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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 44 - Nr. 51 (3. Juni - 28. Juni)
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ſahen überraſcht auf den Angeredeten. — Nicht das
Mindeſte, war die trockene Antwort. — Nnn denn,
verſetzte der Graf aufgeregt, wenn es Ihnen beliebt.
Signor, ſo wählen Sie einen andern Platz und ein an-
deres Ziel ihrer Blicke. — Warum das? — fragte der
Fremde kalt. — Weil mir Ihr Blick unangenehm iſt,

— ſagte der Graf, noch aufgeregter durch die trockene

Kälte des Italieners. — Das thut mir leid, — ent-
gegnete die tonloſe, etwas heiſere Stimme, aber der
Fremde blieb unverrückt, den Blick auf den Grafen ge-
richtet. — Alle Anweſenden waren äußerſt geſpannt,
wo das hinaus wolle. Signor! — rief der Graf mit
flammenden Augen. und ſprang von ſeinem Sitze auf
—, ich muß Sie bitten, ſich zu entfernen, weil Sie,
wie ich ſehe — fügte er ſpöttiſch hinzu — am Spiele
keinen Antheil nehmen und es nur ſtören. — Bedarf
es einer weiteren Erklärung, ſo ſteht ſie Ihnen mor-
gen zu Dienſten oder wann Sie wollen. — Ich werde
Sie erwarten. — verſetzte der Fremde — und will Sie
jetzt, Herr Graf, in Ihrem Glücke nicht ſtören. Er
wandte ſich mit ruhiger Haltung dem Ausgange zu.
Sein Anſtand zeigte den Mann von Welt, ſein Geſicht
ein zerriſſenes Gemüth. Alle machten ihm unwillkühr-
lich Platz, als er durch ſie gemeſſen hinſchritt, den
Mantel kühn über die Schulter werfend, und blickten

ihm verwundert nach, auch der Graf, den es faſt ge-

reuen wollte, einen Unbekannten ſo verletzt zu haben,
den er und der ihn wahrſcheinlich zum erſtenmale ge-
ſehen hatte und deſſen Blick ihm vielleicht nur in der
innern Aufregung verletzter Eitelkeit als Spott über
ſein Spielunglück erſcheinen konnte. Er erkundigte ſich,
ob Jemand der Anweſenden den Mann kenne; aber
Niemand wollte ihn geſehen haben.
Verzeihung, ſagte der Graf mit leichtem Anſtande
zu den Bankier, und deu übrigen Spielern, daß ich
ſchuld an dieſer Störung bin; beliebt es, ſo machen
wir unſer Spiel, und er ordnete das Seine mit einer
Unbefangenheit, als ob nichts vorgefallen wäre, und
um jeden Argwohn, als ob ihn etwa das bevorſtehende
Zuſammentreffen mit dem unheimlichen Fremden ir-
gend beunruhige, zu entfernen, ſuchte er ſich wieder
ganz in das Spiel zu vertiefen, und ſiehe, mit gewohn-
tem Glück, ſo daß er ſeinen Verluſt bald wieder ein-
brachte. Er verließ den Spieltiſch ziemlich ſpät, ſou-

pirte noch heiter mit einigen Freunden, und zog ſich

dann in ſeine Wohnung zurück. Hier wurde ihm ein
ſagte in italieniſcher Sprache eingehändigt, welches be-
agte:
„Herr Graf!
„Sie werden die Gefälligkeit haben, ſich morgen um
fünf Uhr auf der Gränze bei Schloß Eich am Felſen
mit beliebiger Begleitung einzufinden, wo Sie mit Pi-
ſtolen der Mann erwartet, deſſen Blick Ihnen heute ſo
ſeinn war. Möge er Ihnen morgen angenehm
ein.“
Er reichte das Blatt gleichgültig ſeinem Kavaliere.
Wir haben morgen einen Frühritt, ſagte er, Du wirſt
mich doch begleiten, Hippolyt? — Gern, erwiederte
dieſer, aber.

