ſitzthum zu zertrümmeru.
ein größeres Gewicht darauf zu legen,
niemals — mindeſtens nicht ſo, wie ſie in dieſen Schä-
deln ſtecken — realiſirt werden können, ohne die gute
alte Sitte umzuwerfen und Ordnung, Recht und Be-
Ich ſage Dir, ich erſchrecke,
wenn mir ein ſolches Geſicht begegnet, das in die Welt
hineinſieht, als es ſei es bereits Herr derſelben, und
wir haden hier dergleichen, Gott ſei es geklagt! Da
iſt Samuel ein anderer Mann, der aber auch das
Glück gehabt hat, von einem Vater erzogen worden zu
ſein, der in dieſem Punkt ganz ſo denkt wie ich. Iſt
ihm auch nur ein Wort über die Lippen gekommen,
das nicht anſtändig und beſcheiden geweſen wäre? —
Geh Du und ſorg für ein anſtändiges Nachteſſen, wenn
Du denn doch durchaus Sorgen haben willſt; ich bin
mit Samuel im Klaren. ö
Frau Stiller ließ ſich recht gern beruhigen, denn
der junge Mann hatte einen angenehmen Eindruck auf
ſie gemacht und ihre Beſorgniſſe lagen im Grunde nicht
ſo tief, daß ſie nicht mit geringer Mühe hätten geho-
ben werden können; eigentlich hatte ſie ſolche nur
geäußert, um die Freude zu haben, ſie widerlegt zu
ſehen: eine Schwäche des beſcheidenſten Herzens, dem
anerkannter Werth wohl thut.
Sybille war indeß mit ihrer Herzenslaſt in das
Gärtchen gerathen, an deſſen Gränze bereits Eduard
harrte. ö
Sie müſſen einen lieben Gaſt bekommen haben,
ſagte er nach der gewöhnlichen Begrüßung; Ihr gan-
zes Haus iſt ja in Allarm gerathen.
Das Mädchen erzählte nun, wer und woher der
Fremde ſei. ö
Herr Aſſiſtent Eduard Palmer hörte mit einem klei-
nen Anfalle von Eiferſucht, wie jener ſo reich, ſo hübſch
und ſo beſcheiden ſei; was die gute Sybille nur in der
unſchuldigen Abſicht mit einigem Nachdrucke ſagte, um
daß ſie, trotz
der anziehenden Eigenſchaften des Ankömmlings den-
noch den Herrn Aſſeſſor in Hoffnung für hübſcher und
für liebenswürdiger halte.
Sybilbe! äußerte der Verliebte mit heißer Stirne
— ich will nicht fürchten, daß Herr Samuel Klarens
eine Aenderung Ihrer Empfindungen für mich hervor-
bringen werde. Bei Gott! ich müßte verzweifeln an
den edelſten Gefühlen der Menſchheil, wenn ich mich
in Ihnen getäuſcht hätte.
Sybille verſicherte, verſprach, gelobte und beruhigte
endlich den Hitzkoͤpf, der bisher immer ſo ſanft und
zahm wie ein Lämmchen geweſen war, dem ſie es aber
gar nicht übel zu nehmen vermochte, daß er ihres Be-
ſizes wegen zum reißenden Löwen werden wollte.
Sybille! ertönte im Hauſe Margarethens klangvolle
Stimme, und die Gerufene ſtreckte zum Abſchiede ihr
Händchen durch den Zaum, das von den heißen Lip-
pen des Verſöhnten rothe Spuren davon trug.
Samuel war zurückgekehrt von ſeinem etwas langen
Spaziergange und die Familie beeiferte ſich, dem Gaſte
den Reſt des Tages ſo angenehm als möglich zu machen.
Am folgenden Morgen ſaß Herr Stiller wieder, wie
gewöhnlich, bei ſeinen Zeitungen, vergnügter, als je,
Du ſelber wohl riefeſt:
6³
als ein junger Burſche im Laden erſchien, einen Brief
anf den Tiſch legte und ſich eilends wieder entfernte.
Schappler, der umſonſt dem ſchnellfüßigen Boten
nachrief: von wem? an wen? las die auf den Prinzi-
pal lautende Adreſſe und überreichte das Sendſchreiben.
(Fortſetzung folgt.)
Genug! Genug!
— *
Wann haſt du des Bluts und der Thränen genug,
Du Furie des Krieges, getrunken?
