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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Heidelberger Familienblätter.

ö Belletriſliſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

Ur. 54.

Mittwoch, den 7. Juli

1886.



——— —

Ein ſeltſames Duell.
Erzählung von F. Arnefeldt.
(Fortſetzung.)

Heinrich dankte dem alten Herrn ſo ſpöttiſch und ſo
übermüthig, wie es ſeine natürliche Gutmüthigkeit zuließ,
für ſeinen guten Rath und machte ſich im Kreiſe ſeiner

Kameraden über den alten Krämer luſtig, der ſeine Gelz-

liebe ſo weit treibe, daß er ſich ſogar um die Summen
ängſtige, die ein anderer ausgebe. Ganz auf unfruchtbaren
Boden war die Warnung aber doch nicht gefallen. Der
junge Verſchwender beſann ſich einen Augenblick auf ſich
ſebſt, ſagte ſich, daß es ſo doch nicht fortgehen könne und
dachte daran, irgend einen Beruf zu ergreifen.
Das war nun allerdings nicht ſo leicht ausführbar.
Es fehlte ihm die Vorbildung, um in die Diplomatie oder
in den höheren Staatsdienſt zu treten, und er hatte zu
lange ſchon den Kavalier geſpielt, um das durch den Be-
ſuch einer Univerſität noch nachholen zu können.
Mit der Armee ſtand es nicht viel anders; ſollte der
glänzende, der gefeierte Heinrich Heldborn in einem Regi-

ment in einer elenden Garniſon von unten auf dienen?

Beſſer noch, ſich in die Einſamkeit ſeines Gutes vergraben
und ein Leben führen wie ſein Vater! Er ſchauderte, auch
das war unmöglich, und doch gab es keinen andern Aus-
weg, denn irgend einen bürgerlichen Beruf, zu dem er viel-
leicht die Fähigkeit beſeſſen hätte, konnte und durfte er
nicht ergreifen, das verbot ſein Standesbewußtſein.
Hätte Heinrich in dieſer Kriſis einen einzigen redlichen
und verſtändigen Rathgeber beſeſſen, vielleicht wäre er von
dem Abgrunde, dem er zutaumelte, noch zurückzureißen ge-
weſen. Er beſaß keinen, ſtatt deſſen aber einen ſogenannten
Freund, der ſich die Unerfahrenheit des jungen Mannes in
ſchamloſer Weiſe zu Nutze machte. Er lachte ihn wegen
ſeiner philiſtröſen Anwandlungen aus, berief ſich auf den
leider ſo oft gemißbrauchten Spruch „Noblesse oblige“
und bewies ihm, daß es nicht nur das Recht, ſondern die
Pflicht eines Abkömmlings vom alten Adel ſei, ein Leben
zu führen, wie er es bisher gethan. Uebrigens, fügte er
hinzu, gebe es auch noch Mittel, in kavaliermäßiger Weiſe
ſeine Finanzen zu verbeſſern, was man am Spieltiſche ver-
loren, könne man daſelbſt auch wieder gewinnen, nur müſſe
man dafür einen geeigneteren Schauplatz aufſuchen als Wien.
„Heinrich folgte den Rathſchlägen des falſchen Freundes,
wie ein Vogel dem Lockruf des Vogelſtellers, reiſte mit ihm
zunächſt nach Baden⸗Baden und Homburg, wo er anfäng-
lich gewann und ließ ſich, als das Glück ihn zu verlaſſen
begann, von ſeinem Begleiter leicht überreden, mit ihm nach
Paris zu gehen.
Baron Willmers, wie Heinrichs Mentor ſich nannte,
beſaß hier einige gleichgeſinnte Freunde, die auf den jungen
Deutſchen völlig Beſchlag legten, ihn in die „Geheimniſſe
von Paris“ einweihten und ihn verhinderten, Eingang in
beſſere Kreiſe zu finden, die ſich ihm vermöge ſeines Na-
mens unſchwer geöffnet haben würden, und in denen er ſich,
da er fließend franzöſiſch ſprach, leicht hätte bewegen können.

