Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1886

DOI chapter:
Nr. 62 - Nr. 69 (4. August - 28. August)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53862#0261

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
führte.

tidelberger Familienbläkter.

Velletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitunn.

Ur. 65. Samstag, den 14. Auguſt 1886.
ing uns geſchworen, nie Puder zu gebrauchen, Sie können es
Her Bing. mir glauben. —“ — ö
Rovelle von E. Hartner. Der Tanzſaal war glücklich erreicht, der neue Tanz
Fortſetzung.) hatte ſchon begonnen, Herr von Grüttner ſtürzte eilfertig

Sie lachte und ſah heiter zu ihm auf. „Comteſſe
Paula drückte ſchluchzend ihr Haupt in die Kiſſen, während
ſich unten der Abmarſch formirte!“ ſagte ſie.
„So traurig um unſern Abſchied?“ warf er ein.
„Sie lachte. „Ganz ehrlich geſagt, fürchte ich, meine
Thränen floſſen weniger um den Abſchied, als aus ge-
kränktem Stolz darüber, daß ich mich in meinem Alter und
bei meiner Erwachſenheit noch einer Strafe unterwerfen
mußte, wie ein unartiges Kind!“
„Und wodurch haben Sie ſich dieſe Strenge zugezogen,
Comteſſe 2“
„Wodurch? Du lieber Himmel, — meine Erzieherin
fand, daß ich mich zu ſehr im Verkehr mit den Herren
hatte gehen laſſen. Sie machte mir darüber ziemlich herbe
Vorſtellungeu und ich, in meinem halbwüchſigen Stolz,
wurde naſeweiß, — es klingt häßlich, aber ich kann es
nicht anders ausdrücken! — da hatte ich meine Strafe
weg — ö
„Und ich war um meinen Abſchiedsgruß gekommen!“
ſchloß Herr von Mannhardt lächelnd. ö
„Sage 'mal, gedenkſt du etwa heute nicht mehr zu

tanzen, Paula 2“ rief eine neckiſche Mädchenſtimme, und

Fräulein von Cramer ſtand auf der Schwelle. „Ah, Par-
don, ich ſtöre —“ ö
„Keineswegs! Tritt nur näher, Sophie! — Herr von
Mannhardt hat ſich uns als alter Bekannter entpuppt, —
er war einmal als Einquartirung in Schönheide!“
„Dann,“ verſetzte das kleine Fräulein und muſterte den

Offizier mit ſehr unbefangenen Blicken, „dann haben Sie

einen Freibrief in der Gunſt meiner Couſine, Herr von
Mannhardt, um den Sie Mancher beneiden würde!“
„Sophie, ich bitte dich, fange nicht wieder an, in Wor-
ten zu phantaſiren “ ſchnitt Gräfin Paula ihrer kecken Cou-
ſine etwas haſtig das Wort ab, während eine leichte Röthe
ihre ſtolze Stirn überflog. „Der Tanz beginnt! Mein
Tänzer wird mich wahrſcheinlich ſuchen, — laſſen Sie uns

in den Ballſaal zurückkehren!“

„Mein Tänzer braucht mich nicht zu ſuchen, ich habe

mir die Ehre gegeben, ihn aufzuſuchen!“ ſagte Fräulein

von Cramer einen tiefen Knir machend. „Herr von Mann-
hardt, ich hoffe, Sie haben über dem intereſſanten Geſpräch,
das ich unterbrochen, nicht vergeſſen, mit wem Sie en-
gagirt ſind “ ö ö
„In der That, mein gnädiges Fräulein, ich —“ ſtam-
melte Herr von Mannhardt, — ich bin nur allzuglücklich,
daß Sie ſich meiner noch erinnert haben!“

„Sehr freundlich von mir, nicht wahr?“ fuhr die Un-

verbeſſerliche leichtfertig fort, indem ſie ihren Arm in den

der Couſine ſchob und dieſelbe in den Tanzſaal zurück-
„So drücke mich doch nicht ſo, Paula! Still be-

kommſt du mich damit doch nicht, und wenn mein zarter,

weißer Arm rothe Druckflächen hat, — er iſt nämlich wirk-

lich nicht gepudert, Herr von Mannhardt, wir beide haben

ſprach zu dem Freunde.

im Licht der Kerzen.

auf Gräfin Paula zu.
lich!

