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des ſchönen Mädchens lagerten Unmuth und Zorn und
die dunkeln Augen blitzten in leidenſchaftlicher Erregung.
Auch das ſonſt ſo heitere Geſicht von Frau von Uechtritz
ſah heute ernſter und nachdenklicher als ſonſt aus und zu-
weilen ruhte ihr Auge mit theilnehmendem Ausdruck auf
der jungen Dame, deren Wangen in fieberhafter Röthe
glühten. ö
„Und Du ſagſt, Louiſe,“ fragte jetzt Fräulein von Ra-
ven, „Du ſagſt, der Baron ſei abgereiſt und habe auf
längere Zeit ſein Gut verlaſſen und es ſeinem Inſpektor
übergeben?“ ö
„So iſt es, liebe Eliſe,“ entgegnete Frau von Uecht-
ritz, beruhigend ihre Hand auf die der Freundin legend.
„Ich wollte es gar nicht glauben, als Uechtritz geſtern von
Wilmershagen zurückkam und mir das Alles erzählte. Es
iſt gar nichts mit Bandelow zu machen, ſagte mein Mann,
er iſt gar nicht mehr derſelbe Menſch, ſeine Leidenſchaft
für dieſe Frau Reuter iſt ſo groß, daß ihn nur ein Ge-
danke zu beleben ſcheint, ſie zu ſuchen und zu verſöhnen.
Alles Andere iſt für ihn nicht vorhanden und auf alle
Vernunftgründe, die man ihm entgegenſetzen kann, erwie-
dert er immer nur das Eine: Sein Entſchluß ſtehe uner-
ſchütterlich feſt. Niemand könne ihn davon abbringen.“
„Es iſt gut, es iſt gut!“ rief Eliſe mit bebenden Lip-
pen, „ſprich nicht weiter.“
Eine lange Pauſe trat ein. Fräulein von Raven be-
deckte das Geſicht mit beiden Händen, heftige Kämpfe ſchie-
nen ihr Inneres zu bewegen, denn ihr Buſen hob und
ſenkte ſich in fieberhafter Eile. Frau von Uechtritz ſchlang
ihren Arm um das junge Mädchen und legte das Haupt
an ihre Bruſt, indem ihre Hand begütigend über das ſchöne
blonde Haar fuhr. Lange ſaßen Beide ſo da, endlich ſchien
der Sturm im Herzen Fräulein von Ravens bewältigt zu
ſein, ſie richtete ſich auf und mit der Hand die Locken, die
ihr Antlitz verhüllten, zurückſtreichend, verſuchte ſie ruhig
und gefaßt zu ſein.
(Fortſetzung folgt.)
Mannichfaltiges.
Ein reicher Jude war in eine geſchloſſene Geſell-
ſchaft aufgenommen worden, deren Statuten es mit ſich
brachten, daß jedes neue Mitglied beim Antritt eine Rede
an die Verſammlung halten mußte. Der Jude entledigte
ſich der Sache folgendergeſtalt: „Meine Herren!“ fing, er
an, „als ich ſoll halten eine Red', will ich doch ßuerſt er-
ßählen eine Fabel: der Mond hat eines Tages geſchickt ßu
einem Schneider, daß er ihm ſollte anmeſſen ein Habit.
Der Schneider is aber nicht gekummen und der Mond hat
geſchickt die Wache, und hat ihn holen laſſen. Worum
biſt nicht gekummen ßu mir und haſt mir angemeſſen das
Habit? hat ihn der Mond gefragt. Mein! hat ihm ge-
antwortet der Schneider, was thu' ich damit? Wie kann
ich der anmeſſe ein Habir? Bald biſt du ein Viertel,
bald biſt du halb, bald biſt du ganz, bald biſt du gar
nicht da! Wie ſoll ich's machen, daß es wird paſſen?“
— „Meine Herren, mir geht's doch grad' ſau: ſoll ich
halten eine Red', da gibt's alte Leut', gibt's junge Leut',
gibt's Dumme und Kluge, — wie ſoll ich da einrichten
meine Red', daß ſie gefällt Allen? Ich will ja lieber be-
ßahlen die Gebühren doppelt, wenn Sie mer verſchonen
mit de Rede!“
Wirkung von Kälte und Wärme. „Welche
Wirkungen haben Wärme und Kälte?“ fragte ein Lehrer
einen Schüler. „Die Kälte zieht zuſammen, die Wärme
dehnt aus.“ — „Recht ſo, könnt Ihr das durch ein Bei-
ſpiel aus Eurer eignen Erfahrung belegen?“ Der Schü-
ler ſchwieg, ſeine übrigen Kameraden glotzten einander an.
Endlich ſtand Einer auf und rief: „O ja! Wenn's heiß
iſt, werden die Tage lang, und wenn's kalt iſt, werden
ſie kurz.“
Früchte.
