Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

DOI Kapitel:
Nr. 52 - Nr. 60 (1. Juli - 29. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44617#0237

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 59.

Mittwoch, den 26. Juli 1871.4.

Eeſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4

und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Roſe und das Schaffot.
(Sn

Grauſamer! machſt Du Dir mein Glück
wurfe? ö ö
Blanka! ſechs Tage und dann der entſetzliche Ruf,
den Du eben vernahmſt. ö
Gott meines Herzens und meiner Gedanken, theu-
rer noch hätt' ich das Glück bezahlt, Dir anzugehören.
Laß mich reiſen, ich will die Bürgſchaft holen, die
es bewahren wird.
Bewahren willſt Du es und mich verlaſſen? ſagte
Blanka, Marceau umſchlingend mit ihren ſchönen Ar-
opfei ſonderbar, die Gegenwart einer unſichern Zukuuft
op ern
Hier hallte ein leichter Schritt, und das Rauſchen
eines ſeidenen Gewandes im Korridor wieder. Das
Fräulein von Saint-Urbain ward abgeführt.
Hörſt Du, Blanka? rief der General, ſich mit Ge-
walt aus den Armen der zärtlichen Vendeerin reißend;
Deine unglückliche Nachbaxin wandelt dem unerbittli-
chen Tribunal zu, deſſen Urtheilsſpruch dem unglückli-
chen Beklagten kein Morgeu übrig läßt. Lebe wohl,
Theure; ich eile, Dich zu retten. Und einen letzten
Kuß auf die Lippen Blankas drückend, erſtickte er nur
unvollkommen die Worte: leb' wohl, mein Geliebter,
für immer. ö
Auf ein verabredetes Zeichen öffnete ein Schließer
den Kerker vor dem General der Weſtarmeen, der vier
ſelige Stunden in der Gefangenſchaft hier zugebracht
hatte. Blanka horchte geſpannt auf den ſich mindern-
den Schall ſeiner Schritte, mit denen auch ihr Glück
und ihre Hoffnungen ſchwanden. Bald umgab die
junge Gattin Einſamkeit und Grabesſtille. Bei Fackel-
ſchein ward um dieſelbe Stunde ihre zweite Nachbarin,
das Fräulein von Saint-⸗Urbain, guillotinirt.
Robespierre bewilligte die Begnadigung Blan-
kas von Beaulieu auf der Stelle und ließ ſie vor al-
len andern Sachen ausſertigen. ö
Bürger⸗General, — ſagte er zu Marceau; das Va-
terland hat Dir nichts zu verſagen und dankt Dir zu
viel, um geizig gegen Dich zu ſein, zumal, wenn Du
im Namen der Menfchlichkeit bitteſt. Man mißbraucht
ſie dermalen eben nicht du ö
Und das iſt ein großes Unglück, Bürger⸗Repräſen-

zum Vor-

tant, verſetzte Marceau mit einer Wärme, die er nicht
meiſtern konnte. ö
Gewiß, Bürger; ich bin auch Deiner Meinung,
aber ich rathe Dir, ſie nicht an andern Orten verlau-
ten zu laſſen. Vielleicht kommt bald die Zeit.
Robespierre hielt inne; uach einer Pauſe fuhr er fort:
Bürger Marceau. ich, d. h. das Vaterland, rechne auf
Dich. ö —
Es hat keinen eifrigern Vertheidiger, Bürger⸗Re-
präſentant, und wenn meine Talente ...
Deine Talente, General, ſchätze ich, und ich, d. h.
das Vaterland, hoffe, ſie auf einem Schauplatze ver-
wenden zu können, wo ſie Dir beſſeren Lohn tragen.
Mein Blut iſt ſein. ö —
Reiſe ab, General, kehre zurück nach Nantes; Car-
riers Verſprecheen. ö
Darf ich nicht darauf bauen?
Das will ich nicht ſagen, allein laß keine Minute
über den von ihm geſtellten Zeitpunkt verſtreichen.
Lebe wohl, Bürger, ſagte der verliebte Marceau,
die Hand von Blankas Retter herzlich ſchüttelnd; —
nimmer vergeß ich, welchen Dienſt Du mir heute ge-
leiſtet haſt. —
Auch ich nicht, General Marceau; es wird mir im-
mer höchſt angenehm ſein, mir einen braven und treuen
Republikaner verpflichtet zu haben. ö *
Ein Poſtklepper harrte des Generals; er ſchwang
ſich in den Sattel, der vierte Tag von Carriers gege-
bener Friſt ging zu Ende und er hatte grade noch Zeit
zur Rückkehr nach Nantes uud einige Stunden übrig.
Wer damals mit Gold zahlte in Frankreich, brauchte
nicht lange auf Erfüllung ſeiner Wünſche zu warten,
und ſo kam denn Marceau ohne Aufenthalt bis zwan-
zig Stunden von Nantes, wo plötzlich keine Pferde zu
haben waren; alles Zugvieh iſt zum Transport der
Munition für die Armee in Beſchlag genommen wor⸗-
den, erwiederte man auf ſein Begehr. Marceau war
in Verzweiflung. Er ſah immer fort auſf ſeine Uhr,
ſtimmte in die Verwünſchungen anderer Reiſenden ein,
welche ebenfalls aufgehalten wurden, nnd ſah mit
Schrecken, daß die zwei Stunden verſtrichen waren, die
er über ſeine Zeit hatte. Jetzt war kein Augenblick
zu verlieren. Da nahte eine Staubwolke von Nantes
her, Helme blitzten; Reiler! rief der General jubelnd
und ſprang ihnen entgegen. Es, war ein Detaſchement
vom achten Dragonerregiment, ſein Befehlshaber er-

kannte ſogleich- den Obergeneral, der ihm ſeine Lage
kurz auseinanderſetzte. Im Nu waren die drei beſten
 
Annotationen