„Gnädigſte Comteſſe, endlich, en-
Ich begann ſchon zu fürchten, Sie hätten den Ball

bverlaſſen!“ und fort zog er die Tänzerin in den Wirbel

des Galopps, deſſen luſtige, aufmunternde Klänge durch
den Saal drangen.
„So haben Sie ſich alſo wirklich als jenes Ideal aller
Ritterlichkeit ausgewieſen, als jener unerreichbare Herr von
Mannhardt, der in der Kinderphantaſie meiner Couſine ſo
lange nachgeſpukt hat!“ plauderte Fräulein Sophie, als
das Paar eine Ruhepauſe in dem Wirbel des Tanzes ein-
treten ließ. „Sie müſſen mir nicht böſe ſein, wenn ich
Sie recht ordentlich und ſehr neugierig anſehe, denn ich
muß durchaus wiſſen, wie ein Ideal ausſieht!“ ö
„Ich fürchte, gnädiges Fräulein, daß die Wirklichkeit
in trauriger Weiſe hinter dem Begriff zurückbleiben wird!“
ſagte Herr von Mannhardt lächelnd.
„Nun, ich weiß nicht, es handelt ſich ja nicht um mein

Ideal, ich habe überhaupt keine Ideale, — ſondern um

das meiner Couſine! Aber,“ — unterbrach ſie ſich ſelber,
„mir iſt doch, als ſei das Ideal Küraſſier geweſen! —
Hoch zu Roß —“
„Tempi passati!“ warf Herr von M annhardt ein
„Ich war Kavalleriſt! Jedoch nach meines Vaters Tode

ſtellte ſich unſere finanzielle Lage als ſo ſehr viel ſchlechter

heraus, als wir gedacht hatten, daß ich ſofort mit der Ver-
gangenheit brechen mußte. Ich trat in ein beſcheidenes
Linienregiment ein und entſagte dem Vergnügen, „hoch zu
Roß“ durch alle Welt zu ziehen.
„Dann hätte Sie meine Couſine freilich lange in jedem
Küraſſier ſuchen können, der ihr über den Weg kam, —
es waren ihrer übrigens nicht ſehr viele!“ plauderte das
junge Mädchen weiter. „Sie ahnen gar nicht, Herr von
Mannhardt, was für merkwürdige Gegenſätze in dem dunk-
len Haupt zuſammenſtecken, das ſie jetzt ſo ſtolz verneigt!
Die Sanftmuth der Taube und der Stolz des Adlers, die

bebende Schüchternheit des Rehes und der Muth des Löwen!

Eine Zähigkeit im Feſthalten von Eindrücken, die — wer
iſt der Offizier, der eben mit ihr ſpricht?“ ö
„Lieutenant von Bohsdorf, mein intimſter Freund!“
„Oh, ich wette, ich weiß, wovon ſie ſprechen!“
Das Geſpräch ſtockte. Es war Herrn von Mannhardt
während deſſelben eigenthümlich ſchwül geworden. Der

Tanz wirbelte fort, aber weder er noch ſeine Tänzerin

dachten daran, ihn wieder zu beginnen. Gerade gegenüber,
am andern Ende des Saales ſah er die Gräfin Erk, ſie
Er hätte alles darum gegeben,
wenn er den Inhalt des Geſpräches hätte hören können.
„Es iſt ganz ſonderbar heiß hier!“ ſagte er endlich gepreßt.
„Ganz ſonderbar!“ und er zog ſich den Handſchuh der
linken Hand aus. An ſeinem kleinen Finger trug er einen
Ring, ein einfacher Goldreif, mit einem funkelnden Dia-
manten geſchmückt. Er warf vielfarbige Regenbogenſtrahlen
 
Annotationen