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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44617#0187

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AIn großen Gebauern eine Anzahl ſolcher Tauben mit;
dieſelben wurden an verſchiedene Ortſchaften vertheilt,
daſelbſt mit Nachrichten verſehen und in Freiheit ge-
ſetzt, worauf ſie dann eiligſt in ihr Heimathhaus zu-
rückkehrten. Dem Züchtigungs Gebäude gegenüber be-
findet ſich in dem Garten Capiers ein Pavillon, der zu
einer Art Obſervatorium eingerichtet wurde für einen
Poſt-Beamten, welcher die jedesmalige Rückkehr einer
Brieftaube zu beobachten und zu melden hatte. Die
Oeffnung, durch welche die zurückkehrende Taube in ihr
Haus hineingelangt, iſt mit einer mechaniſchen Vorrich-
tung verſehen, welche das Wiederausfliegen verwehrt.
Uebrigens pflegen die Thiere nach ihrer Rückkehr auch
ſo ermüdet zu ſein, daß ſie zunächſt ihr Neſt auſſuchen,
welches ſie vor einigen Tagen verlaſſen haben, und für
eini, Fd unbeweglich in demſelben verharren.
Sobald nun die Ankunft einer Taube durch den
Poſtbeamten gemeldet war. unterſuchte und notirte man
zunächſt den Stempel ihres Ausgangsortes, der gewöhn-
lich auf einer ihrer Fadern gedruckt war, und nahm ihr
die Depeſche ab. Dieſe war meiſtentheils in einer Fe-
derpoſe verborgen, letztere an der Mittelfeder ihres
Schwanzes befeſtigt, welche die einzige iſt, die beim
Fluge der Taube nicht in Bewegung geſetzt wird. Die
von den meiſten Zeitungen aufgeſtellte Behauptung, daß
man den Brieftauben die Depeſchen um den Hals oder
unter die Flügel binde, entbehrt durchaus der Begrün-
dung. Eher noch, wenn auch äußerſt ſelten, bediente
man ſich des Verfahrens, die Depeſche um ein Bein
der Taube zu wickeln und daſelbſt zu befeſtigen.
In der erſten Zeit der Belagerung meldete man
durch die Brieftauben weiter nichts, als die glückliche
Ankunft eines Luftballons uud den Ort derſelben nach
Paris. Bald aber ging man weiter urd verſuchte auf

dieſe Weiſe die Depeſchen der Regierungsabtheilung zu

Tours, in mikroskopiſchen Buchſtaben photographirt,
nach Paris gelangen zu laſſen. Ferner kam man auf
den Gedanken, in gleicher Weiſe auch Privatdepeſchen
zu befördern. Nachdem der Poſtdirektor zu Paris ſich

mit dem berühmten Photographen Dagron verſtändigt

hatte, welchem es gelungen war, eine ganze Seite des
Journals offiziel auf einem Raum von einem Sechs-
tel Zoll im Geviert zu photographiren, machte er in
Paris bekannt, daß man an Freunde außerhalb der
belagerten Stadt Briefe und Fragen mittelſt Luftbal-
lons ſenden und durch' die Taubenpoſt Antwort erhal-
ten könne. Zu dieſem Zwecke wurde gegen Vergütung
eines Sou dem abdgehenden Briefe von dem Pariſer
Poſtamt eine Karte beigelegt, auf welche der Adreſſat
die gewünſchten Antworten — natürlich in kürzeſter
Faſſung — ferner die Adreſſe der betreffenden Perſon
in Paris, ſowie ſeinen Namen und Wohnort zu ſchrei-
ben hatte. Mit einem Stempel von einem Franken
verſehen, wurde die Karte dann an den nächſten Ort
geſandt, von dem eine Taubenpoſt abging. Hier ſam-
melte man die eingehenden Karten, übertrug ihren In-
halt ſorgfältig auf ein Blatt Papier und ließ dieſes
nun auf photographiſchem Wege verkleinern, derart,
daß etwa zehntauſend Depeſchen nicht mehr als den

nach Paris durch eine deutſche Kugel getödtet.

Raum einer Handfläche einnahmen. Sehr bald kam
man auf die Verbeſſerung, die Depeſchen zuerſt drucken
und dann photographiren zu laſſen, wodurch man ſie
noch mehr verkleinern konnte und noch deutlicher er-
hielt. Ein ſolcher Taubenbrief hatte gewöhnlich die
Größe von 1½ Zoll Länge und 1¼ Zoll Breite und
war wie eine Zeitung in drei Kolumnen getheilt. Glück-
lich in Paris angelangt, wurde der Brief mittelſt ei-
nes ſtarken Vergrößerungsglaſes geleſen, jede Depeſche
auf eine Karte geſchrieben und dem Adreſſaten über“
bracht. Auf dieſelbe Weiſe ſandte man auch Poſtan-
weiſungen bis zum Betrage von 300 Franken und pv-
tographiſche Abzüge der in Tours ausgegebenen ant-
lichen Zeitungen nach Paris.
Im Januar des Jahres 1871 ſollen circa vierzehn-
hundert Stück dieſer luftigen Poſthoten für Paris thä-
tig geweſen, und je nach ihrer Schnellkraft mit 40 bis
70 Thalern bezahlt worden ſein. Man nimmt an, daß
eine gut gezogene Brieftaube durchſchnittlich 1000 bis
1200 Metres in der Minute zurücklegen kann, voraus-
geſetzt, daß ſie nicht durch zu ſcharfe Luftſtrömungen
gehindert wird. Am günſtigſten für ſie iſt der Süd-
weſtwind mit feuchter Luft, während ſie dei Oſt⸗ und
Nordwind großen Durſt leidet und ermattet. Man er-
zählt Fälle, daß eine Taube in einem Tage von St.
Sebaſtian nach Lüttich, und von Toulouſe nach Brüſſel
geflogen ſei. Die echte Brieſtaube zeichnet ſich nicht ge-
rade durch körperliche Schönheit aus. Sie iſt gewöhn-
lich dunkelbraun oder ſchwarz, durch einen langen, gra-
den Schnabel gekennzeichnet, deſſen Wurzel eine ſlei-

ſchige Maſſe umgiebt.

Wie es unter den Beamten des Menſchengeſchlech-
tes zu geſchehen pflegt, ſo hatten auch einige der gefie-
derten Poſtboten durch beſonders wichtige Dienſtleiſtun-
gen eine gewiſſe Berühmtheit erlangt. So war ven
den Pariſern beſonders hochgeſchätzt jene Taube, welche
unter anderen die Nachricht von der glücklich abgelau-
fenen Luftflucht Gambetta's nach Paris brachte und
welche bei verſchiedenen Wettflügen ſtets den Preis ge-
wonnen. Leider wurde ſie bei einem Fluge von 0 10
ie
franzöſiſchen Zeitungen, welche den Pariſern dieſen

Trauerfall mitheilten, behaupteten ganz ernſthaft, daß

dieſes edle, im Dienſt des Vaterlandes gefallene Thier
noch in ſeinem letzten Augenblicke die ihm anvertraute
Depeſche verſchluckt habe, damit ſie nicht in die Hände
der Feinde komme! — —

Die Buchdruckerei von G. Geisendörfer
in Heidelberg (Schiffgaſſe H
empflehlt sich in allen in dieses Geschäft einschlagenden

Arbeiten, namentlich im Druck von Visiten-, Verlobungs- und

Adress-Karten, Rechnungen, Cirularen ete. Steew.
 
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