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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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17⁰

Woch in'd'r Lag ware. Hoffe mer, daß unſer Ger-
wer, die bei der Gelegenheit in's Kumitee gewählt
worre ſinn, die unfehlbare Schwarzwildheit bei Gele-
genheit ſo gerwe, daß ſe d'r Menſchheit mehr nitze,
wie bis dato, dann bis heit ſinn die ſchwarze Heit norr
uff d'r faule Haut gelege. Ich zweifl iwerigens nit
am Erſolg, dann mir hawe aach e „deitſch Herz“ in
dem Kumitee, deß am rechte Fleck is. wann's gilt, d'r

heilig reemiſche Cleriſei uff de Leib zu gehn. — Dem

Herr Kaplan Winterhalder, der ſich in der heilige Un-
fehlbarkeitsg'ſchicht neilich in d'r Kerch ſo vorgedhan,
haw ich awer hiermit folgendes Pingſchtfeierdägbräſend
zu mache, un zwar in G'ſchtalt vumme offene Send-
ſchreiwe, deß en eenfacher katholiſcher Laie abg'faßt, un
laut: Geehrter Herr Caplan!
Sie behaupten in Ihrer Predigt, es hätte Nieman-
den das Recht, in der Kirche Chriſti etwas zu lehren,

oder auch nur zu ſagen, der nicht direct von Gott dazu

berufen ſei, oder Sendung von Jeſu oder ſeinen Apo-
ſteln, beziehungsweiſe von den Biſchöfen, Pfarrherren,
Pfarrverweſern, Kaplänen ꝛc. habe. ö
haupte Jemand, ſolche Sendung zu haben, ſo müſſe
man ſolches beweiſen, und zwar ſo klar, daß kein ver⸗—
nünftiger Menſch mehr daran zweifeln koͤnne. Nun
verlangen Sie, geehrter Herr Caplan: Döllinger, über-
haupt alle, die ſich an der großen Bewegung dieſer
Tage betheiligen, ſollen ihre Berufung von Gott dazu
durch ein Wunder beweiſen, entweder wis Moſes, der
einen Stab in eine Schlange verwandelt, oder wie Pe-—
truͤs, einem Lahmgeborenen im Namen Jeſu geſunde
Glieder zu geben. Sie behaupten: Niemand kann ſolche
Wunder vollbringen, wenn nicht Gott mit ihm, d. h.:

wenn er nicht von Gott dazu berufen iſt. Nun deun, Herr

Caplan, liefern Sie uns vor Gott und den Menſchen
dieſen Beweis: daß Sie, die Biſchöfe oder der Papſt
im Stande ſind, ein ſolches Wunder zu vollbringen,

wie es Moſes und Petrus vollbracht haben ſollen, dann
wollen wir die in Ihrer Predigt aufgeführten Behaup-
tungen für ſolche von Gott und dem heiligen Geiſt

durchdrungenen halten, und, wie Sie, geehrteſter Herr
Caplan, verlangen, auch feſt und unbezweifelt daran glau-

ben. Andern Falls aber Sie und die oben Angeführten uns

dieſen Beweis nicht liefern, halten wir, entgegen Ihres
anmaßenden Rathſchlages: „Schuſter bleib' bei deinem

Leiſt!“ die Bäcker, Hafner, Gerber, Schneider, Schu-

ſter u. ſ. w., für eben ſo berechtigt, in Sachen der
Kirche, und über das von Ihnen angeregte Thema der
ſogenannten Unfehlbarkeit zu ſprechen und zu urthei-
len, wie Sie geehrter Herr Kaplan und Ihre Genoſ-
ſen, die da glauben: die Kirche ſei wegen Ihnen da,
und nicht wiſſen, daß nicht diel Biſchöfe und ihre Ka-
pläne die Kirche bilden, ſondern nur einzig und allein
die Gemeinde die Kirche iſt, und der Grundſatz Lud-

wigs XIV.: „Der Staat bin ich,“ welchen die Biſchöfe

und Kapläne nur zu lange ſchon ſich angemaßt haben,
heitzutage nicht mehr von den Kirchengemeinden ange-
nommen wird. ö

Sie ſagen: Be-

wiſſen Sie, mit wem Jeſu umging?