Viel Tauſend, die grauſam dein Schwert ſchon erſchlug,
Sind ſterbend zur Erde geſunken.
Wann haſt du genug, du entſetzliches Weib,
Der Noth und des Jammers geboren?
Viel Tauſend erretteten nichts als den Leib,
Ihr Hab und ihr Gut ging verloren.
Ach wärſt du nicht blind für all' dieſe Pein,
„Halt ein! halt ein!“
Auf! laſſe dich führen zum ſtolzen Palaſt,
Tritt ein in die niedrigſte Hütte!
Allüberall Trauer als eiſiger Gaſt ö‚
In aller Familien Mitte. ö
Blick hin auſ die Mutter! Du haſt ihr den Sohn,
Die Hoffnung des Alters, entriſſen. ö
Ergötz' dich am weinenden Jammerton
Der Wittwe auf ärmlichen Kiſſen.
Ach, wärſt du empfänglich für all' dieſe Pein,
Du ſelber wohl riefeſt: „Halt ein! halt ein!“
Betrachte, Unſel'ge, den wankenden Greis,
Umnachtet von Wahnſinn für immer:
Sein blühendes Heim, erworben im Schweiß,
Liegt dampfend in Schutt und in Trümmer.
Dort flüchtet von Hunger, ach ſterbenskrank
Ein Weib durch die brennenden Gaſſen,
Den Säugling, ihr Alles, umklammert ſie bang,
Wie bald — Und Beide erblaſſen.
Ach, trügſt du im Buſen ein Herz auch von Stein,
Du müßteſt doch rufen: „Halt einl halt ein!“
Und kehrſt du zurück zum blutigen Feld,
Und präfſt du die Herzen der Streiter:
Dich glühend zu haſſen iſt einig die Welt,
Mit Grauſen nur kämpfen ſie weiter.
Inbrünſtig erfüllet nur jegliche Bruſt
Die Sehnſucht nach dauerndem Frieden,
Bald wieder zu ſehen in freudiger Luſt,
Von denen du hart ſie geſchieden. —
Ach, wärſt du nicht todt für Menſchenglück,
Du ſänkeſt für ewig in Nacht zurück.
ein größeres Gewicht darauf zu legen,
niemals — mindeſtens nicht ſo, wie ſie in dieſen Schä-
deln ſtecken — realiſirt werden können, ohne die gute
alte Sitte umzuwerfen und Ordnung, Recht und Be-
Ich ſage Dir, ich erſchrecke,
wenn mir ein ſolches Geſicht begegnet, das in die Welt
hineinſieht, als es ſei es bereits Herr derſelben, und
wir haden hier dergleichen, Gott ſei es geklagt! Da
iſt Samuel ein anderer Mann, der aber auch das
Glück gehabt hat, von einem Vater erzogen worden zu
ſein, der in dieſem Punkt ganz ſo denkt wie ich. Iſt
ihm auch nur ein Wort über die Lippen gekommen,
das nicht anſtändig und beſcheiden geweſen wäre? —
Geh Du und ſorg für ein anſtändiges Nachteſſen, wenn
Du denn doch durchaus Sorgen haben willſt; ich bin
mit Samuel im Klaren. ö
Frau Stiller ließ ſich recht gern beruhigen, denn
der junge Mann hatte einen angenehmen Eindruck auf
ſie gemacht und ihre Beſorgniſſe lagen im Grunde nicht
ſo tief, daß ſie nicht mit geringer Mühe hätten geho-
ben werden können; eigentlich hatte ſie ſolche nur
geäußert, um die Freude zu haben, ſie widerlegt zu
ſehen: eine Schwäche des beſcheidenſten Herzens, dem
anerkannter Werth wohl thut.
Sybille war indeß mit ihrer Herzenslaſt in das
Gärtchen gerathen, an deſſen Gränze bereits Eduard
harrte. ö
Sie müſſen einen lieben Gaſt bekommen haben,
ſagte er nach der gewöhnlichen Begrüßung; Ihr gan-
zes Haus iſt ja in Allarm gerathen.
