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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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jeidelberger Familienblätter.

‚ Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Beitung.

br. 58. Mittwoch,

den 21. Juli

1886.

— —

Ein ſeliſames Duell.
Erzähluug von F. Arnefeldt.
(Fortſetzung.)

III. ö
Ueber dem Walde von Vincennes lag es wie ein ganz
feiner, weißer Schleier. Es hatte während der Nacht ge-
regnet, ſchwere Tropfen hingen in dem jungen noch viel-
fach durchſichtigen Laube der Bäume und in den Gräſern
am Boden, aber die jetzt klar und glänzend am blauen
Himmel ſtehende Sonne ſaugte mit ihren Flammenſtrahlen
das gleich Demanten funkelnde Naß ſchnell auf. Der Früh-
lingsmorgen war von einer entzückenden Friſche und Schön-
heit, in der Natur lag ein Frieden, der wenig mit dem
Werke harmonirte, zu welchem die Herren, welche nacheinan-

der anlangten, die Einſamkeit des Waldes aufgeſucht hatten.

Frankenſtein und Heinrich waren in einem Miethwagen
gekommen. In der Nähe des Dorfes St. Mande ſtiegen

ſie aus, richteten ihre Schritte nach dem Walde und bogen
in einen Fußpfad ein, der ſie nach einigen Windungen nach

einer von dichtem Nadelholz umgebenen Waldwieſe, dem für
die Zuſammenkunft verabredeten Ort, brachte.
Heinrich trug dunkle Beinkleider,
Rock und einen ſchwarzen Hut; die Sachen ſaßen ihm
ſchlecht und waren, wie der Augenſchein lehrte, in aller
Eile für dieſe Gelegenheit beſchafft worden, dennoch trat
ſeine ſchöne Geſtalt auch in der unvortheilhaften Tracht
hervor und Herr von Frankenſtein, der ſeine Blicke von
dem ernſten, bleichen und doch ſo ruhigen Geſichte ſeines
jungen Gefährten gar nicht abzuwenden vermochte, hatte im
ſtillen ſeine Freude daran, den öſterreichiſchen Edelmann
wieder aus der Uniform eines franzöſiſchen Sergeanten
herausgeſchält zu ſehen.
Sie waren die erſten auf dem Platze und ſetzten ſich
wartend auf einen Baumſtamm, ihre Geduld wurde indeß
auf keine harte Probe geſetzt. Nach Verlauf von fünf
Minuten wurden Schritte und Stimmen vernehmbar und es
erſchienen drei Herren, welche ebenfalls ſämmtlich bürger-
liche Kleidung trugen. Herr von Frankenſtein würde in
Gang und Haltung des einen trotzdem unſchwer den Offi-
zier erkannt haben; die in den ſchönen, dunklen Zügen aus-
geprägte unerbittliche Entſchloſſenheit, die Leidenſchaft, welche
aus den ſchwarzen Augen blitzte, ließen ihm vollends keinen
Zweifel darüber, daß dies Victor von Narbonne ſei. Der
wild aufbrauſende, enthuſiaſtiſche Charakter des jungen Offi-
ziers ſprach ſich in einer ſo lesbaren Schrift auf ſeinem
Geſichte aus, daß der Baron vollſtändig begriff, wie er
dazu gekommen war, ſeinen ihm im Range nicht gleich-
ſtehenden Nebenbuhler zum Zweikampf herauszufordern.
„Der Sekundant des Herrn von Narbonne, welcher einen
Piſtolenkaſten trug, trat auf Herrn von Frankenſtein zu
und ſtellte ſich ihm vor.
in der Tagesliteratur einen guten Klang hatte, und der
Baron erkannte und würdigte das Zartgefühl, welches den
Lieutenant abgehalten hatte, einen Kamernden zum Sekun-
danten zu wählen. * ö

einen dunklen

Er war ein Mann, deſſen Name

Während Narbonnes zweiter Begleiter, der Arzt, etwas
abſeits trat, um von den andern möglichſt unbemerkt ſeine
Vorbereitungen zu treffen, richtete Frankenſtein, mehr der
Form wegen, als mit irgend welcher Hoff nung auf Erfolg,
an Narbonnes Sekundant die Frage, ob keine Möglichkeit
da ſei, die beiden Gegner noch zu einem friedlichen Aus-
gleich zu bewegen. ö
„Ich bin zu meinem Bedauern außer Stande, dazu die

