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E Anektodche vun
d'r Molkekur, die
nit iwl' is, Män-
ner! Baßt uff. Uff
d'r Molkekur brä-
ſendirt d'r Kellner
de Fremde, die nuff
kumme, e Schtick
roth Fenſchterglas,
wodurch eem die
ganz Gegend imme
Feiermeer vor⸗-
kummt. No, ma
kann ſchun emool
durchgucke. Die
Idee is ſo viel
werth. Awer drei
Batze dafor auszu-
gewe, kummt ma
doch e biſſl zu feie ⸗
rig vor. Wann die
bedreffende Fremde
nämlich, die durch
deß roth Glas ge-
guckt hawe, ihr
Rechnung verlange,
ſieht d'r erſchtaunte
Fremde unner an⸗ — —
neren aah folgende Poſchte: „Durch das rothe Glas —
12 kr.!“ — Deß Ding hott awer neilich en Ruſſ, der
den Genuß for drei Batze g'hatt hott, letz verſchtanne.
Deß heeßt: die drei Batze hawenen gekrippt un er hott
ſich uff folgendi Art zu rewanſchire g'ſucht. Er is
nämlich nochemool uff die Molkekur gange. Mein Herr
Kellner, der'n wahrſcheinlich nit widder gekennt hott,
bräſendirt'em widder ſein Schtick roth Fenſchterglas,
als wär's d'r g'fälligſchte Menſch vun d'r Welt, der
Jedem, der uff die Molkekur kummt, e Vergniege mache
will. Mein Ruſſ, dodruff vorbereit, guckt aah werk-
lich nochemool durch deß roth Glas, ziehgt awer, wie'r
fertig war, uff eenmool e bloo Glas aus'm Sack un
ſegt: Soodele, Herr Kellner, jetzt betrachten Se ſich die
Gegend aah emool in Bloo! — d'r Herr Kellner guckt
aah durch, gibt dankend dem Ruſſ ſein bloo Glas zu-
rick, un denkt natierlich weiter nix zu der Heeflichkeit,
uff Gegeſeitigkeit. — Ball druff verlangt mein Ruſſ
ſein Rechnung un find widder de Poſchte druff: „Durch
das rothe Glas — 12 kr. — Gut, ſegt d'r Ruſſ. „Sie
haben mir berechnet 12 kr. durch das rothe Glas, Sie
haben aber geſehen durch mein blaues Glas, macht:
36 kr! Bekomm ich noch fl. — 24 kr. zurück.“ — Was
ſor e G'ſicht d'r Herr Kellner zu der Gegerechnung ge-
macht, iwerloß ich Jedem, ſich ſelwer auszumoole.
Der Nagglmaier.
D'r Herr Kellner, der die Fremde uff d'r Molkekur
immer roth anlaafe loßt, is alſo jetzt emool ſelwer un
deß wirdig is, in' de Annale d'r a
Aach widder e hibſch mat, Dicnſ R Bord,
lte Nagglmaierei
verzeichent zu werre. Ich lees nämlich Folgendes in
d'r Zeitung: D—
Am Sterbetage Gräfe's, des weltberühmten Au-
genarztes, ſollte Profeſſor Traube die Gedächtnißrede
halten. In der letzten Stunde jedoch legten die kirch-
lichen Behörden ihr Veto dagegen ein, weil Traube
Jude iſt, worauf alsdann Profeſſor Langenbeck geſpro-
chen hat. Ein bekanntes Berliner Witzblatt bringt
hierüber ein Gedicht, „Gräfe, eine Geiſterſtimme“, deſ-
ſen Schlußverſe folgendermaßen lauten:
Vernimm! Gerne hätt' geſprochen Traube
Zu Deinem Ruhm von ganzer Seel'!
Doch ſieh, ihm fehlt der rechte Glaube,
Er iſt ein Sohn von Iſrael!
Zwar wär ſchon Mancher bei den Todten,
Wenn nicht der Jude Traube wär;
Doch ward zu reden ihm verboten.
Wo Chriſten ſchlafen rings umher.
„O ſchweigt! vergebens hab' durchbrochen
Ich manches Auges dunkle Nacht,
Vergebens, ach! den Staar geſtochen
Und Licht und Leben neu gebracht,
Vergebens iſt, was ich geſchaffen —
Seht, daß wir alle Stümper ſind!
