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der Univerſität Königsberg, der berühmten Albertina
men geführt wurde, Antheil zu nehmen. Erſt als die
(1544) ein jährliches Stipendium von 65 Thalern un-
Oper beendet war und der Hof die Loge bereits ver-
laſſen hatte, trat die Gräfin an die Brüſtung, und
ſchaute mii müden Augen auf die wogende, ſich drän-
gende Menge. Jetzt ſah ſie auch nach der Fremden loge
hinüber, in der der Baron noch damit beſchäftigt war,
ſeiner juugen Gemahlin den Shawl um die Schultern
zu legen; ihre Blicke begegneten den ſeinigen, der Ba-
ron verneigte ſich tief vor der ſchönen, von Diamanten
ſtrahlenden Dame, dann reichte er ſeiner Gemahlin den
Arm und verließ die Loge. Auch die Gräfin wandte
ſich jetzt um und ohne den demüthig hinter ihr ſtehen-
den Gemahl zu beachten, ſchritt ſie hochgehobenen Haup-
tes hinaus. Ihr Antlitz ſah ſehr bleich aus und eine
Thräne zitterte in ihren dunklen Augen.
Mannichfaltiges.
Diderot, der Schöpfer der Encyclopädie, beſaß
eine Erregbarkeit der Phantaſie, welche wohl ſelten ih-⸗
res Gleichen findet. Beſprach er ein Kunſtwerk oder
ein Buch, ſo vergaß er oft ganz das Objekt und ſein
lebhaft arbeitendes Gehirn erzeugte Dinge, welche nur
in ſeiner Einbildung beſtanden.
Einſt ſprach er mit einem ſeiner Freunde über das
Erſtlingswerk eines jungen Dichters. Der Freund ta-
delte das Buch, Diderot vertheidigte es und zwar ſo
lebhaft und erregt, daß ihn ſein Freund plötzlich mit
den Worten unterbrach: „Aber, lieber Diderot, ich habe
das Buch doch oft und ſehr aufmerkſam geleſen und
finde, daß Du von Dingen ſprichſt, welche gar nicht in
demſelben vorhanden ſind.“
„Steht das nicht darin?“
und kam allmählig zu ſich.
gentlich drin ſtehen.“
Ein andermal fand ihn ſeine Tochter, lamentirend
und die Hände ringend, in ſeinem Arbeitszimmer auf
und ab rennen.
„Gerechter Himmel, Vater, was iſt geſchehen?“ rief
die Tochter entſetzt aus. „Sollſt Du verhaftet werden?“
„Nein, mein Kind.“
„Haſt Du Dein Vermögen eingebüßt?“
„Nein, mein Kind.“ ö
„Nun, um des Himmels Willen, ſo erkläre mir
doch, welch' großes Unglück Dir zugeſtoßen iſt, vielleicht
kann ich Dir helfen und rathen.“
„Beruhige Dich,“ erwiderte endlich der Dichter und
trocknete ſeine Thränen.
eine Geſchichte ausgedacht, welche in ihrem Verlauf ſo
tragiſch wurde, daß ich mich der Klagen und Thränen
nicht mehr enthalten konnte.“
Werth des Geldes. Aus der nachſtehenden
Jahresrechnung des Studenten Metius, der durch die
Gnade des Herzogs Albrecht von Preußen, des Stifters
entgegnete der Dichter
„Nun, das müßte aber ei-
„Ich habe mir ſoeben nur-
ter der Bedingung, bezog, daß er beim Jahresſchluß
ſeinem hohen Mäcen Rechnung legen mußte, können
wir recht deutlich den Werth des Geldes zwiſchen Da-
mals und Heute erkennen. Metius reicht 1545 ſeine
Ausgaben in folgender detaillirter Geſtalt ein:
für Bücher, Papier und Bin-
16 Thlr. 2 Gr. 5 Pf.
ö derlohn,
6 „ 14 „ — „ für Kleidung an Schuhmacher,
Schneider und Kürſchner‚,
8 „ 10 „ 5 „ für Hausrath und andere
gemeine Nothdurft,
12.„ 15 „ 8 „ für Koſtgeld am Tiſch und
in der Herberge, *
7 „ 10 „ 7 „ für Getränk und Speiſe au-
ö ßer der Mahlzeit, ö ö
3 „ 19 „ — „ für Wohnung Holz und Licht,
1 „ 7 „ 11 „ dem Barbier undz der Wä-
ſcherin,
für Apothekerwaaren,
in zwei gehaltenen Disputa-
tionen. ö
Wie weit würde heute der ſolideſte Student mit 65
Thlr. reichenſ? Wie billig ſtellte ſich insbeſondere das
Conto für Wohnung, Holz und Licht. ö
77 17 „
77.0— 23 7. I
Der Erzbiſchof Albert von Bremen im
elften Jahrhundert beſaß neben großen und glänzenden
Eigenſchaften gleichzeitig auch eine maßloſe Vorſtellung
von der erhabenen Würde ſeiner eigenen Parſönlichkeit.
