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Erzählung derſelben wirkt mächtiger als Darſtellnng.
Die Handlung des Stückes beſteht nicht in dem,
was auf der Bühe ſichtbar vorgeht, ſondern in den
Veränderungen der Charaktere, welche durch die Sprache
offenbar werden.
Die poetiſche Wahrheit iſt ganz unabhängig von
der hiſtoriſchen Wahrheit. Im Drama kommt es aber
einzig und allein auf die poetiſche Wahrheit an.
Nicht Täuſchung iſt der Zweck der Bühne, ſondern
Offenbarung der Wahrheit.
Alles, was die Augen auf der Bühne ſehen, iſt nur
Mittel zu dem Zwecke, das verſtändlicher zu machen,
was die Ohren hören und Alles, was die Ohren von
der Bühne aus vernehmen, iſt nur Mittel zum Zwecke,
das verſtändlicher zu machen, was das geſchriebene
Dichterwort beſagt. Je vollkommener ein Menſch das
geſchriebene Dichterwort verſteht, deſto weniger bedarf
er der Illuſtration deſſelben durch Ohr und Auge, —
deſto ſchwerer iſt er durch ſolche Illuſtration zu befrie-
digen. ö ö
Der Dichter muß ſeine Menſchen ſozſprechen laſ-
ſen, wie Menſchen zprechen würden;. welche der Rede
vollkommen mächtig wären und zwar nicht nur der cor-
recten, ſondern der ſchönen Rede.
Der Schauſpieler hat auf der Bühne nicht natur-
wahr zu ſprechen, ſondern geiſtwahr: alſo als ein höchſt
gebildeter Menſch, welcher gleich weit von Gemeinheit
wie von Affektation iſt, ja als ein ſo edles Weſen, daß
der Hörer es ganz in der Ordnung findet, daß dieſes
Weſen vollkommen korrect und ſchön redet — z. B. in
Verſen.
Von allem was auf der Bühne geſprochen wird,
ſind die Monologe und das, was „bei Seite“ geſpro-
chen wird, die Hauptſache. Ein Stück, welches derſel-
ben ganz entbehrte, wäre ein armſeliges Machwerk.
Der Schauſpieler hat die Aufgabe, die poetiſche
Wahrheit als itendiſch mit der pſychologiſchen Wahrheit
darzuthun, — die hiſtoriſche Wahrheit geht ihn nichts an.
Handlung hat ein Drama nicht dann, wenn viel
auf der Bühne geſchieht, ſondern wenn die dargeſtell-
ten Charaktere ſich mit und an einander entwickeln und
wenn das, was ausgeſprochen wird, geeignet iſt, durch
ſichtbare Bewegungen illuſtrirt zu werden.
Die Decoration der Bühne hat nur dann einen
Werth, wenn ſie der Stimmung entſpricht, welche der
Gang des Stückes in den Zuſchauern hervorbringt.
Der elendeſten Barbarei macht ſich Der fchuldig,
welcher die lyriſchen und epiſchen Stellen aus einem
Drama herausſchneidet, denn durch dieſe Stellen gerade
wird die Wirkung der Handlung auf die Zuſchauer.
vermittelt.
Die Kunſt iſt keiner Vervollkommnung fähig, weil
jedes ihrer Werke nur ſo weit überhaupt ein Kunſtmerk
iſt, als es vollkommen iſt. Nur die Aufgaben, welche
die Kunſt zu löſen hat, ändern ſich mit der fortſchrei-
tenden Entwickelung der Menſchheit. Die Aufgaben
werden immer ſchwieriger, daher wahre Kunſtwerke im-⸗
mer ſeltener. Hieraus erklärt ſich, wie der Schein ent-
93
Gewaltſame Thaten gehören nicht auf die Bühne. ſteht, als ob die Kunſt zurückginge, während die Cul-
tur fortſchreitet. ö
Die Furcht iſt die Wurzel des Mitleides: die Be-
dingung der Verſtändlichkeit. Wenn wir ſehen und
hören, wie eine Creatur ſich quält, für deren Zuſtände
wir kein Verſtändniß haben, ſo erſcheint ſie uns lächer-
lich, anſtatt unſer Mitleid zu erregen.
Die Gemeinheit darf nur dann auf der Bühne er-
ſcheinen, wenn ſie als Naivität ſich darſtellt, d. h. als
Wahrheit in Urſprünglichkeit.
Die Komödie muß ebenſo wie die Tragödie eine
kathartiſche Wirkung haben. Katharſis heißt Reini-
gung und dieſe beſteht im Abthun des Schmutzes, um
das reine Weſen ſichtbar zu machen. Durch die Ko-
mödie gelangt der Zuſchauer zu ſeiner geiſtigen Geſundt-
heit — das Lachen ſchüttelt die weltliche Jämmerlich-—
keit ab. Die Tragödie übt auf den geſunden Men-
ſchengeiſt eine vorübergehende, veredelnde, verklärende,
die Gottähnlichkeit fördernde Wirkung. Sie bringt
alſo die Kartharſis zur Vollendung, während die Ko-
mödie nur erſt ſie zur Geltung bringt.
