er endlich mit Bitterkeit aus; ſie ſelbſt
zwingen mich, dasjenige Weſen zu werden, deſſen Na-
men ſie mir geben! — mit einem Herzen zur Liebe
und Freundſchaft geſchaffen, verdammt man mich zum
Auswürfling der. Geſellſchaſt! Die ich am meiſten liebte,
ſind mir treulos! — Bruder! Geliebte! wollte
denn keines von euch den Vaterfluch von mir abwen-
den! keines für den abweſenden Freund ſprechen! Nein!
ſie ſchwelgen in ſeinem Vermögen, unbekümmert, welch
Schickſal das ſeinige ſein möge: verderben will ich ihr
Glück, und dann meinerſeits frohlocken. —
Mit dem Vorſatze, ſeine Rechte auf das väterliche
Erbe und ſeine Anſprüche auf Suſannens Hand zu be-
hauplen, eilte er nach der Wohnung ihres Vaters.
Auf ſeinem Wege dahin fiel ihm eine Anzeige in die
beilegte) vom Vater enterbt
42
glaubwürdiger Hand kam, wieß ſie immer noch die wie
Augen, worin verkündet war, daß eine ſchöne in der
Nachbarſchaft gelegene Meierei, mit Inbegriff eines be-
trächtlichen Umfanges an Ländereien zu verkaufen und
der Beamte Grantley mit dieſem Geſchäfte beauftragt
ſei. Nach kurzer Ueberlegung beſchloß er, ſich nicht zu
erkennen zu geben und dieſen Umſtand zum ſcheinbaren
Grunde ſeines Beſuches zu benutzen.
Robert traf Grantley zu Hauſe, und nach einigen
Verhandlungen über die Zahlungsfriſten erklärte er ſich
zum Ankaufe der Meierei bereit. Nachdem dies Ge-
ſchäft beendigt war, leitete er das Geſpräch auf den
verſtorbenen Pächter Longſield, und eröffnete ihm, daß,
wie er vernommen, eine Abſchrift des letzten Willens
deſſelben bei ihm in Verwahrung läge, er ſehr wünſche,
Einſicht davon zu erhalten, weil deſſen Sohu Eduard
ihm eine beträchtliche Summe ſchuldig ſei. Ueber dieſe
Nachricht gerieth der Beamte ſicht bar in die größte Be-
ſtürzung und äußerte, daß ihm dies für ſie beide, ihn
und Eduard, höchſt betrübend ſei, indem er kurz vor-
her aus ſicherer Quelle erfahren habe, daß ein Han-
delsfreund Eduards, mit welchem dieſer in ausgedehn-
tem Handelsverkehr geſtanden, fallirt habe, und dies
den gänzlichen Ruin Eduards, der aber ſelbſt von ſei⸗—
nem Verluſte bis jetzt noch keine Kenntniß habe, un⸗—
fehlbar nach ſich ziehen würde. Robert, von dieſer
Nachricht wie vom Donner getroffen, nahm mechaniſch
das ihm zur Einſicht dargebotene Teſtament an, und
durchlas es. Er eilte darauf nach einem ihm wohlbe-
kannten Plätzchen im Garten zu, um dort ſeine Ge-
danken zu ſammeln, und den Aufruhr ſeiner ſtreiten⸗—
den Gemüthsbewegungen zu beſänftigen? Das, was er
ſo eben vernommen, hemmte jeden Gedanken an Rache
in ihm. — Sollte ſeine Gegenwart Unglück über Eduard
bringen? und konnte er ſo grauſam ſein, ihn noch elen-
der zu machen? — Er gedachte ihrer Tage der Ju-
gend, der grenzenloſen Liebe ſeines Bruders zu ihm,
und alles deſſen, was dieſer ſchon durch ihn gelitten,
— und Suſanne! konnte er ſie aufgeben? — ſelbſt die
Laube, in welcher er ſich jetzt befand, — wie oft war
ſie nicht Zeuge ihrer wechſelſeitigen Schwüre? daran
nur zu denken würde Thorheit ſein! — Er überdachte
jetzt das Teſtament ſeines Vaters. Sein Vater, nach⸗—
dem er im Eingange angeführt, daß er von der gan⸗—
zen ſtrafbaren Aufführung Roberts, die ſem Leben ver⸗—
bittert und verkürzt habe, Kenntuiß erhalten, ſetzte
hinzu: daß, wie ſehr auch das Vaterherz zur Milde ge-
neigt ſei, doch die dem Interreſſe der Geſellſchaft und
ſeinem bisher unbefleckten Namen ſchuldige Pflicht von
ihm ſtreng fordere, den Verletzer derſelben mit Enter-
bung zu beſtrafen. Ihrer Sorgfalt, mein alter Freund,
ſuhr er fort, vertraue ich dieſe Urkunde meines Wil ·
lens an; verwahren Sie dieſelbe als ein Denkmal der
Vergehungen meines Sohnes und deren Beſtrafung.
Doch, wenn je Elend oder Reue ihn wieder ſeiner Hei-
math zuführen würden, wenn je in ſeinem Herzen Reue
erwachen und ihn bewegen ſollte, ſeine begangenen Feh-
ler wieder gut zu machen, dann widerrufe ich den In ·
halt dieſer Urkunde. Ja, mein Kind! ſchrieb er, ſeineu
Sohn anredend, uuter dieſer Bedingung ſei mein Se-