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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 79 - Nr. 86 (4. Oktober - 28. Oktober)
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keinen Korb geben wird, wenn Du ſie begehrſt, und

das, denke ich, iſt genügend.“
Der Baron drückte dem Freunde herzlich die Hand.
„Ich danke Dir, Uechtritz,“ ſagte er. „Deine Mitthei-
lungen überraſchen mich und warum ſoll ich's nicht ſa-
gen? erfreuen mich auch. Eliſe v. Raven iſt ein Mäd-
chen, das keinen Mann kalt laſſen kann. Wenn ich mich
trotzdem fern gehalten, ſo war es nur deßhalb, weil
ich, wie die Andern, annahm, daß ſie eine Neigung im
Herzen trage, die ſie von jeder Verbindung abhielte.
Du erinnerſt Dich deſſen, was man von ihrem Ver⸗-
hältniſſe zum Prinzen ſprach, als ſie vor zwei Jahren
ſo plötzlich mit ihren Eltern aus der Reſidenz zurück-
kehrte, und hier die ländliche Einſamkeit aufſuchte, die
man durchaus nicht für frei gewählt hielt.“
„Ja, ja, ich weiß das Alles,“ rief Uechtritz, „und
bin auch überzeugt, daß ſie den Prinzen geliebt hat,
habe ich mir doch damals ſelbſt einen recht hübſchen
Korb geholt, das weißt Du ja auch; aber mit dem
Prinzen kann es ja doch nichts werden, und jetzt bin
ich überzeugt, hat ſie das längſt überwunden. Du haſt
bei Gott ein immenſes Glück, Bandelow. Wäre ich an
Deiner Stelle, ich griffe mit beiden Händen zu.“
Bandelow lächelte. „Du weißt ja gar nicht, Uecht⸗—
ritz, ob ich es auch nicht thue,“ entgegnete er.
Die Herren waren mittlerweile bis zu dem Wege
gekommen, der vom Walde abſeits nach der Beſitzuug
des Barons ſührte. Uechtritz hielt ſein Pferd an und
wandte es um.
„Ich muß jetzt heim,“ ſagte er, „meine Frau war-
tet mit dem Mittagseſſen auf mich. Lebe wohl, mein
Junge, und beherzige wohl, was ich Dir geſagt habe.
Den Hut noch einmal ſchwenkend, ritt er in geſtrecktem
Trabe davon.
Bandelow ſchlug langſam den Weg ein, der nach
ſeinem Gute führte; angenehme Gedanken ſchienen ihn
zu beleben, denn ein ſonniges Lächeln durchleuchtete
ſein Geſicht und ließ es doppelt angenehm erſcheinen.

* *
&*

Als der Baron in das hohe, luftige, ſäulenge-
ſchmückte Veſtibül ſeines Hauſes eintrat, empfing ihn
ein hübſches, ſauber gekleidetes Mädchen, und theilte
ihm mit tiefem Knix mit, daß vor einer halben Stunde
Frau Reuter, die erwartete Dame des Hauſes, einge-
troffen ſei. „Soll ich die gnädige Frau von der An-
fie. des Herrn Barons ſofort benachrichtigen?“ fragte
ie. —
„O, nicht doch, Liſſette,“ erwiederte der Baron ab-
wehrend, „laß ſie nur noch etwas ruhen, beim Mittag-
eſſen werde ich ſie begrüßen.“ ö
Er ſchritt raſch an dem Mädchen vorüber nach ſei-
nem Zimmer, das nach der Gartenſeite gelegen und
von hohen Bäumen beſchattet ihn kühl und angenehm
umfing. Aber nicht wie ſonſt ſetzte er ſich heute an
den Schreibtiſch, um die Wirthſchaftsbücher, die der
Oberinſpektor um dieſe Zeit ihm täglich zuſchickte, durch-
zuſehen; nachdem er Hut und Reitgerte auf den Tiſch

geworfen, ging er mit heftigen, unruhigen Schritten im
Zimmer auf und ab. Bald blieb er am Fenſter ſtehen,

