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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 62 - Nr. 69 (4. August - 28. August)
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Hridelberger Kanilieublütter.

Belletritiſche Beilage zur Heidelberger Zeituh.

1
V.

Ur. 63.

Samstag, den 7. Auguſt

1886.

— —

Ein ſeltſames Duell.

Erzähluug von F. Arnefeldt.
(Schluß.)

„Aber erklären Sie mir doch, Herr Baron,“ verſetzte
der Geſandte kopfſchüttelnd. Statt der Antwort entfernte
Frankenſtein das Couvert von dem an den Grafen von
Heldborn adreſſirten Brief, reichte jenem die Blätter hin
und ſagte: „Leſen Sie, ſo habe ich wenigſtens meinen
ſchönen, rührenden Bericht nicht umſonſt geſchrieben und
erſpare Ihnen und mir eine weitläufige Auseinanderſetzung.“
Der Geſandte nahm die Blätter und wandte mit einer
entſchuldigenden Verbeugung gegen ſeinen Gaſt ſeine Auf-
merkſamkeit ihrem Inhalte zu, während der Baron an's
Fenſter trat, ſeine Blicke über den im Schmucke des Früh-
lings prangenden Garten ſchweifen ließ, dabei aber doch
den Geſandten im Auge behielt, der mit ſichtlichem Intereſſe
das Geſchriebene überflog.
„Eine höchſt merkwürdige Geſchichte,“ ſagte er, als er
das Blatt ſinken ließ. „Der Majoratsherr Graf Heldborn
wegen Disciplinarvergehens in Frankreich zu zehn Jahren
ſchweren Kerkers verurtheilt!“
„Und was für ein Majoratsherr! Wir haben deren
nicht viele wie er!“ rief der Baron enthuſiaſtiſch.
„Wenn wir ihn nur erſt hätten!“ ö
„Wir müſſen ihn haben, wie machen wir es, daß wir
ihn herausbekommen, Excellenz?“ ö
„Da gibt es nur einen Weg, ich bitte um eine Audienz
beim König und trage ihm den Fall vor.“
„Thun Sie das, thun Sie das,“ bat Herr von Franken-
ſtein eifrig, „noch iſt er hier, aber in wenigen Tagen wird
er nach einer Militärſtrafanſtalt, ich glaube an der Küſte
des Meeres, abgeliefert.“

„Ich werde ſofort die nöthigen Schritte thun, aber noch

eins; Seine Majeſtät muß die Veranlaſſung zu dem Duell
erfahren; ich finde ſie in Ihrem Berichte nicht erwähnt.“
„Die beiden Gegner haben ſie ſtreng geheimgehalten,
ſie iſt vollkommen ehrenhaft.“ ö
„Daran zweifle ich nicht, da Sie der Sekundant wa-
ren,“ lautete die höfliche Antwort, „wie ich den König
kenne, wird indeß ohne vollſtändige Offenheit nichts bei
ihm auszurichten ſein.“ ö ö ö
„Der Zweck heiligt die Mittel, ich hoffe, mein junger
Freund wird mir den Vertrauensbruch verzeihen,“ ſeufzte
der Baron und weihte den Geſandten in den bis dahin
noch dunkel gelaſſenen Punkt der Geſchichte Heinrichs von
Heldborn ein.
„Oherchez la femme“, lächelte dieſer, „nun glück-
licherweiſe iſt es eine, welcher der Majoratsherr von Held-
born unbedenklich die Grafenkrone ins Haar flechten kann.
Ich hoffe, Sie werden ſchon in den nächſten Tagen Gün-
ſtiges von mir erfahren.“ ö

Baron Frankenſtein begab ſich, als er den Geſandten

verlaſſen, geradeswegs nach der Rue du Bac und ließ ſich

beim Oberſt von Beaumont melden, der den fremden Herrn

fragte Frankenſtein ſchnell.

