Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1886

DOI Kapitel:
Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53862#0241

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
jridelberger amilicnblätter.

Belletriiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

Ar. 60.

Mittwoch, den 28. Juli

1886.

Die Fortſetzung des laufenden Romans wird bis zum
volandigen Abdruck der uns von hochgeſchätzter Seite
zugegangenen, intereſſanten und zeitgemäßen Mitthei-
lungen „Zur Geſchichte von Univerſität und Stadt
Heidelberg“, mit welchem wir heute beginnen, ver-
ſchoben. D. R.

8 Jur Geſchichte
von Univerſität und Stadt Heidelberg.

Ein Blick auf die Geſchichte von Univerſität und Stadt
Heidelberg iſt in dem Augenblick, wo ihr fünfhundertjähri-
ges Beſtehen gefeiert werden ſoll, ein dankbares Unter-
nehmen, wenn es gelingt, die hauptſächlichſten Momente zu
erfaſſen und ohne gelehrtes Beiwerk vorzuführen. Ver-
ſuchen wir es für die Leſer dieſer Blätter, die einen An-⸗
ſpruch darauf haben, zu erfahren, warum ſeit Monaten die
ganze Stadt ſich auf dieſes Feſt vorbereitet.
Es war eine gewaltige Geiſtesthat, in dieſer Stadt ein
Generalſtudium, wie man die Univerſität anfangs hieß, zu

errichten, und Kurfürſt Ruprecht I. erhob ſich bei dieſer

Schöpfung hoch über ſeine Zeitgenoſſen unter den Reichs-
fürſten, als ein ebenbürtiger Nacheiferer Kaiſer Karls IV.,
der ihm in Prag mit der Stiftung einer Univerſität vor-
angegangen war.
Mit dieſer That hat Ruprecht die Stadt Heidelberg
gewiſſermaßen zum zweiten Mal gegründet. Denn unbe-
deutend und von einer wenig zahlreichen Bevölkerung be-
wohnt, dehnte ſich vor Gründung der Univerſität die Stadt
zwiſchen der heutigen Grabengaſſe, dem Abhang des Schloß-
bergs und dem Neckar aus, im Oſten bis zur Plankengaſſe
und der damals ſchief von ihr zum Neckar ſich hinabziehen-
den Leyergaſſe reichend. Fremdartig würde einem Bewohner
der Jetztzeit der Anblick von Stadt, Schloß, Fluß und
Thal in jener Zeit erſcheinen. Denn da, wo die herrliche
Rnine jetzt in das Thal herabſchaut, ſtand dazumal eine
einfache mittelalterliche Burg, deren Mauern ſich über den
damals in ſteiler Böſchung zur Stadt herabfallenden Weſt-
abhang des Jettenbühls nur wenig erhoben.
Unbedeutende Mauern umgaben die junge Stadt, über
welcher am Schloßberg nahe der obengenannten Burg ſich
die Burgmannen in einigen Häuſern angeſiedelt hatten.
Die Stadt ſelbſt imponirte nicht durch ſtattliche Thürme.

Die gewaltige Heiliggeiſtkirche war damals noch eine un-

bedeutende Kapelle inmitten des Friedhofes der Stadt und
eine Filiale der St. Peterskirche in dem uralten Dorfe
Bergheim, das ſchon in den Römerzeiten vorhanden war.
Da wo jetzt die prächtige Peterskirche ſteht, die den Namen
der Mutterkirche in Bergheim angenommen hat, ſtand da-
mals eine Kapelle, Maria in der Einöde genannt. Im
Oſten und Weſten lehnte ſich an die Stadtmauer je ein
Kloſter, das der Franziskaner, einſt auf dem Karlsplatze
gelegen, und das der Auguſtiner auf dem Ludwigsplatze.
Die Hauptmaſſe der Häuſer drängte ſich noch in der Nähe
des Marktes zuſammen, deſſen Nachbarſchaft noch im 17.
Jahrhundert das Quartier der reicheren Einwohner war.
An den Ufern des damals noch in weit breiterem Bette

fließenden Neckars, der die Gegenden, wo jetzt die auf den

genden errichtet wurden.