Denn Keiner von Euch heilt die Pfaffen,
Die ſind und bleiben ewig blind!“
Daß iwerigens nit jeder Seelſorger Paff is, un es
frieher noch fromme Männer gewe hott, die gemieth-
lich un verdräglich mit d'r Welt gelebt, zeigt unner
anneren folgendi hibſchi Epiſod aus'm Leewe vumme
geiſchtliche Herrn, der die beſcht Gelegenheit g'habt
hätt, beleidigt zu ſein un die Welt voll zu kreiſche,
wann'r eener vun denne Scheinheilige geweßt wär, die
wie d'r Tartiff, 's Schnuppduch vor die Aage heewe,
wann'n e ſcheen Meedl uff d'r Gaß begegent.
An der Tafel geſchah es einſt, daß König Wilhelm I.
von Preußen den Probſt Dr. Johann Lukas Reinbeck
in jovialer Laune aufforderte, die Geſundheit auf ein
hübſches Mädchen in Reimen auszubringen. — Alle
waren geſpannt, als Reinbeck ſein Glas ruhig füllte
und anhob: ö ö —
„Wenn mir ein ſchönes Kind begegnet,
Das Gott mit Anmuth hat geſegnet.
So fallen mir Gedanken ein.“ ö
Er hob das Glas nippend an den Mund, und Jeder
war begierig, was das für Gedanken ſein möchten, die
dem geiſtlichen Herrn einfielen, und er fuhr nach
einer kleinen Pauſe fort: ö
„Der Gott, der ſo viel ſchöne Sachen
Aus einem Nichts hat können machen,
Wie ſchön muß dieſer Gott nicht ſein.“
Alle ergötten ſich an der Beſonnenheit des Mannes,
der in einem kitzlichen Augenblicke, ohne die muntere
Unterhaltung zu ſtören, die Würde ſeines Standes zu
hehaupten wußte.
zwar bloo angeloffe!
Druck und Verlag von G. Geiſendörfer.
E Anektodche vun
d'r Molkekur, die
nit iwl' is, Män-
ner! Baßt uff. Uff
d'r Molkekur brä-
ſendirt d'r Kellner
de Fremde, die nuff
kumme, e Schtick
roth Fenſchterglas,
wodurch eem die
ganz Gegend imme
Feiermeer vor⸗-
kummt. No, ma
kann ſchun emool
durchgucke. Die
Idee is ſo viel
werth. Awer drei
Batze dafor auszu-
gewe, kummt ma
doch e biſſl zu feie ⸗
rig vor. Wann die
bedreffende Fremde
nämlich, die durch
deß roth Glas ge-
guckt hawe, ihr
Rechnung verlange,
ſieht d'r erſchtaunte
Fremde unner an⸗ — —
neren aah folgende Poſchte: „Durch das rothe Glas —
12 kr.!“ — Deß Ding hott awer neilich en Ruſſ, der
den Genuß for drei Batze g'hatt hott, letz verſchtanne.
Deß heeßt: die drei Batze hawenen gekrippt un er hott
ſich uff folgendi Art zu rewanſchire g'ſucht. Er is
nämlich nochemool uff die Molkekur gange. Mein Herr
Kellner, der'n wahrſcheinlich nit widder gekennt hott,
bräſendirt'em widder ſein Schtick roth Fenſchterglas,
als wär's d'r g'fälligſchte Menſch vun d'r Welt, der
Jedem, der uff die Molkekur kummt, e Vergniege mache
will. Mein Ruſſ, dodruff vorbereit, guckt aah werk-
lich nochemool durch deß roth Glas, ziehgt awer, wie'r
fertig war, uff eenmool e bloo Glas aus'm Sack un
ſegt: Soodele, Herr Kellner, jetzt betrachten Se ſich die
Gegend aah emool in Bloo! — d'r Herr Kellner guckt
aah durch, gibt dankend dem Ruſſ ſein bloo Glas zu-
rick, un denkt natierlich weiter nix zu der Heeflichkeit,
uff Gegeſeitigkeit. — Ball druff verlangt mein Ruſſ
ſein Rechnung un find widder de Poſchte druff: „Durch
das rothe Glas — 12 kr. — Gut, ſegt d'r Ruſſ. „Sie
haben mir berechnet 12 kr. durch das rothe Glas, Sie
haben aber geſehen durch mein blaues Glas, macht:
36 kr! Bekomm ich noch fl. — 24 kr. zurück.“ — Was
ſor e G'ſicht d'r Herr Kellner zu der Gegerechnung ge-
macht, iwerloß ich Jedem, ſich ſelwer auszumoole.