Die Tragödie ſoll das Natürliche idealiſiren, die Ko-
mödie ſoll es karrikiren. Beide weiſen den Zuſchauer
auf das Ewige hin, indem ſie die Unzulänglichkeit
Weſens in's Bewußtſein bringen, welche als Pathos
(Ringen) in der Tragödie, als Gelaion (Lächerlichktit)
in der Komödie zur Erſcheinung kommt.
Eiſerne Häuſer. Die w„Wiener Ausſtellungs-
Ztg.“ ſchreibt: Der in England vielgekannte Reiſe⸗-Ar-
rangeur Herr Cook iſt in Wien eingetroffen, um das
Terrain zu recognosciren und behufs eines projectirten
rieſigen Zuzuges von Vergnügungsreiſenden zur Zeit
der Weltausſtellung die nöthigen Vorkehrungen zu treſ
fen. Herr Cook gedenkt aus England und Amerika
Tauſende von Gäſten nach Wien zu bringen. Dieſer
Tage wurde der eifrige Arrangeur, der wegen Durch-
führung ſeiner Pläne großartige Dispoſitionen trifft,
vom Herrn Baron Wertheim dem Herrn Bürgermeiſter
Dr. Felder vorgeſtellt, wobe i Herr Cook, als das Ca-
pitel Wohnungsnoth zur Spräche kam, die Abſicht äu-
ßerte, viertauſend eiſerne Häuſer nach engliſchem Mu-
ſter anfertigen und zu gedachtem Zeitpunkte hierher
transportiren zu laſſen. Dieſelben könnten, ſo meint
Hr. Cook, nicht nur während der Ausſtellungsepoche,
ſondern auch in der Folge bleibend benutzt werden.
Jedeufalls ein Plan, der ſich noch beſprechen läßt.
Munitionsverſchwendung. Man beendigt
gegenwäntig im franzöſiſchen Miniſterium, ſchreibt
„Praris⸗Journal“, die approxim ative Berechnung der
während der erſten Belagerung von Paris verbrauch-
ten Munitionen. Um eine Idee von der Verſchleu de-
rung zu geben, die geherrſcht hatte, wollen wir die ein-
zige Thatſache erwöhnen, daß an einem Decembermor-
gen das Fort Vanvres allein 800 Kanonenfchüſſe auf
eine baieriſche Schildwache abgeſchoſſen, ohne ſie zu er-
reichen.
Erzählung derſelben wirkt mächtiger als Darſtellnng.
Die Handlung des Stückes beſteht nicht in dem,
was auf der Bühe ſichtbar vorgeht, ſondern in den
Veränderungen der Charaktere, welche durch die Sprache
offenbar werden.
Die poetiſche Wahrheit iſt ganz unabhängig von
der hiſtoriſchen Wahrheit. Im Drama kommt es aber
einzig und allein auf die poetiſche Wahrheit an.
Nicht Täuſchung iſt der Zweck der Bühne, ſondern
Offenbarung der Wahrheit.
Alles, was die Augen auf der Bühne ſehen, iſt nur
Mittel zu dem Zwecke, das verſtändlicher zu machen,
was die Ohren hören und Alles, was die Ohren von
der Bühne aus vernehmen, iſt nur Mittel zum Zwecke,
das verſtändlicher zu machen, was das geſchriebene
Dichterwort beſagt. Je vollkommener ein Menſch das
geſchriebene Dichterwort verſteht, deſto weniger bedarf
er der Illuſtration deſſelben durch Ohr und Auge, —
deſto ſchwerer iſt er durch ſolche Illuſtration zu befrie-
digen. ö ö
Der Dichter muß ſeine Menſchen ſozſprechen laſ-
ſen, wie Menſchen zprechen würden;. welche der Rede
vollkommen mächtig wären und zwar nicht nur der cor-
recten, ſondern der ſchönen Rede.
Der Schauſpieler hat auf der Bühne nicht natur-
wahr zu ſprechen, ſondern geiſtwahr: alſo als ein höchſt
gebildeter Menſch, welcher gleich weit von Gemeinheit
wie von Affektation iſt, ja als ein ſo edles Weſen, daß
der Hörer es ganz in der Ordnung findet, daß dieſes
Weſen vollkommen korrect und ſchön redet — z. B. in
Verſen.
Von allem was auf der Bühne geſprochen wird,
ſind die Monologe und das, was „bei Seite“ geſpro-
chen wird, die Hauptſache. Ein Stück, welches derſel-
ben ganz entbehrte, wäre ein armſeliges Machwerk.
Der Schauſpieler hat die Aufgabe, die poetiſche
Wahrheit als itendiſch mit der pſychologiſchen Wahrheit
darzuthun, — die hiſtoriſche Wahrheit geht ihn nichts an.
