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fen, flammte Zornesröthe auf ſeinem Antlitz. Bisher
hatte er Grobheiten, Schläge, Sarkasmen des ſtrengen
Herrn geduldig ertragen; jetzt riß ihm die Geduld.
„Und wenn,“ rief er, „die Hiebe dicht wie Hagel-
ſchauer fallen, gnädiger Herr, ſo haben Sie doch kein
Recht, an meinem Muthe zu zweifeln. Ich bin der
Sohn eines Szekler Edelmannes. Von dieſer Stunde
an verlaſſe ich Ihr Haus.“
„Ha, ha, Gyulaſi, Du wirſt grob.
biſt wirklich ein Szekler. Nun, nun,
nicht gemeint. Spaßte blos!“ ö
„Fürwahr, ein Spaß, der einem andern als Euch
das Leben gekoſtet hätte.“
„Laß es nur gut ſein. Vergiß nicht, daß ich Dein
Herr bin. Da Du übrigens nicht zu Fuß nach Keadi
Vaſarheli wandern ſollſt, ſo nimm die „Schwalhe“ aus
dem Stalle; ſie iſt mein ſchnellſtes Pferd. — Schon
gut, brauchſt mir nicht zu danken. Kann Dir zu ſtat-
ten kommen. Giebt Fälle, wo auch ein Szekler Huſar
retiriren muß.“
„Ich werde niemals zu den Ausreißern gehören.
Kein Deutſcher, kein Feind ſoll jemals meinen Rücken
ſehen.“
„Sehr höflich von Dir. Jetzt gehe und packe Deine
Siebenſachen ein. Linksum, Marſch!“
So raſch war die neue Wendung in ſeinem Leben
eingetreten, daß Gyula Zeit bedurfte, ſich zu ſammeln.
Nie war ihm bisher eingefallen, daß eine Zeit kommen
könne, wo er von dem Hofe, wo er von dem Angeſichte
Sarah's werde gehen müſſen. Jetzt war ihm verkün-
det worden, was ihm wie ein Todesurtheil lautete,
aber jetzt war er ſich auch bewußt, daß ihm des Edel-
maunns Tochter verloren ſei. Konnte er, der Hirten-
junge, der Dienſtmann Anſprüche auf die Hand der
Tochter ſeines Herrn machen? Jemals hoffen, ſie heim-
führen zu dürfen? Und doch was galt ihm das Leben
ohne ſie? — ö ö
So ſaß er, bitterer Verzweiflung hingegeben, lange
Zeit unter einer mächtigen Eiche unfern vom Hofe.
Aus dem tieferen Walde tönten die ſchwermüthigen
Töne eines alten Szekler Volksliedes herüber, das ein
Hirte auf der Querpfeife ſpielte.
Da gingen die Klänge plötzlich in eine wilde, be-
rauſchende Tanzmelodie über, die ſelbſt auf Gyula mäch-
tig aufregend einwirkten. Seine Phantaſie verſetzte ihn
in das Kriegsgetümmel, Reiterſchwärme brauſten an
ihm vorüber und riſſen ihn fort zu Kampf und Triumpf.
Jetzt ſtimmte der unſichtbare Muſiker einen militäri-
ſchen Pſalm an, deſſen einfache, innige Melodie den
Knaben, der nur ſelten eine Kirche beſucht, um ſo wun-
derbarer ergriffen, als dieſelben Töne ſeine Mutter ſo
oft geſungen hatte. Bilder aus ſeiner Kindheit traten
mit der ganzen Friſche und Lebendigkeit der Eindrücke
aus jener Zeit vor ſeine Seele. Er gedachte ſeiner
Mutter und des frohen, gläubigen Muthes, der ſie in
allen Bekümmerniſſen, in Gefahr und Noth aufrecht er-
hielt und ſie angetrieben, auch den Knaben vom zarte-
ſten Alter an auf den himmlichen Vater hinzuweiſen,
Bravo, Knabe,
böſe war es ja
und deren ſtets gleiches ruhiges Gemüth ſelbſt den ſtren-
ö Augen.
gen, in der Einſamkeit des Waldes faſt rauh geworde-
nen Vater gebändigt hatte. Es überkam Gyula eine
Stimmung ruhiger Zuverſicht; heiterer konnte er den
Gedanken in's Auge faſſen von Sarah vielleicht auf
lange Zeit ſich trennen zu müſſen.
In ſolcher Gemüthsſtimmung war her, als er, von
einem Geräuſch aus ſeinem Sinnen geweckt, ſie vor
ſich ſtehen ſah. ö
Er ſtand auf und ergriff ihre Hand. „Sarah,“
ſogte er, „morgen ziehe ich in die Welt!“
„Ich weiß,“ antwortete ſie mit niedergeſchlagenen
Sie hatte geweint.
(Fortſetzung folgt.)