Jetzt entkleide mich.

nichts erſehen. — Ja ſo! verſehte der Graf, laut auf-
lachend, verzeih', Hippolpt, ich hatte vergeſſen, daß Du

kein italieniſch verſtehſt. Nun der Siggor Italiano,
den ich heute vom Spieltiſch fortſchickte, wünſcht ſich
mit mir auf Piſtolen in Eich zu beſprechen. Jean,
ſagte er zu ſeinem Kammerdiener, einem Franzoſen,
ſieh' nach meinen Piſtolen, daß ſie in Ordnung ſind,
und halte Dich mit den Pferden um vier Uhr bereit.
Sein Begleiter, dem ſolch' ein
Abenteuer nichts Neues war, und der das gegenwär-
tige erwartet hatte, entfernte ſich mit dem Verſprechen,
daß Alles zur Stunde bereit ſein ſolle. —
Als der Graf den Kammerdiener unter Wiederho-
lung ſeiner Befehle entlaſſen hatte, war er, ſich gegen-
über, nicht gerade die heiterſte Geſellſchaft. Eine äu-
ßerſt unbehagliche Stimmung hatte ſich ſeiner bemäch-
tigt. — Wer iſt der ſeltſame Menſch, fragte er ſich,
deſſen durchdringender Blick dein Glück verſcheuchte und
den du ſo unzart dies entgelten ließeſt? Vielleicht ein
Unglücklicher, der dich Summen vergeuden ſah, die ihn
aus ſtarker Verzweiflung, denn dieſe lag in ſeinem Ge-
ſichte, reiten konnten. Es war vielleicht die Bitterkeit
über ſein Schickſal, die du für Spott über dich nahmſt.
— Er öffnete die Chatoulle, in welcher das im Spiel
gewonnene Gold lag, lange blickte er ſtarr darauf hin,
ſchlug dann den Deckel zu, ruhig, wie nach einem feſt
gefaßten Entſchluß, legte ſich nieder und löſchte die
Lichter. Er ſchlief bald ſanft und feſt.
Gegen vier Uhr trat der Kammerdiener ein und
weckte ihn, und bald befand er ſich mit ſeinem Beglei-
ter und dem Kammerdiener auf dem Wege nach Eich.
Der Morgen war ſchön und der Graf unterhielt ſich
munter mit ſeinem Begleiter. Als er an dem Platze
anlangte, fand er hier bereits ſeinen Gegner in den
Mantel gehüllt, mit dem tief in's Geſicht gedrückten
Hut, in Geſellſchaft eins dem Grafen bekannten fran-
zöſiſchen Offiziers. Der Graf ſprang vom Pferde, der
Fremde ſchlug den Mantel zurück, und es wurden ein

Paar Piſtolen ſichtbar. Mit freiem Anſtande trat der

Graf auf ihn zu, während ſein Begleiter mit dem
Kammerdiener, der nach den Schlößern der Piſtolen
ſeines Herrn ſah, zurückblieb. Sie haben ein Recht,
Signor, ſagte er zum Fremden, der ſeinen Gruß kalt
erwiederte, wer Sie auch ſein mögen, denn ich erinnere
mich nicht, Sie außer vorgeſtern jemals geſehen zu ha-
ben. — Niemals! erwiederte der Fremde trocken, und
dürften wir uns auch wohl ſchwerlich jemals wieder
ſehen, ſügte er mit heißerer, faſt unterdrückter Stimme
hinzu. — Ohne ſich abſchrecken zu laſſen, fuhr der
Graf fort: Sie haben ein Recht, von mir eine Erklä-
rung meines geſtrigen Betragens gegen Sie zu erwar-
ten. — Eine Erklärung? die erwarte ich nicht. —
Aber Genugthuung, entgegnete der Graf, und dieſe
Ihnen zu geben, ſehen Sie mich hier. Doch bin ich
mir ſelbſt die größere Genugthuung ſchuldig, Ihnen
zu erklären, daß ich mein übereiltes Vetragen gegen
Sie, den Unbekannten, höchlich bereue und nur gegen
mich ſelbſt einigermaßen mit der Aufregung entſchuldi ⸗

. . wohin? Aus dem Zettel kann ich gen kann, in welche mich — nicht der unbedeutende
 
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