Neckar mündenden Straßen en den, noch überfluthete, weß-
halb die Gegend zwiſchen den Bögen und der Brücke die
Froſchau hieß, wohnten die älteſten Bewohner der Stadt,
die Fiſcher und Fährleute, zu denen ſich dann die von der
kurfürſtlichen Hofhaltung herbeigezogenen erſten Gewerb-
treibenden geſellten. Mitten durch die Stadt, vom Lud-
wigsplatz bis zur Plankengaſſe zog ſich ſchon damals die
Hauptſtraße, obere Straße genannt im Gegenſatz zur un-
teren Straße, die über den Fiſchmarkt weg ihre Fortſetzung
in der Hirſchſtraße fand. Die obere Straße war an der
Südſeite des Markts ſchon dichter mit Häuſern beſetzt als
im Weſten, am untern oder niedern Thor, das im Gegenſatz
zum obern Thor an der Plankengaſſe ſeinen Namen hatte.
Beim niedern Thor zweigte ſich ſchon damals die Auguſtiner-
gaſſe und weiterhin die Heugaſſe ab, die ehemals über den
Platz, wo die Jeſuitenkirche ſteht, gegen die füdliche Stadt-
mauer ſich erſtreckte. Zwiſchen Auguſtiner- und Heugaſſe,
in der Richtung der Schulgaſſe zog ſich einſt die Juden-
gaſſe hin, welche ſpäter, als da wo jetzt die Dreikönigſtraße
liegt, ein neues Judenquartier entſtand, die obere Juden-

gaſſe hieß. Denn Ruprecht J. hatte in den Zeiten des

ſchwarzen Tods zwiſchen 1347 und 1349 den ſchwer ver-
folgten Juden hochherzig in ſeiner jungen Stadt eine Zu-
fluchtſtätte gewährt. Auf der Nordſeite der oberen Straße
zweigten ſich ſchon damals wie heute noch die Straßen ab,
die zum Neckar führen, auch ſchon damals ähnlich den
oberhalb der Brücke gelegenen Straßen von Leuten be-
wohnt, die ihr Gewerbe auf den Neckar wies. Auf die
Heugaſſe folgte wie heute die Kettengaſſe, an deren Süd-
ende das Marktbrunnenthor ſtand. Zwiſchen ihr und der
oberen Judengaſſe dehnten ſich noch weithin Gärten aus,

auch ein Zeichen, daß die Stadt vom Markt und Rathhaus

aus ſich nach Weſten hin vergrößert hat, wie denn auch
die neuen der Univerſität dienenden Gebäude in dieſen Ge-
Nach Weſten vor der Stadtmauer
folgten Gärten, Weinberge und Felder bis in die Gegend
der Bergheimer Mühle, wo das Dorf Bergheim begann.
In dieſer jungen wenig volkreichen Stadt gründete Kur-
fürſt Ruprecht I., der 1390 im Alter von 81 Jahren ſtarb,
kurz vor ſeinem Tode eine Univerſität, die dritte, ſeit Prag
und Wien entſtanden waren, jetzt die älteſte im deutſchen
Reiche. Er hatte dabei in gleicher Weiſe das Wohl ſeiner
Stadt und das der Kirche im Auge. Längſt waren die
einſt ſo blühenden Dom⸗ und Kloſterſchulen, wo früher der
Klerus ausgebildet wurde, zerfallen und ſtatt in ihnen
ſuchten die Jünglinge, welche ſich dem geiſtlichen Stande
widmen wollten, auf der hohen Schule in Paris oder jen-
ſeits der Alpen auf den italieniſchen Univerſitäten ihre
Ausbildung. Aber ſeit im Jahr 1378 das Schisma in
der Kirche eingetreten war und die Univerſität Paris ſich
dem ſchismatiſchen Papſte unterworfen hatte, war dem
deutſchen Studenten die dadurch ketzeriſche Univerſität ver-
ſchloſſen und er fand nur fern im Oſten oder im Süden
jenſeits der Alpen orthodoxe Schulen, die dem Papſte in
Rom gehorchten. Da war es nun eine kühne und weiten
Blick verrathende That, in Mitten von Deutſchland, deſſen
Schwerpunkt damals am Rheine lag, eine Univerſität zu
 
Annotationen