Er hatte die Schwachheit, noch bei Lebzeiten für einen
Heiligen gelten und wie ein ſolcher Wunder verrichten
zu wollen. Er nahm es ſehr übel, wenn man dieſe
Art von Infallibilität bezweifelte. Als ihn einſt eine
Aebtiſſin ſeines Bistbums ſeiner Memung nach belei-
digt hatte, befahl er ihr aus der Entfernung, binnen
vierzehn Tagen dieſes Leben zu verlaſſen. Zur näm-
lichen Zeit befand ſich die Aebtiſſin gerade ſehr krank
— ob dieſer Umſtand dem Erzbiſchof bekannt war und
ihn vielleicht zu ſeinem unfehlbaren Ausſpruch veran-
laßte, iſt ungewiß. Nach weuig Tagen wurde die Aeb-
tiſſin aber wieder geſund und ſchickte zufällig an den
Erzbiſchof einen Boten mit einer Nachricht ab. Als
Albert denſelben erblickte, ſah er in ihm die Beſtäti-
gung ſeines Richterſpruchs. In Gegenwart vieler An-
weſenden verküudete er auch ſofort, daß ſein Befehl in
Erfüllung gegangen und die Kraft ſeiner Worte ſo groß
ſei, wie die des heiligen Petrus gegen die Saphira.
Inzwiſchen aber kam der Bote herbei und meldete das
Wohlſein der geiſtlichen Frau zu ſtillem Ergötzen der
ganzen Verſammlung, während der Erzbiſchof verwirrt
und beſchämt ſchwieg.
der Univerſität Königsberg, der berühmten Albertina
men geführt wurde, Antheil zu nehmen. Erſt als die
(1544) ein jährliches Stipendium von 65 Thalern un-
Oper beendet war und der Hof die Loge bereits ver-
laſſen hatte, trat die Gräfin an die Brüſtung, und
ſchaute mii müden Augen auf die wogende, ſich drän-
gende Menge. Jetzt ſah ſie auch nach der Fremden loge
hinüber, in der der Baron noch damit beſchäftigt war,
ſeiner juugen Gemahlin den Shawl um die Schultern
zu legen; ihre Blicke begegneten den ſeinigen, der Ba-
ron verneigte ſich tief vor der ſchönen, von Diamanten
ſtrahlenden Dame, dann reichte er ſeiner Gemahlin den
Arm und verließ die Loge. Auch die Gräfin wandte
ſich jetzt um und ohne den demüthig hinter ihr ſtehen-
den Gemahl zu beachten, ſchritt ſie hochgehobenen Haup-
tes hinaus. Ihr Antlitz ſah ſehr bleich aus und eine
Thräne zitterte in ihren dunklen Augen.
Mannichfaltiges.
Diderot, der Schöpfer der Encyclopädie, beſaß
eine Erregbarkeit der Phantaſie, welche wohl ſelten ih-⸗
res Gleichen findet. Beſprach er ein Kunſtwerk oder
ein Buch, ſo vergaß er oft ganz das Objekt und ſein
lebhaft arbeitendes Gehirn erzeugte Dinge, welche nur
in ſeiner Einbildung beſtanden.
Einſt ſprach er mit einem ſeiner Freunde über das
Erſtlingswerk eines jungen Dichters. Der Freund ta-
delte das Buch, Diderot vertheidigte es und zwar ſo
lebhaft und erregt, daß ihn ſein Freund plötzlich mit
den Worten unterbrach: „Aber, lieber Diderot, ich habe
das Buch doch oft und ſehr aufmerkſam geleſen und
finde, daß Du von Dingen ſprichſt, welche gar nicht in
demſelben vorhanden ſind.“
„Steht das nicht darin?“
und kam allmählig zu ſich.
gentlich drin ſtehen.“
Ein andermal fand ihn ſeine Tochter, lamentirend
und die Hände ringend, in ſeinem Arbeitszimmer auf
und ab rennen.
