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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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268

für die drei anderen ſchon gute Ausſichten habe. Die
Heirath meiner Thereſia iſt auf gutem Wege. Mit ih-⸗
rer armen Couſine geht es ſehr ſchlecht; die Aerzte ge-
ben ihr nicht vierzehn Tage Friſt. ö ö
Ihre Couſine, ach! ach! aber ich begreife nicht
echt was der Tod dieſer Dame damit gemein haben
annl ö
Ah! Madame Deschamps, da ſieht man recht, daß
Sie keine Familie haben! Daran alſo denken Sie
nicht, daß, wenn die Couſine nicht mehr da iſt, doch
noch ein Wittwer, ein jungee, reicher und überdies
kinderloſer Wittwer da iſt; daß meine Thereſia mit
ihm weinen und daß er ſich mit ihr tröſten wird.
Glauben Sie denn, daß ich das arme Kind während
der Badezeit um weiter nichts auf's Land geſchickt ha-
ben werde, als daß ſie Krankenwärterin bei ihrer Cou-
ſine werden ſoll? Nein, Madame Deschamps, nein;
das iſt ein ſicheres, ein einträgliches Geſchäft. Aber
laſſen Sle uns auf Juliette zurückkommen: dieſes Kind
iſt mein Liebling, ſie iſt die hübſcheſte und liebenswür-
digſte unter den vieren, und deßhalb beſtimme ich ſie
für unſern Milliönär. ö ö ö
Gott gebe, liebe Nachbarin, daß Alles gelingt! Aber
wie heißt denn dieſer Herr? ö
Emil Raymond. Hören Sie dieſes Briefchen, das
mir Frau von Arnaud ſchreibt und das ich Ihnen mit-
theilen ſoll, hören Sie:

„Paris, den 10. Juni 18.
Verehrteſte Freundin! ö

Erlauben Sie mir, Ihnen, ſo wie der trefflichen
Madame Deschamps, deren liebevolle Pflege ich nie⸗—

mals dergeſſen werde, einen jungen Mann empfehlen
zu dürfen, dem man den Gebrauch Ihrer Mineral⸗—
quellen angerathen hat. Dieſer Mann iſt Herr Emil
Raymond, deſſen Name ſchon ſo berühmt iſt, daß er
Ihnen nicht unbekannt ſein kann; er will zum wenig-

ſten einen Monat in Vourbon bleiben und wird höchſt

wahrſcheinlich den 15. Abends eintreffen. Haben Sie
die Güte, ihm nach beſten Kräften zu ſeiner Einrich-—
tung behülflich zu ſein und nehmen Sie, Verehrteſte,
die Verſicherung meiner größten Ergebenheit.“

Gut, ſagte Madame Deschamps; aber wer ſagt
uns denn, daß dieſer Herr Emil Raymond der Sohn
eines Millionärs iſt? ö

Ich ſage das, erwiederte Madame Firmin lebhaft;

hören Sie nur und unterbrechen Sie mich nicht wei-
ter. Als ich letzten Winter in Paris bei meiner Cou-
ſine Lebas war, ſie wohnt rue Charlot, an Marais,
da ſprach man in dem ganzen Stadtviertel von nichts
weiter, als den Bällen bei Herrn Raymond, dem be-
rühmten Banquier, dem Millionär. Ich ſollte eine
Einladung für mich und meine Juliette erhalten, als
uns eben unſere dummen Geſchäfte wieder nach Hauſe
zurückriefen. Es kann nicht fehlen! Dieſer, der in
die Bäder kommt, iſt der eigene Sohn jenes Herrn
Raymond. Die Sache ſpringt in die Augen, ein be-
rühmter Name, ein Name, der uns nicht unbe-

geringſte Zweifel ſtatt finden kann.

reiten, ihr die Parole geben.

kannt ſein kann: überlegen Sie nur dieſe Ausdrücke,

liebe Nachbarin, und urtheilen Sie ſeibſt, ob auch der
Madäme Deschamps machte
dem Kopfe und ſetzte hinzu:
freuen,

eine Bewegung mit
Es ſoll mich unendlich
wenn Juliette eine große Dame wird; vor der

Hand hätten wir wenigſtens einen paſſenden Mieths-

mann für mein Haus. ö ö
Und der Kuppelpelz, fügte Madame Firmin hinzu,
wird Ihnen auch nicht entgehen. ö *
Ach! pfui doch, liebe Nachbarin; glauben Sie nicht,
daß Eigennutz. ö ö
Mein Gott, wie das, Sie, Madame
beſte, die großmüthigſte Freundin? — ö
Bei dieſem Komplimente zuckte es der alten Dame
in den Augenbraunen; unter dem Worte großmü-

Deschamps, die

'thig ſchien ihr eine Schlinge verborgen zu liegen. Sie

beruhigte ſich indeſſen vollkommen, als ihre Nachbarin
hinzugefügt hatte: Doch jetzt muß ich Sie verlaſſen,
ich habe ſehr nothwendig und muß Julietten vorbe-
Laſſen Sie uns daher
darin übereinkommen, was wir zunächſt zu thun ha-
ben: erſtens müſſen Sie Herrn Emil Raymond freund-
lich empfangen; zweitens müſſen Sie ihn Morgen
bei ſich zu Mittag einladen, und jedes Zuſammentref-
fen mit der großen Conſtanze verhindern, die mir im-
mer auf den Ferſen iſt, wenn ich meine Töchter pro-

duciren will. ö

Gut, gut das, ich verſtehe, unterbrach Madame

Deschamps; aber das Diner, iſt das ſo nothwendig?

Abſolut nothwendig; das beſte Mittel iſt, das erſte
Zuſammentreffen zu beſchleunigen. Sie haben dann
ferner meine Tochter und mich, den Abbé Barbeau,
der bei Tiſche ſtumm iſt, wie ein Fiſch, den man aber
ſtreicheln muß, damit er uns nicht verräth, und end-
lich Madame Audriet, die halb ſtumm und dreiviertel
blind iſt. ö
Aber worgen, Nachbarin, ein Diner morgen! wo
denken Sie hin? Ich habe nichts bereit und Sie wiſ-
Ta⸗ wie ich ſo etwas gern einrichte. Ich brauche acht
age. ö —....
Acht Tage? ach, mein Himmel, dann wäre es um
unſern Plan geſchehen. Wenn wir uns nicht dazu
halten, ſo kommt Jemand Anders, Madame Deschamps
und dann, adieu Kuppelpelz. Die Mutter Conſtanzens
iſt pfiffig und ſtets auſ der Lauer. Ihr kommt es auf
die gemeinſten Ränke nicht an, daher iſt keine Zeit zu
verlieren; wenn Sie wollen, ein fettes Huhn, einen
Lendenbraten und ein halbes Dutzend Deſſertteller kann
ich Ihnen borgen. ö — ——
Schönen Dank, ſchönen Dank, Nachbarin, ſagte Ma-⸗

dame Deschamps etwas gereizt, ich werde wohl Mit-

tel finden, Alles zur Ehre meines Hauſes einzurichten.
So leben Sie denn wohl, ich werde am Fenſter auf

die Ankunft des Zukünftigen lauern.

Hierauf erhob ſich Madame Firmin und wollte ge-
hen, aber die Freundin hielt ſie zurück und ſagte zu
ihr: Glauben Sie, daß man in Paris über den Preis
meiner Zimmer geſprochen hat? ö
 
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