Handlung hat ein Drama nicht dann, wenn viel
auf der Bühne geſchieht, ſondern wenn die dargeſtell-
ten Charaktere ſich mit und an einander entwickeln und
wenn das, was ausgeſprochen wird, geeignet iſt, durch
ſichtbare Bewegungen illuſtrirt zu werden.
Die Decoration der Bühne hat nur dann einen
Werth, wenn ſie der Stimmung entſpricht, welche der
Gang des Stückes in den Zuſchauern hervorbringt.
Der elendeſten Barbarei macht ſich Der fchuldig,
welcher die lyriſchen und epiſchen Stellen aus einem
Drama herausſchneidet, denn durch dieſe Stellen gerade
wird die Wirkung der Handlung auf die Zuſchauer.
vermittelt.
Die Kunſt iſt keiner Vervollkommnung fähig, weil
jedes ihrer Werke nur ſo weit überhaupt ein Kunſtmerk
iſt, als es vollkommen iſt. Nur die Aufgaben, welche
die Kunſt zu löſen hat, ändern ſich mit der fortſchrei-
tenden Entwickelung der Menſchheit. Die Aufgaben
werden immer ſchwieriger, daher wahre Kunſtwerke im-⸗
mer ſeltener. Hieraus erklärt ſich, wie der Schein ent-
93
Gewaltſame Thaten gehören nicht auf die Bühne. ſteht, als ob die Kunſt zurückginge, während die Cul-
tur fortſchreitet. ö
Die Furcht iſt die Wurzel des Mitleides: die Be-
dingung der Verſtändlichkeit. Wenn wir ſehen und
hören, wie eine Creatur ſich quält, für deren Zuſtände
wir kein Verſtändniß haben, ſo erſcheint ſie uns lächer-
lich, anſtatt unſer Mitleid zu erregen.
Die Gemeinheit darf nur dann auf der Bühne er-
ſcheinen, wenn ſie als Naivität ſich darſtellt, d. h. als
Wahrheit in Urſprünglichkeit.
Die Komödie muß ebenſo wie die Tragödie eine
kathartiſche Wirkung haben. Katharſis heißt Reini-
gung und dieſe beſteht im Abthun des Schmutzes, um
das reine Weſen ſichtbar zu machen. Durch die Ko-
mödie gelangt der Zuſchauer zu ſeiner geiſtigen Geſundt-
heit — das Lachen ſchüttelt die weltliche Jämmerlich-—
keit ab. Die Tragödie übt auf den geſunden Men-
ſchengeiſt eine vorübergehende, veredelnde, verklärende,
die Gottähnlichkeit fördernde Wirkung. Sie bringt
alſo die Kartharſis zur Vollendung, während die Ko-
mödie nur erſt ſie zur Geltung bringt.
Die Tragödie ſoll das Natürliche idealiſiren, die Ko-
mödie ſoll es karrikiren. Beide weiſen den Zuſchauer
auf das Ewige hin, indem ſie die Unzulänglichkeit
Weſens in's Bewußtſein bringen, welche als Pathos
(Ringen) in der Tragödie, als Gelaion (Lächerlichktit)
in der Komödie zur Erſcheinung kommt.
Eiſerne Häuſer. Die w„Wiener Ausſtellungs-
Ztg.“ ſchreibt: Der in England vielgekannte Reiſe⸗-Ar-
rangeur Herr Cook iſt in Wien eingetroffen, um das
Terrain zu recognosciren und behufs eines projectirten
rieſigen Zuzuges von Vergnügungsreiſenden zur Zeit
der Weltausſtellung die nöthigen Vorkehrungen zu treſ
fen. Herr Cook gedenkt aus England und Amerika
Tauſende von Gäſten nach Wien zu bringen. Dieſer
Tage wurde der eifrige Arrangeur, der wegen Durch-
führung ſeiner Pläne großartige Dispoſitionen trifft,
vom Herrn Baron Wertheim dem Herrn Bürgermeiſter
Dr. Felder vorgeſtellt, wobe i Herr Cook, als das Ca-
pitel Wohnungsnoth zur Spräche kam, die Abſicht äu-
ßerte, viertauſend eiſerne Häuſer nach engliſchem Mu-
ſter anfertigen und zu gedachtem Zeitpunkte hierher
transportiren zu laſſen. Dieſelben könnten, ſo meint
Hr. Cook, nicht nur während der Ausſtellungsepoche,
ſondern auch in der Folge bleibend benutzt werden.
Jedeufalls ein Plan, der ſich noch beſprechen läßt.
Munitionsverſchwendung. Man beendigt
gegenwäntig im franzöſiſchen Miniſterium, ſchreibt
„Praris⸗Journal“, die approxim ative Berechnung der
während der erſten Belagerung von Paris verbrauch-
ten Munitionen. Um eine Idee von der Verſchleu de-
rung zu geben, die geherrſcht hatte, wollen wir die ein-
zige Thatſache erwöhnen, daß an einem Decembermor-
gen das Fort Vanvres allein 800 Kanonenfchüſſe auf
eine baieriſche Schildwache abgeſchoſſen, ohne ſie zu er-
reichen.