Die ſaubere Geſellſchaft hatte es darauf abgeſehen,
Heldborn ſyſtematiſch auszuplündern; eher noch als ſie es
ſelbſt gedacht, hatten ſie dieſen Zweck vollſtändig erreicht.
Heinrichs Gut war bereits verkauft und eines Tages ſandte

;ihm ſein Bankier die vollſtändige Aufſtellung ſeines Soll

und Haben. Mit Schrecken erkannte er, daß ſein ganzes
Vermögen noch aus zehntauſend Gulden beſtehe, waren dieſe
erſt verbraucht, ſo war er ein Bettler.
In ſeiner Verzweiflung machte er Willmers zu ſeinem
Vertrauten und führte dadurch die Kataſtrophe nur um ſo
ſchneller herbei. Die Gaunerbande hatte ihn für viel
reicher gehalten und ſich deßhalb gehütet, die Masken zu
früh zu lüften, um ihn nicht zu verſcheuchen. Man hatte
ihn geſchont, ihn öfter gewinnen laſſen und Willmers hatte
ihn ſogar vor den Gefahren, die in Paris auf junge un-
erfahrene Leute lauern, gewarnt und ihm Lehren gegeben,
vermöge welcher er auf ſeiner Hut ſein ſollte. Nun konnte
man die Taktik ändern, die Gans hatte keine goldene Eier
mehr zu legen, ſie konnte geſchlachtet werden.
Noch einmal ſpielte ſich Willmers als den Biedermann
auf, tröſtete ſeinen jungen Freund, bat ihn, nicht zu ver-
zweifeln und verſicherte ihm, es werde ihm durch ſeine Ver-

bindungen, die er in den höchſten Kreiſen habe, ein Leichtes
ſein, ihm irgend ein Hofamt bei einem deutſchen Herzog

oder Fürſten zu verſchaffen. Dazu ſei aber vor allen

Dingen nothwendig, daß er an ſeinem bisherigen Auftreten

nichts ändere, den Kopf oben behalte und guter Dinge ſei.
Um ihn zu zerſtreuen, lud er ihn zum Diner mit ein paar
guten Freunden in ſeine Wohnung. Nach Tiſche ward
geſpielt, anfangs zu beſcheidenen Sätzen, bald höher und
höher. Wie ſchon häufig, war Heinrich bei den erſten
Spielen der Gewinnende, dann ſchwankte das Glück hin
und her, endlich verließ es ihn ganz.
Als er beim grauen Dämmerlicht des neu anbrechenden
Tages, ſeiner Sinne kaum mächtig, nach Hauſe ſchwankte
und ſich in einem Zuſtande der tiefſten körperlichen und
ſeeliſchen Erſchöpfung auf ſein Lager warf, war er ein
Bettler. Er hatte Anweiſung auf die letzten zehntauſend
Gulden gegeben, die er noch ſein genannt. ö
Er verbrachte die nächſten Tage beinahe ausſchließlich
im Bette, er fühlte ſich unausſprechlich elend, mochte keinen
Menſchen ſehen, es ſtellte ſich ſogar Fieber bei ihm ein,
er war ernſtlich krank. In dieſem Zuſtande fand ihn Will-
mers, der endlich kam, ſich nach ſeinem jungen Freunde zu
erkundigen. Er beſorgte ſofort einen Arzt, umgab ihn mit
der größten Sorgfalt, brachte täglich mehrere Stunden am
Bette des Kranken zu, ſuchte ihn auf jede Weiſe zu tröſten
und aufzuheitern und zeigte ihm eine Theilnahme, die Hein-
rich tief rührte und das leiſe Mißtrauen, das ſich gegen
jenen zu regen begann, im Keime erſtickte.
Erſt als der Arzt den Patienten für geneſen erklärte,
änderte ſich ſein Weſen, er zeigte Heinrich ein betrübtes,
nachdenkliches Geſicht und als dieſer ihn nach der Urſache
ſeiner Niedergeſchlagenheit fragte, geſtand er ihm, daß ſie
in der Sorge um ihn ihren Grund habe. Alle Bemühungen,
denen er ſich zu ſeinen Gunſten unterzogen, wären fehl-
geſchlagen, er habe, wenn nicht abſchlägige, ſo doch aus⸗—
 
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