etwas verwundert empfing und noch zurückhaltender ward,
als dieſer ihm ſagte, er komme in der Angelegenheit des
Sergeanten Held zu ihm. ö
„Mein Einfluß iſt erſchöpft, ich kann nichts mehr für
ihn thun,“ erwiderte er abweiſend. ö
„ Auch iſt es nicht meine Abſicht, Sie in dieſer Rich-
tung zu bemühen,“ verſetzte Frankenſtein, ohne ſich durch
die wenig entgegenkommende Art des Oberſten aus der
Faſſung bringen zu laſſen. „Die Sache ruht, wie ich
glaube, in den beſten Händen, unſer Geſandter wird ſie
dem Könige vortragen. Ich habe ihm zu dieſem Zwecke

die Urſachen des Duells anvertraut.“
„Sie kennen dieſe Urſachen!“ fuhr der Oberſt auf.

Er war kreidebleich geworden, die Hände ballten ſich krampf-
haft, das freundliche Geſicht ward durch den Ausdruck des
heftigſten Zornes entſtellt. ö
„Die Erregung, in welcher ich Sie ſehe, läßt mich an-
nehmen, daß auch Sie davon unterrichtet ſind,“ ſagte
Frankenſtein gelaſſen, „ich kam zu Ihnen, Sie davon in
Kenntniß zu ſetzen, da ich es für angemeſſen fand, daß
Sie nicht in Unwiſſenheit über Dinge bleiben, die Sie ſo

nahe angehen, Herr Oberſt.“

„Großen Dank, mein Herr,“ antwortete Beaumont mit

vor Wuth bebender Stimme. „Ja, ich kenne meine
Schmach! Mein unglückliches Kind hat ſich geſtern an die
Bruſt ihrer Mutter geworfen und alles geſtanden. Da die
unwürdige Angelegenheit bis an den Thron des Königs
getragen werden würde, darauf war ich nicht vorbereitet.“
„Das Geheimniß wird dort wohl verwahrt ſein.“
Der Oberſt zuckte ungeduldig die Achſeln. „Gleichviel.
Noch heute reiche ich mein Abſchiedsgeſuch ein; meine be-
klagenswerthe Tochter wird in einem Kloſter ihre Schande
verbergen, wenn ſie dieſelbe überlebt.“

„Handeln Sie nicht übereilt, Herr Oberſt, ich hoffe,

es ſoll einen andern erfreulicheren Ausweg aus dem La-
byrinth geben, in das uns die Leidenſchaft zweier heiß-
blütiger junger Männer geſtürzt hat. Der König wird,
wie ich mit Zuverſicht erwarte, von ſeinem ſchönſten Vor-
rechte, dem der Gnade Gebrauch machen.“

„Aber bei mir findet der Elende keine Gnade!“ tobtre

der Oberſt, „ſobald die Mauern des Gefängniſſes ihn nicht
mehr ſchutzen, ſchieße ich ihn über den Haufen.“
„Er liebt Ihre Tochter und wird von ihr geliebt,“
begütigte Herr von Frankenſtein.

„So, meinen Sie vielleicht, ich ſollte ſie dem begna-
digten Militärſträfling in die Arme führen? Nimmermehr.“

„Auch nicht, wenn dieſer Graf Heldborn, einer der
reichſten Standesherren der öſterreichiſchen Monarchie iſt?“
Als der Oberſt nicht ant-
wortete und ihn nur mit weit aufgeriſſenen Augen anſtarrte,
fuhr er fort: „Sie haben meine Eröffnungen nicht zu
Ende gehört, es gibt noch Neuigkeiten, die Sie nicht wiſſen
können.“ ö
Er machte ihn nun ganz kurz mit Heinrichs Herkunft
bekannt, ſowie mit der Wendung, welche ſein Schickſal
durch den Tod ſeiner Vettern genommen hatte.
„Wir werden nicht eher ablaſſen, bis wir unſern jungen
 
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