Hand zu bieten,“ war die kopfſchüttelnd ertheilte Antwort,

„ich kenne weder den Namen des Herrn, mit dem ſich
Lieutenant von Narbonne ſchlägt, noch die Urſache des
Duells. Mein Freund hat mir lediglich verſichert, die letztere
ſei eine gerechte und ehrenhafte und könne lediglich durch
die Waffen entſchieden werden, er könne aber auch mir keine

nähere Erklärung geben; da ich ein unbegrenztes Vertrauen

in ſein Wort ſetze, habe ich mich ihm ohne weitere Frage
zur Verfügung geſtellt. Sie werden begreifen —“
„Vollkommen,“ fiel Frankenſtein, ſich verbeugend, ein,
„thun wir, was unſres Amtes iſt.“
Die Diſtanz ward abgemeſſen, die Piſtolen wurden ge-
laden, den Gegnern ihre Plätze angewieſen. Da keiner
der Sekundanten wußte oder wiſſen ſollte, wer der For-
dernde und wer der Geforderte war, beſtimmte ein in die
Höhe geworfenes Fünffrankſtück über den erſten Schuß,
daſſelbe entſchied für Victor von Narbonne. Er zielte,
feuerte und die Kugel fuhr ſo hart an Heinrichs Schläfe
vorbei, daß ſie ihm das Haar verſengte und die Wange

ſtreifte. Ein paar Blutstropfen rieſelten von ſeinem Ge-
ſichte hinab. Er nahm ſich nicht die Zeit, ſie mit der Hand
abzuwiſchen, ſondern erhob ſeine Piſtole und gab ſeinen
Schuß ab. ö

Ein leiſer Aufſchrei ertönte, Victor von Narbonne
wankte und fiel zu Boden; ſein Sekundant, der Arzt und
Herr von Frankenſtein eilten zu ihm und bemühten ſich
um ihn. Auch Heinrich verließ den ihm angewieſenen Poſten
und trat dem Verwundeten einige Schritte näher.
Während er dies that, fiel ſein Blick auf das die Wieſe
begrenzende Gebüſch und er zuckte erſchrocken zuſammen.
Sein ſcharfes Auge erblickte ein paar Soldaten, welche neu-
gierige Blicke auf die auf dem Kampfplatze befindliche
Gruppe warfen und im Begriffe ſtanden, ſich, gedeckt von
den Bäumen, unbemerkt davon zu ſchleichen. Kein Zweifel,
ſie waren Zeugen des Duells geweſen, hatten ihn und ſeinen
Gegner erkannt und gingen jetzt, den unglaublichen Vorfall,
dem ſie beigewohnt, weiter zu erzähleu. Hatte ein unglück-
licher Zufall ſie herbeigeführt oder war hier Verrath im
Spiele? Heinrich mußte das letztere annehmen, denn die
unerwünſchten Zuſchauer trugen die Uniformen ſeines Re-
gimentes, das Geſicht des einen war ihm ſogar bekannt.
Darüber nachzudenken, war indeß jetzt keine Zeit, auch be-
ſchloß er, das Geſehene für ſich zu behalten, denn er glaubte,
das Erſcheinen der Soldaten ſei nur von ihm bemerkt wor-
den, da die um ſeinen Gegner beſchäftigten Herren dem
Dickicht den Rücken zugekehrt hatten und jener nicht in der
Faſſung zu ſein ſchien, Dinge, die außer ihm vorgingen,
wahrzunehmen. Heinrich hatte ſich in dieſer letzteren Vor-
ausſetzung doch getäuſcht.
 
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