Der Nagglmaier.
D'r Herr Kellner, der die Fremde uff d'r Molkekur
immer roth anlaafe loßt, is alſo jetzt emool ſelwer un
deß wirdig is, in' de Annale d'r a
Aach widder e hibſch mat, Dicnſ R Bord,
lte Nagglmaierei
verzeichent zu werre. Ich lees nämlich Folgendes in
d'r Zeitung: D—
Am Sterbetage Gräfe's, des weltberühmten Au-
genarztes, ſollte Profeſſor Traube die Gedächtnißrede
halten. In der letzten Stunde jedoch legten die kirch-
lichen Behörden ihr Veto dagegen ein, weil Traube
Jude iſt, worauf alsdann Profeſſor Langenbeck geſpro-
chen hat. Ein bekanntes Berliner Witzblatt bringt
hierüber ein Gedicht, „Gräfe, eine Geiſterſtimme“, deſ-
ſen Schlußverſe folgendermaßen lauten:
Vernimm! Gerne hätt' geſprochen Traube
Zu Deinem Ruhm von ganzer Seel'!
Doch ſieh, ihm fehlt der rechte Glaube,
Er iſt ein Sohn von Iſrael!
Zwar wär ſchon Mancher bei den Todten,
Wenn nicht der Jude Traube wär;
Doch ward zu reden ihm verboten.
Wo Chriſten ſchlafen rings umher.
„O ſchweigt! vergebens hab' durchbrochen
Ich manches Auges dunkle Nacht,
Vergebens, ach! den Staar geſtochen
Und Licht und Leben neu gebracht,
Vergebens iſt, was ich geſchaffen —
Seht, daß wir alle Stümper ſind!
Denn Keiner von Euch heilt die Pfaffen,
Die ſind und bleiben ewig blind!“
Daß iwerigens nit jeder Seelſorger Paff is, un es
frieher noch fromme Männer gewe hott, die gemieth-
lich un verdräglich mit d'r Welt gelebt, zeigt unner
anneren folgendi hibſchi Epiſod aus'm Leewe vumme
geiſchtliche Herrn, der die beſcht Gelegenheit g'habt
hätt, beleidigt zu ſein un die Welt voll zu kreiſche,
wann'r eener vun denne Scheinheilige geweßt wär, die
wie d'r Tartiff, 's Schnuppduch vor die Aage heewe,
wann'n e ſcheen Meedl uff d'r Gaß begegent.
An der Tafel geſchah es einſt, daß König Wilhelm I.
von Preußen den Probſt Dr. Johann Lukas Reinbeck
in jovialer Laune aufforderte, die Geſundheit auf ein
hübſches Mädchen in Reimen auszubringen. — Alle
waren geſpannt, als Reinbeck ſein Glas ruhig füllte
und anhob: ö ö —
„Wenn mir ein ſchönes Kind begegnet,
Das Gott mit Anmuth hat geſegnet.
So fallen mir Gedanken ein.“ ö
Er hob das Glas nippend an den Mund, und Jeder
war begierig, was das für Gedanken ſein möchten, die
dem geiſtlichen Herrn einfielen, und er fuhr nach
einer kleinen Pauſe fort: ö
„Der Gott, der ſo viel ſchöne Sachen
Aus einem Nichts hat können machen,
Wie ſchön muß dieſer Gott nicht ſein.“
Alle ergötten ſich an der Beſonnenheit des Mannes,
der in einem kitzlichen Augenblicke, ohne die muntere
Unterhaltung zu ſtören, die Würde ſeines Standes zu
hehaupten wußte.
zwar bloo angeloffe!
Druck und Verlag von G. Geiſendörfer.