Eine Schillerfeier an den Ufern des
Miſſiſſippi.
CFortſetzung.)
Das Feſt war in der That eine Feierlichkeit,
der 10. November ein wirklicher Feiertag, nicht nur
ein Sonntag der Herzen, ſondern auch em ſicht-
bar allgemein gefeierter Feſttag, wie ihn nur Deutſche
zu feiern verſtehen und wie es den eingeborenen Bür-
gern der großen transatlantiſchen Republik nur nach
langjähriger Uebung möglich ſein wird, ein Feſt zu be-
greifen und zu feiern. Andererſeits aber war der Geiſt,
welcher das ganze Feſt belebte und die Feiernden durch-
drang, derſelbe Geiſt, welcher die Gründer der nord-
amerikaniſchen Union beſeelte, als ſie ſich von den
drückenden Feſſeln Englands befreiten, es war der Geiſt
Schiller's, der Stauffacher im „Wilhelm Tell“ die be-
kannten ſchönen Worte ſagen ließ:
„Nein, eine Gränze hat Tyrannenmacht,
Wonn der Gedrückte nirgends Recht kann fimden,
Wenn unerträglich wird die Laſt — greift er
Hierauf getroſten Muthes in den Himmel
Und holt herunter ſeine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne ſelbſt.
Dieſe Worte erinnern nur zu ſehr an die unſterb-
liche Mnabhängigkeitserklärung, welche Thomas Jef-
ferſohn verfaßte und die am 4. Juli 1776 von dem
amerikaniſchen Kongreſſe angenommen ward. Die er-
ſten Sätze dieſer berühmten Akte, welche die angebore-
nen Menſchenrechte enthalten, lauten aber alſo: „Wenn
es nach dem Laufe menſchlicher Ereigniſſe für ein Volk
nothwendig wird, die ſtaatlichen Bande, wodurch es
mit einem andern verbunden war, aufzulöſen und un-
ter den Mächten der Erde den abgeſonderten und gleich-
mäßigen Rang einzunehmen, zu dem es durch die Ge-
ſetze der Natur und Gottes in der Natur berechtigt iſt,
ſo erheiſcht es die geziemende Achtung, die man den
Meinungen der Menſchen ſchuldig iſt, die Urſachen die-
ſer Abſonderung öffentlich bekannt zu machen. Wir
halten die nächſtfolgenden Wahrheiten für durch ſich
ſelbſt erwieſen, daß alle Menſchen einander gleich er-
fen, flammte Zornesröthe auf ſeinem Antlitz. Bisher
hatte er Grobheiten, Schläge, Sarkasmen des ſtrengen
Herrn geduldig ertragen; jetzt riß ihm die Geduld.
„Und wenn,“ rief er, „die Hiebe dicht wie Hagel-
ſchauer fallen, gnädiger Herr, ſo haben Sie doch kein
Recht, an meinem Muthe zu zweifeln. Ich bin der
Sohn eines Szekler Edelmannes. Von dieſer Stunde
an verlaſſe ich Ihr Haus.“
„Ha, ha, Gyulaſi, Du wirſt grob.
biſt wirklich ein Szekler. Nun, nun,
nicht gemeint. Spaßte blos!“ ö
„Fürwahr, ein Spaß, der einem andern als Euch
das Leben gekoſtet hätte.“
„Laß es nur gut ſein. Vergiß nicht, daß ich Dein
Herr bin. Da Du übrigens nicht zu Fuß nach Keadi
Vaſarheli wandern ſollſt, ſo nimm die „Schwalhe“ aus
dem Stalle; ſie iſt mein ſchnellſtes Pferd. — Schon
gut, brauchſt mir nicht zu danken. Kann Dir zu ſtat-
ten kommen. Giebt Fälle, wo auch ein Szekler Huſar
retiriren muß.“
„Ich werde niemals zu den Ausreißern gehören.
Kein Deutſcher, kein Feind ſoll jemals meinen Rücken
ſehen.“
„Sehr höflich von Dir. Jetzt gehe und packe Deine
Siebenſachen ein. Linksum, Marſch!“
So raſch war die neue Wendung in ſeinem Leben
eingetreten, daß Gyula Zeit bedurfte, ſich zu ſammeln.
Nie war ihm bisher eingefallen, daß eine Zeit kommen
könne, wo er von dem Hofe, wo er von dem Angeſichte
Sarah's werde gehen müſſen. Jetzt war ihm verkün-
det worden, was ihm wie ein Todesurtheil lautete,
aber jetzt war er ſich auch bewußt, daß ihm des Edel-
maunns Tochter verloren ſei. Konnte er, der Hirten-
junge, der Dienſtmann Anſprüche auf die Hand der
Tochter ſeines Herrn machen? Jemals hoffen, ſie heim-
führen zu dürfen? Und doch was galt ihm das Leben
ohne ſie? — ö ö
So ſaß er, bitterer Verzweiflung hingegeben, lange
Zeit unter einer mächtigen Eiche unfern vom Hofe.
