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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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176
Wog y/ als de r

geſchmeichelt — morgen den Syüdibaz um ihre Hand

bitten wollen. — Julie ſtand vor ihmiimtbleäädendſten
Reiz. — Sie war nun in ſeinen Mutzen, welche der
Unmuth verdüſterte, die Beſſere, ja die Liebende. Denn
— ſie war auf die unzweideutigſte Art dem jungen,
liebenswürdigen Manne, von dem erſten Tage ihrer Be-

kanntſchaft an, mehr entgegen gekommen, als die ſtren-

gen Geſetze der jungfräulichen Zurückhaltung es geſtat-
ten wollten.
Als Julie mit ihrem Begleiter fort war, fühlte
Molly ſchmerzlich, was ſie aufgegeben hatte. Allein —
jedes Opfer iſt mit Roſen begränzt, und Molly fand
die Ihrigen in dem lohnenden Bewußtſein, ihre Couſine
zufrieden geſtellt zu haben und in dem Beifall ihres
Oheims. — Dieſer rief Molly an den Sorgenſtuhl.
„Höre Molly,“ ſagte er in einem Tone, welchem ein

mildes Gefuͤhl die ſonſtige Rauheit benahm: „Du biſt

ein gutes Kind! — Ich habe heut, wie immer, Dein
Herz erkaum! — Glaube jedoch nur, daß es ſeinen
Lohn finden werde! Schwer habe ich mich darüber ge-
ärgert, daß Julie ein Vergnügen annehmen konnte,
welches nur durch Deine Entbehrung moͤglich ward;
doch Du, meine Tochter, biſt im Vortheil. — Juliens
Freude verblüht mit dem Genuß; die Deinige blüht

unverwelklich, und noch ſpät wird Dich die Erinnerung

an dieſen Maskenball befriedigen.“ — Molly küßte
dankbar die liebkoſende Hand des Alten und entfernte

ſich jetzt, weil dieſer noch ein Geſchäft beendigen wollte.

as kleine Stübchen, welches Molly bewohnte, war

auf ebener Erde. Das einzige, aber große Fenſter deſ-

ſelben ging auf die Straße, die der Umſtand, daß der

berühmteſte Gaſthof der Stadt ihren Anfang bildete,

vorzüglich belebt machte. — Ehe Molly ſich entkleidete,

trat ſte einige Minuten ans Fenſter und ſah, in tiefes

Sinnen verloren, auf der hell erleuchteten Straße das
Treiben und Drängen der Menſchen, die der ſtille Abend
vergebens zur Ruhe einlud, weil ſie lieber dem lauten.

Rufe der Luſt folgten. — Vier wilde, vor einem ho-

hen, feſtverſchloſſenen Wagen langgeſpannte Pferde
brauſten jetzt die Straße herauf. Ihnen entgegen rollte
flugſchnell ein anderer Wagen.
ſcheuten und bäumten auf die Seite; der Kutſcher

lenkte, mehr übereilt, als geſchickt, durch eine gewalt-
ſame Wendung ein, und der Wagen ſtürzte mit lantem
Gekrach vor Mollys Fenſter darnieder. — Fürchterlich
klirrten die zertrümmerten Glasſcheiben des Wagens;

die kräftige Stimme eines zürnenden Mannes übertönte
das Fluchen des Kutſchers.
Frauenzimmer regungslos auf der Erde liegend wahr-

zunehmen, und ohne an ihren Anzug zu denken, eilte
die Halbſchweizerin zur Hausthüre hinaus. — Sie fand
einen jungen Mann, von ſchlanker, ſchöner Geſtalt, be-
müht, mit der höchſten Kraftanſtrengung ein, wie es
ſchien, ohnmächtiges weibliches Weſen unter dem Wa-

gen hervor und dieſen in die Höhe zu heben. — Molly
ſprang helfend hinzu. Sie hielt die Dame, deren
Schleier in Blut getaucht war, und der junge Mann,
jetzt ſeiner beiden Hände mächtig, richtete nun ſchnell
den Wagen auf. — „Hier hinein, in dies Haus!“ rief
N

Die Pferde des erſten

Jetzt glaubte Molly ein

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uuv, Kls ver pauze Mann die Bhpähiloſe auf ſeine
Rie Rahm undiſich 1433 ernem Zuluchksbrte um ſah.
ſöffnete ihr kleines Zimmer, man egte die Dame
däs ſchneeweiße Mädchenlager, und Molly lüftete
mit heftig zitternder Hand den blutigen Schleier. —
Da leuchtete ihr das wachs⸗bleiche Geſicht eines ſchla-
fenden Engels entgegen. Eine tiefe Stirnwunde ünd
kleinere Wunden um Wangen und Mund,‚ bildeten die
Schläferin zur Märtyrerin. — Molly — ob zwar in

allen Tiefen des zarten verletzbaren Herzens erſchüt-

tert — leiſtete mit Beſonnenheit und Faſſung der Un-
glücklichen alle nur mögliche Hülfe. Sie rieb mit köl-
niſchem Waſſer fortgeſetzt Schläfe Und Pulſe und nach
einiger Zeit zeigte ſich ihren ſtarr hetrachtenden Blicken
der erſte Schimmer des wiederkehrenden Lebens auf
dem Geſichte der Kranken. Molly verdoppelte ihre
Bemühungen, und es öffneten ſich ein Paar ſchöne
braune Augen, erſtaunt und fragend auf die nächſten
Umgebungen blickend. — Mollys Lippen entglitt ein

Freudenlaut; der junge Mann küßte weinend die Hände

der Erwachten, indem er auscief: „Gott ſei geprieſen!
Nun hole ich den Arzt und Wundarzt. Si ruhig, lie-
bes Guſichen! Du befindeſt Dich in dem Schutz eines

Engels!“ — Bei dieſen Worten eilte er vön danne n.

Behutſam und ſchonend fing nun Molly an, zu der
Kranken zu ſprechen. Dieſe drückte der holden Tröſte-
rin innig die Hand und klagte, daß ſie heftige Schmer-
zen an der Stirne fühle, um welche Melly einén leich-
ten Verband gelegt hatte. — Jert erſchien der jinnge

Mann mit dem Anzt, bald darauf kam der Wundarzt.

Dieſer unterſuchte die Wunden, fand ſie ziemlich unbe-
deutend und verband ſie. Der Arzt hingezgen meinte,
der heftige Schreck, verbunden mit der Wirkung der
äußern Verletzungen auf die innere, ſehr zarte Organi-
ſation der Dame, würde ein Wundfieber zur Folge ha-
ben, welches auch bereits im Anzuge ſei. An einen
Transport der Kranken ſei daher in dieſer rauhen,

naßkalten Witterung, ohne die größte Gefahr, nicht ů

denken, und wenn das Fräulein (hier wandte er ſich
zu Molly) ſich bereit finden laſſe, ihr Stübchen auf ei-
nige Tage abzutreten, ſo ſtehe er für dir Einwilligung
des Hausbeſitzers, deſſen alter Freund er ſich nannte
(Fortſetzung folzt.)

Beethoven's Mahl.
Nach dem Franzöſiſchen des Jules Jan in, von F. Damanee.
(cScluß.)
Beethoven war bekanntlich taub, hörte mich alſo
nicht. Ich nahm daher ein Stück Papier und ſchrieb

darauf:

„Ein Pariſer bringt Ihnen warmen Kalbsbraten

und Rheinwein, ſetzen wir uns zu Tiſche. Jules Junin

und reichte ihm das Blatt hin. Er las noch mehrere
Inſekten von der Nelke ab und las dann das Billet.
 
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