„Du wächſt nun immer mehr heran, wie
ein Baum, mein Sohn,“ ſprach ein Lehrer zu einem trä-
gen Knaben in der Schule; „es iſt nun endlich einmal
Zeit, daß du anfängſt Früchte zu tragen.“ — „Herr
Schulmeiſter,“ antwortete ein anderer Knabe, „er trägt
ſchon Früchte; geſtern lief er mit Radieschen in der Stadt
umher.“
Familientrauer auf dem Lande. Vater:
„Chriſtlieb, lauf 'nüber, hol'n Fleeſcher.“ — Sohn: „Zu
was'n?!“ — Vater: „Na, ſiehſt'n nich, Ochſe? der Alte
macht's bald aus, der Fleeſcher ſoll de Sauen zum Leichen⸗—
eſſen ſtechen.“ — Großvater (aus dem Bett im Winkel
ſich aufrichtend);: „Wart' nur noch a biſſele, i leb' ja
noch.“ — Vater (ohne dem Großvater zu antworten):
„Ne, lauf nur, 's wird nimmer lang dauern mit'n Alten,
das ſieht mer ja!“ — Sohn (fortgehend): „Dunner noch
e Mal, da gibt's bald Schweinebraten.“
Als Profeſſor Käſtner einmal eine Sammlung
Gedichte von einem der vielen Reimer, die nur nach ihrer
eigenen Meinung Dichter ſind, vor ſich hatte, ſagte er:
„So lange nicht aus ſolchen Lumpen ſelbſt Papier gemacht
werden kann, ſollten ſie keins verderben.“
Rudolf von Schwaben, der Gegenkönig Hein-
rich's VI., blieb in der Schlacht zu Volksheim bei Mer-—
ſeburg und wurde daſelbſt prächtig begraben. Als König
Heinrich einſt dahin kam, riethen ihm Schmeichler, das
Grabmal Rudolph's zerſtören zu laſſen, der ja ſein ärg-
ſter Feind geweſen ſei. „Das laſſe ich wohl bleiben“, gab
Heinrich zur Antwort, „wünſchte ich doch, daß alle meine
Feinde eine ſo prächtige Ruheſtätte hätten.“
Roſſini und Napoleon IJ. In der Lebensbeſchrei-
bung Roſſini's von Hr. Stendal wird Roſſini nach vielen
bombaſtiſchen Lobeserhebungen zuletzt auch mit Napoleon J.
verglichen. Als jüngſt in einer Geſellſchaft die Rede da-
rauf kam und einer der Anweſenden laut ſeine Mißbilli-
gung darüber äußerte, entgegnete ſein Nachbar: „Ich finde
den Vergleich durchaus paſſend, haben denn nicht Beidz
genug Trommeln in Bewegung geſetzt?“
des ſchönen Mädchens lagerten Unmuth und Zorn und
die dunkeln Augen blitzten in leidenſchaftlicher Erregung.
Auch das ſonſt ſo heitere Geſicht von Frau von Uechtritz
ſah heute ernſter und nachdenklicher als ſonſt aus und zu-
weilen ruhte ihr Auge mit theilnehmendem Ausdruck auf
der jungen Dame, deren Wangen in fieberhafter Röthe
glühten. ö
„Und Du ſagſt, Louiſe,“ fragte jetzt Fräulein von Ra-
ven, „Du ſagſt, der Baron ſei abgereiſt und habe auf
längere Zeit ſein Gut verlaſſen und es ſeinem Inſpektor
übergeben?“ ö
„So iſt es, liebe Eliſe,“ entgegnete Frau von Uecht-
ritz, beruhigend ihre Hand auf die der Freundin legend.
„Ich wollte es gar nicht glauben, als Uechtritz geſtern von
Wilmershagen zurückkam und mir das Alles erzählte. Es
iſt gar nichts mit Bandelow zu machen, ſagte mein Mann,
er iſt gar nicht mehr derſelbe Menſch, ſeine Leidenſchaft
für dieſe Frau Reuter iſt ſo groß, daß ihn nur ein Ge-
danke zu beleben ſcheint, ſie zu ſuchen und zu verſöhnen.
Alles Andere iſt für ihn nicht vorhanden und auf alle
Vernunftgründe, die man ihm entgegenſetzen kann, erwie-
dert er immer nur das Eine: Sein Entſchluß ſtehe uner-
ſchütterlich feſt. Niemand könne ihn davon abbringen.“
„Es iſt gut, es iſt gut!“ rief Eliſe mit bebenden Lip-
pen, „ſprich nicht weiter.“
Eine lange Pauſe trat ein. Fräulein von Raven be-
deckte das Geſicht mit beiden Händen, heftige Kämpfe ſchie-
nen ihr Inneres zu bewegen, denn ihr Buſen hob und
ſenkte ſich in fieberhafter Eile. Frau von Uechtritz ſchlang
ihren Arm um das junge Mädchen und legte das Haupt
an ihre Bruſt, indem ihre Hand begütigend über das ſchöne
blonde Haar fuhr. Lange ſaßen Beide ſo da, endlich ſchien
der Sturm im Herzen Fräulein von Ravens bewältigt zu
ſein, ſie richtete ſich auf und mit der Hand die Locken, die
ihr Antlitz verhüllten, zurückſtreichend, verſuchte ſie ruhig
und gefaßt zu ſein.