beobachtete das Wehen des Frühlingswindes, der mit

dem jungen Grün der Lindenbäume vor dem Herren-
hauſe ſpielte, bald ſtand er vor ſeinem Schreibtiſch und
blickte in ernſtem Sinnen auf die lebensgroßen Porträts
ſeiner Eltern, als wollte er aus ihren Mienen und
Blicken ſich Nathes erholen über die Abſichten und
Wünſche, die ſein Herz bewegten. Das Bild des ſchö-
nen Mädchens, deſſen Herz, wie ſein Freund ihm ge-
ſagt hatte, er gewonnen haben ſollte, ſchwebte ihm vor
in den verſchiedenſten Situationen, in denen er ihr be-
gegnet war. Er ſah ſie als wildes, ſtolzes Kind, wie
er ſie zuerſt in Begleitung ihrer Eltern in ſeinem vä-
terlichen Hauſe geſehen. Damals hatte ſein Vater noch
gelebt und ſeine Schweſter war mit ihrem jungen Gat⸗—
ten, dem damaligen Legationsrath und jetzigen Miniſter
Baron vou Wertheim zum erſten Mal als junge Frau
im väterlichen Hauſe anweſend geweſen. Er erinnerte
ſich noch deutlich, wie ſeine ſonſt ſo milde und ſanfte
Schweſter ſich tadelnd über das Benehmen des ſchönen,
verhätſchelten, einzigen Kindes des Generals von Ra-
ven ausgeſprochen hatte. Ihm ſelbſt, dem damals zwan-
zigjährigen Jüngling war das übermüthige Kind von
vierzehn Jahren ſehr reizend erſchienen, ja, er hatte ſo-
gar ihretwegen mit ſeiner Schweſter einen kleinen Dis⸗—
put gehabt. Dann war ſie ſeinen Augen lange Zeit
entrückt worden. Sie hatte in der Reſidenz am Hofe
des Königs gelebt, und war daſelbſt die glänzendſte
und bewundertſte Schönheit geweſen. Der Prinz Ale-
rander, erzählte man ſich damals, habe ſich ſterblich in
ſie verliebt, er weiſe jede andere Verbindung zurück und
der König, höchlich darüber erzürnt, haberdie junge
Dame deshalb von ſeinem Hofe verbannt. Mit dieſen
Berichten hatte denn die plötzliche Rückkehr des Gene⸗—
rals nach ſeinen Gütern übereingeſtimmt. Der Gene-
ral hatte es ſich auf den lange nur von einem Wirth⸗-
ſchafter verwalteten Gütern wieder wohnlich gemacht,
und lebte ſeit dieſer Zeit mit Frau und Tochter auf
denſelben, zurückgezogen von der großen Welt. Der

Baron hatte mit dem alten Freunde ſeines kürzlich ver-

ſtorbenen Vaters die freundſchaftlichen Beziehungen, die
von jeher beide Häuſer verbunden, wieder aufgenom-
men und zählte zu den häufigſten Gäſten des Generals.
Das einſt ſo übermüthige ſchöne Kind war ihm jetzt
als von Schönheit und Anmuth ſtrahlende Jungfrau
entgegengetreten. Mit gewinnender Herzlichkeit hatte
ſie ſich ſofort ihrer alten Jugendbekanntſchaft erinnert
und damit die ſchwer überſteigbare Schranke des Frem-
defühlens in anmuthiger Weiſe durchbrochen. Der Ba-
ron hatte alle Kraft ſeines energiſchen Willens anwen-
den müſſen, um dem Zauber dieſes wunderbaren Mäd-
chens zu widerſtehen, da ihr Herz, wie er wohl wußte,
einem Andern angehörte, mit' dem er, der einſache Land-
edelmann wohl kaum konkurriren konnte. ö
Sprach man doch allgemein davon, daß die Leiden-
ſchaft des Prinzen für Eliſe von Raven ſo groß ſei,
daß ſie alle Hinderniſſe beſiegen und der Prinz ſie doch
endlich zu ſeiner Gemahlin erheben würde. Das Aus-
 
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