„Gerechter Himmel, Vater, was iſt geſchehen?“ rief
die Tochter entſetzt aus. „Sollſt Du verhaftet werden?“
„Nein, mein Kind.“
„Haſt Du Dein Vermögen eingebüßt?“
„Nein, mein Kind.“ ö
„Nun, um des Himmels Willen, ſo erkläre mir
doch, welch' großes Unglück Dir zugeſtoßen iſt, vielleicht
kann ich Dir helfen und rathen.“
„Beruhige Dich,“ erwiderte endlich der Dichter und
trocknete ſeine Thränen.
eine Geſchichte ausgedacht, welche in ihrem Verlauf ſo
tragiſch wurde, daß ich mich der Klagen und Thränen
nicht mehr enthalten konnte.“
Werth des Geldes. Aus der nachſtehenden
Jahresrechnung des Studenten Metius, der durch die
Gnade des Herzogs Albrecht von Preußen, des Stifters
entgegnete der Dichter
„Nun, das müßte aber ei-
„Ich habe mir ſoeben nur-
ter der Bedingung, bezog, daß er beim Jahresſchluß
ſeinem hohen Mäcen Rechnung legen mußte, können
wir recht deutlich den Werth des Geldes zwiſchen Da-
mals und Heute erkennen. Metius reicht 1545 ſeine
Ausgaben in folgender detaillirter Geſtalt ein:
für Bücher, Papier und Bin-
16 Thlr. 2 Gr. 5 Pf.
ö derlohn,
6 „ 14 „ — „ für Kleidung an Schuhmacher,
Schneider und Kürſchner‚,
8 „ 10 „ 5 „ für Hausrath und andere
gemeine Nothdurft,
12.„ 15 „ 8 „ für Koſtgeld am Tiſch und
in der Herberge, *
7 „ 10 „ 7 „ für Getränk und Speiſe au-
ö ßer der Mahlzeit, ö ö
3 „ 19 „ — „ für Wohnung Holz und Licht,
1 „ 7 „ 11 „ dem Barbier undz der Wä-
ſcherin,
für Apothekerwaaren,
in zwei gehaltenen Disputa-
tionen. ö
Wie weit würde heute der ſolideſte Student mit 65
Thlr. reichenſ? Wie billig ſtellte ſich insbeſondere das
Conto für Wohnung, Holz und Licht. ö
77 17 „
77.0— 23 7. I
Der Erzbiſchof Albert von Bremen im
elften Jahrhundert beſaß neben großen und glänzenden
Eigenſchaften gleichzeitig auch eine maßloſe Vorſtellung
von der erhabenen Würde ſeiner eigenen Parſönlichkeit.
Er hatte die Schwachheit, noch bei Lebzeiten für einen
Heiligen gelten und wie ein ſolcher Wunder verrichten
zu wollen. Er nahm es ſehr übel, wenn man dieſe
Art von Infallibilität bezweifelte. Als ihn einſt eine
Aebtiſſin ſeines Bistbums ſeiner Memung nach belei-
digt hatte, befahl er ihr aus der Entfernung, binnen
vierzehn Tagen dieſes Leben zu verlaſſen. Zur näm-
lichen Zeit befand ſich die Aebtiſſin gerade ſehr krank
— ob dieſer Umſtand dem Erzbiſchof bekannt war und
ihn vielleicht zu ſeinem unfehlbaren Ausſpruch veran-
laßte, iſt ungewiß. Nach weuig Tagen wurde die Aeb-
tiſſin aber wieder geſund und ſchickte zufällig an den
Erzbiſchof einen Boten mit einer Nachricht ab. Als
Albert denſelben erblickte, ſah er in ihm die Beſtäti-
gung ſeines Richterſpruchs. In Gegenwart vieler An-
weſenden verküudete er auch ſofort, daß ſein Befehl in
Erfüllung gegangen und die Kraft ſeiner Worte ſo groß
ſei, wie die des heiligen Petrus gegen die Saphira.
Inzwiſchen aber kam der Bote herbei und meldete das
Wohlſein der geiſtlichen Frau zu ſtillem Ergötzen der
ganzen Verſammlung, während der Erzbiſchof verwirrt
und beſchämt ſchwieg.