Das Mädchen erzählte nun, wer und woher der
Fremde ſei. ö
Herr Aſſiſtent Eduard Palmer hörte mit einem klei-
nen Anfalle von Eiferſucht, wie jener ſo reich, ſo hübſch
und ſo beſcheiden ſei; was die gute Sybille nur in der
unſchuldigen Abſicht mit einigem Nachdrucke ſagte, um
daß ſie, trotz
der anziehenden Eigenſchaften des Ankömmlings den-
noch den Herrn Aſſeſſor in Hoffnung für hübſcher und
für liebenswürdiger halte.
Sybilbe! äußerte der Verliebte mit heißer Stirne
— ich will nicht fürchten, daß Herr Samuel Klarens
eine Aenderung Ihrer Empfindungen für mich hervor-
bringen werde. Bei Gott! ich müßte verzweifeln an
den edelſten Gefühlen der Menſchheil, wenn ich mich
in Ihnen getäuſcht hätte.
Sybille verſicherte, verſprach, gelobte und beruhigte
endlich den Hitzkoͤpf, der bisher immer ſo ſanft und
zahm wie ein Lämmchen geweſen war, dem ſie es aber
gar nicht übel zu nehmen vermochte, daß er ihres Be-
ſizes wegen zum reißenden Löwen werden wollte.
Sybille! ertönte im Hauſe Margarethens klangvolle
Stimme, und die Gerufene ſtreckte zum Abſchiede ihr
Händchen durch den Zaum, das von den heißen Lip-
pen des Verſöhnten rothe Spuren davon trug.
Samuel war zurückgekehrt von ſeinem etwas langen
Spaziergange und die Familie beeiferte ſich, dem Gaſte
den Reſt des Tages ſo angenehm als möglich zu machen.
Am folgenden Morgen ſaß Herr Stiller wieder, wie
gewöhnlich, bei ſeinen Zeitungen, vergnügter, als je,
Du ſelber wohl riefeſt:
6³
als ein junger Burſche im Laden erſchien, einen Brief
anf den Tiſch legte und ſich eilends wieder entfernte.
Schappler, der umſonſt dem ſchnellfüßigen Boten
nachrief: von wem? an wen? las die auf den Prinzi-
pal lautende Adreſſe und überreichte das Sendſchreiben.
(Fortſetzung folgt.)
Genug! Genug!
— *
Wann haſt du des Bluts und der Thränen genug,
Du Furie des Krieges, getrunken?
Viel Tauſend, die grauſam dein Schwert ſchon erſchlug,
Sind ſterbend zur Erde geſunken.
Wann haſt du genug, du entſetzliches Weib,
Der Noth und des Jammers geboren?
Viel Tauſend erretteten nichts als den Leib,
Ihr Hab und ihr Gut ging verloren.
Ach wärſt du nicht blind für all' dieſe Pein,
„Halt ein! halt ein!“
Auf! laſſe dich führen zum ſtolzen Palaſt,
Tritt ein in die niedrigſte Hütte!
Allüberall Trauer als eiſiger Gaſt ö‚
In aller Familien Mitte. ö
Blick hin auſ die Mutter! Du haſt ihr den Sohn,
Die Hoffnung des Alters, entriſſen. ö
Ergötz' dich am weinenden Jammerton
Der Wittwe auf ärmlichen Kiſſen.
Ach, wärſt du empfänglich für all' dieſe Pein,
Du ſelber wohl riefeſt: „Halt ein! halt ein!“
Betrachte, Unſel'ge, den wankenden Greis,
Umnachtet von Wahnſinn für immer:
Sein blühendes Heim, erworben im Schweiß,
Liegt dampfend in Schutt und in Trümmer.
Dort flüchtet von Hunger, ach ſterbenskrank
Ein Weib durch die brennenden Gaſſen,
Den Säugling, ihr Alles, umklammert ſie bang,
Wie bald — Und Beide erblaſſen.
Ach, trügſt du im Buſen ein Herz auch von Stein,
Du müßteſt doch rufen: „Halt einl halt ein!“
Und kehrſt du zurück zum blutigen Feld,
Und präfſt du die Herzen der Streiter:
Dich glühend zu haſſen iſt einig die Welt,
Mit Grauſen nur kämpfen ſie weiter.
Inbrünſtig erfüllet nur jegliche Bruſt
Die Sehnſucht nach dauerndem Frieden,
Bald wieder zu ſehen in freudiger Luſt,
Von denen du hart ſie geſchieden. —
Ach, wärſt du nicht todt für Menſchenglück,
Du ſänkeſt für ewig in Nacht zurück.