Aus dem tieferen Walde tönten die ſchwermüthigen
Töne eines alten Szekler Volksliedes herüber, das ein
Hirte auf der Querpfeife ſpielte.
Da gingen die Klänge plötzlich in eine wilde, be-
rauſchende Tanzmelodie über, die ſelbſt auf Gyula mäch-
tig aufregend einwirkten. Seine Phantaſie verſetzte ihn
in das Kriegsgetümmel, Reiterſchwärme brauſten an
ihm vorüber und riſſen ihn fort zu Kampf und Triumpf.
Jetzt ſtimmte der unſichtbare Muſiker einen militäri-
ſchen Pſalm an, deſſen einfache, innige Melodie den
Knaben, der nur ſelten eine Kirche beſucht, um ſo wun-
derbarer ergriffen, als dieſelben Töne ſeine Mutter ſo
oft geſungen hatte. Bilder aus ſeiner Kindheit traten
mit der ganzen Friſche und Lebendigkeit der Eindrücke
aus jener Zeit vor ſeine Seele. Er gedachte ſeiner
Mutter und des frohen, gläubigen Muthes, der ſie in
allen Bekümmerniſſen, in Gefahr und Noth aufrecht er-
hielt und ſie angetrieben, auch den Knaben vom zarte-
ſten Alter an auf den himmlichen Vater hinzuweiſen,
Bravo, Knabe,
böſe war es ja
und deren ſtets gleiches ruhiges Gemüth ſelbſt den ſtren-
ö Augen.
gen, in der Einſamkeit des Waldes faſt rauh geworde-
nen Vater gebändigt hatte. Es überkam Gyula eine
Stimmung ruhiger Zuverſicht; heiterer konnte er den
Gedanken in's Auge faſſen von Sarah vielleicht auf
lange Zeit ſich trennen zu müſſen.
In ſolcher Gemüthsſtimmung war her, als er, von
einem Geräuſch aus ſeinem Sinnen geweckt, ſie vor
ſich ſtehen ſah. ö
Er ſtand auf und ergriff ihre Hand. „Sarah,“
ſogte er, „morgen ziehe ich in die Welt!“
„Ich weiß,“ antwortete ſie mit niedergeſchlagenen
Sie hatte geweint.
(Fortſetzung folgt.)
Eine Schillerfeier an den Ufern des
Miſſiſſippi.
CFortſetzung.)
Das Feſt war in der That eine Feierlichkeit,
der 10. November ein wirklicher Feiertag, nicht nur
ein Sonntag der Herzen, ſondern auch em ſicht-
bar allgemein gefeierter Feſttag, wie ihn nur Deutſche
zu feiern verſtehen und wie es den eingeborenen Bür-
gern der großen transatlantiſchen Republik nur nach
langjähriger Uebung möglich ſein wird, ein Feſt zu be-
greifen und zu feiern. Andererſeits aber war der Geiſt,
welcher das ganze Feſt belebte und die Feiernden durch-
drang, derſelbe Geiſt, welcher die Gründer der nord-
amerikaniſchen Union beſeelte, als ſie ſich von den
drückenden Feſſeln Englands befreiten, es war der Geiſt
Schiller's, der Stauffacher im „Wilhelm Tell“ die be-
kannten ſchönen Worte ſagen ließ:
„Nein, eine Gränze hat Tyrannenmacht,
Wonn der Gedrückte nirgends Recht kann fimden,
Wenn unerträglich wird die Laſt — greift er
Hierauf getroſten Muthes in den Himmel
Und holt herunter ſeine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne ſelbſt.
Dieſe Worte erinnern nur zu ſehr an die unſterb-
liche Mnabhängigkeitserklärung, welche Thomas Jef-
ferſohn verfaßte und die am 4. Juli 1776 von dem
amerikaniſchen Kongreſſe angenommen ward. Die er-
ſten Sätze dieſer berühmten Akte, welche die angebore-
nen Menſchenrechte enthalten, lauten aber alſo: „Wenn
es nach dem Laufe menſchlicher Ereigniſſe für ein Volk
nothwendig wird, die ſtaatlichen Bande, wodurch es
mit einem andern verbunden war, aufzulöſen und un-
ter den Mächten der Erde den abgeſonderten und gleich-
mäßigen Rang einzunehmen, zu dem es durch die Ge-
ſetze der Natur und Gottes in der Natur berechtigt iſt,
ſo erheiſcht es die geziemende Achtung, die man den
Meinungen der Menſchen ſchuldig iſt, die Urſachen die-
ſer Abſonderung öffentlich bekannt zu machen. Wir
halten die nächſtfolgenden Wahrheiten für durch ſich
ſelbſt erwieſen, daß alle Menſchen einander gleich er-