(Fortſetzung folgt.)
Mannichfaltiges.
Ein reicher Jude war in eine geſchloſſene Geſell-
ſchaft aufgenommen worden, deren Statuten es mit ſich
brachten, daß jedes neue Mitglied beim Antritt eine Rede
an die Verſammlung halten mußte. Der Jude entledigte
ſich der Sache folgendergeſtalt: „Meine Herren!“ fing, er
an, „als ich ſoll halten eine Red', will ich doch ßuerſt er-
ßählen eine Fabel: der Mond hat eines Tages geſchickt ßu
einem Schneider, daß er ihm ſollte anmeſſen ein Habit.
Der Schneider is aber nicht gekummen und der Mond hat
geſchickt die Wache, und hat ihn holen laſſen. Worum
biſt nicht gekummen ßu mir und haſt mir angemeſſen das
Habit? hat ihn der Mond gefragt. Mein! hat ihm ge-
antwortet der Schneider, was thu' ich damit? Wie kann
ich der anmeſſe ein Habir? Bald biſt du ein Viertel,
bald biſt du halb, bald biſt du ganz, bald biſt du gar
nicht da! Wie ſoll ich's machen, daß es wird paſſen?“
— „Meine Herren, mir geht's doch grad' ſau: ſoll ich
halten eine Red', da gibt's alte Leut', gibt's junge Leut',
gibt's Dumme und Kluge, — wie ſoll ich da einrichten
meine Red', daß ſie gefällt Allen? Ich will ja lieber be-
ßahlen die Gebühren doppelt, wenn Sie mer verſchonen
mit de Rede!“
Wirkung von Kälte und Wärme. „Welche
Wirkungen haben Wärme und Kälte?“ fragte ein Lehrer
einen Schüler. „Die Kälte zieht zuſammen, die Wärme
dehnt aus.“ — „Recht ſo, könnt Ihr das durch ein Bei-
ſpiel aus Eurer eignen Erfahrung belegen?“ Der Schü-
ler ſchwieg, ſeine übrigen Kameraden glotzten einander an.
Endlich ſtand Einer auf und rief: „O ja! Wenn's heiß
iſt, werden die Tage lang, und wenn's kalt iſt, werden
ſie kurz.“
Früchte.
„Du wächſt nun immer mehr heran, wie
ein Baum, mein Sohn,“ ſprach ein Lehrer zu einem trä-
gen Knaben in der Schule; „es iſt nun endlich einmal
Zeit, daß du anfängſt Früchte zu tragen.“ — „Herr
Schulmeiſter,“ antwortete ein anderer Knabe, „er trägt
ſchon Früchte; geſtern lief er mit Radieschen in der Stadt
umher.“
Familientrauer auf dem Lande. Vater:
„Chriſtlieb, lauf 'nüber, hol'n Fleeſcher.“ — Sohn: „Zu
was'n?!“ — Vater: „Na, ſiehſt'n nich, Ochſe? der Alte
macht's bald aus, der Fleeſcher ſoll de Sauen zum Leichen⸗—
eſſen ſtechen.“ — Großvater (aus dem Bett im Winkel
ſich aufrichtend);: „Wart' nur noch a biſſele, i leb' ja
noch.“ — Vater (ohne dem Großvater zu antworten):
„Ne, lauf nur, 's wird nimmer lang dauern mit'n Alten,
das ſieht mer ja!“ — Sohn (fortgehend): „Dunner noch
e Mal, da gibt's bald Schweinebraten.“
Als Profeſſor Käſtner einmal eine Sammlung
Gedichte von einem der vielen Reimer, die nur nach ihrer
eigenen Meinung Dichter ſind, vor ſich hatte, ſagte er:
„So lange nicht aus ſolchen Lumpen ſelbſt Papier gemacht
werden kann, ſollten ſie keins verderben.“
Rudolf von Schwaben, der Gegenkönig Hein-
rich's VI., blieb in der Schlacht zu Volksheim bei Mer-—
ſeburg und wurde daſelbſt prächtig begraben. Als König
Heinrich einſt dahin kam, riethen ihm Schmeichler, das
Grabmal Rudolph's zerſtören zu laſſen, der ja ſein ärg-
ſter Feind geweſen ſei. „Das laſſe ich wohl bleiben“, gab
Heinrich zur Antwort, „wünſchte ich doch, daß alle meine
Feinde eine ſo prächtige Ruheſtätte hätten.“
Roſſini und Napoleon IJ. In der Lebensbeſchrei-
bung Roſſini's von Hr. Stendal wird Roſſini nach vielen
bombaſtiſchen Lobeserhebungen zuletzt auch mit Napoleon J.
verglichen. Als jüngſt in einer Geſellſchaft die Rede da-
rauf kam und einer der Anweſenden laut ſeine Mißbilli-
gung darüber äußerte, entgegnete ſein Nachbar: „Ich finde
den Vergleich durchaus paſſend, haben denn nicht Beidz
genug Trommeln in Bewegung geſetzt?“