Geehrter Herr Kaplan! Sie ſprechen ferner von
einer verwerflichen Heuchelei, und ſinnenloſer Lächer-
lichkeit der Döllinger⸗Bewegung, gehen aber dabei ſo-
gleich zu der Frage über: Wer ſind die Männer der
Bewegung, welche die Adreſſe an Döllinger veranſtal⸗—

ten, und beantworten es ſogleich ſelbſten: Auf den er-

ſten Blick ſeien es Aerzte, Apotheker, Beamte, Bier-
brauer, Bürgermeiſter, Gemeinderäthe, Gerber, Haf-
ner, Hofräthe, Kreisgerichtsräthe, Profeſſoren, Schiffer
u. ſ. w. und ſagen dann weiter: Der gewaltige Theo-
loge und Hiſtoriker Döllinger müſſe ſich ſchämen,
daß ſolche Männer ſeine tiefen hiſtoriſch⸗theologiſchen
Studien lobten und anerkannten! — Mein geehrteſter
Herr Kaplan! Hierüber braucht Döllinger nicht zu
erröthen, aber ſchämen wird er ſich, wenn er hört, daß
ein ſich Diener der katholiſchen Kirche nennender, an
heiliger Stätte von der Kanzel herab, von Bierlokaken,
Eiſenbahnwaggons, von Schwindel und Buben, Hinaus-
werfen aus der Kirche, von biſſigen Hunden u. ſ. w.
ſpricht, und dann ſelbſten zugeſteht, daß ſein Schmer-
zensſchrei nur einige Lachmuskeln gerührt hat. Ja,
Herr Caplan, nicht nur Döllinger, ſondern jeder ge-
bildete Menſch muß ſich ſchämen, ſolche Kraftausdrücke
im 19. Jahrhundert von einem ſich Diener Gottes
nennenden, und an ſolcher Stätte hören zu müſſen,
und dieſes nennen Sie in gottesdienſtlicher Feier ge-
ſprochen. Es möchte ſchwer halten, zu glauben, daß
dieſes von einem geweihten Nachfolger der Apoſtel, der
dazu beſtimmt iſt, aufzuklären und Troſt zu ſpenden,
von der Kanzel herunter geſprochen wurde, wenn es
nicht Thatſache wäre. Auch die Erwähnung des Sprüch-
wortes: „Sage mir, mit wem Du umgehſt, ſo will ich
Dir ſagen, wer Du biſt!“ — Dieſe Frage an Sie ge-
richtet, dürfte in Beträcht Ihrer gebrauchten Rede-
weiſe nicht ganz zu Ihren Gunſten ausfallen. Und
Nicht mit Päp-
ſten, Biſchöfen, oder gar mit Jeſuiten und Kaplänen,
nein! ſondern mit Männern aus dem Volk: mit Hand-

werkern, Schiffern u. ſ. w. Und zu Petrus, dem Schiffer,
ſagte Jeſu, Du und Deine Nachfolger ꝛc. Damit hat

Jeſus aber das Volk und nicht die Biſchöfe von Rom
emeint, und um dieſes zu verſtehen, haben wir Ihre

Bildung nicht nöthig, überhaupt findet ſich in Ihrer

Predigt auch nicht die Spur von hiſtoriſch⸗theologiſchen

Studien, und dürfte dieſelbe höchſtens bei den Jung-—

frauen von Obergimpern Lob nnd Anerkennung finden.
Sapienti sat.

D Buchdruckerei von G. Geisendörfer
in Heidelberg (ochifzaſe
empfichlt sich in allen in dieses Geschäft einschlagenden

Arbeiten, namentlich im Druck von Visiten-, Verlobungs- und
Adress-Karten, Rechnungen, Circularen ete. ete.

Druck und Verlag von G. Geiſendörfer.
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