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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Hhrürlberger anilirablitter.

Belletriſtiſche Veilage zur Heidelberger Zeitung.

Samstag, den 17. Juli

1886.

Ein ſeltſames Duell.
Erzähluug von F. Arnefeldt.
Fortſetzung.)

Narbonne war ein Raub von. verſchiedenen ſich be—⸗
kämpfenden Gewalten. Die in ihm tobende Eiferſucht trieb
ihn, ſich des Gegners zu entledigen und die Ritterlichkeit
ſeines Charakters verbot ihm, bei dem Oberſten den An-
geber zu machen. Er lechzte nach dem Blute des Ver-
wegenen, der es gewagt, ihm bei Claire in den Weg zu
treten und er war doch zu ehrenhaft, um an einen Mord
zu denken. So ſah er keinen andern Ausweg, als Hein-
rich mit den Waffen in der Hand gegenüberzutreten. Was
nachher kam, war ihm gleichgültig, nur jetzt mußte ſein
Zorn dieſen Ausfluß haben, ſollte er nicht die nur noch
mühſam aufrecht erhaltenen Dämme ſprengen und ihn zu
einer That fortreißen, die er ſchwer bereuen würde.
Wie durch eine plötzliche Eingebung erkannte Heinrich
in einem Augenblicke, was in der Seele des Lieutenants
vorging und ihn zu dem unerhörten Vorſchlage gebracht
hatte. Er ſah ein, daß ihm nichts übrig bliebe, als darauf
einzugehen und kühler, wie er war, begriff er auch, daß er
dadurch das Stillſchweigen Narbonnes am beſten ſicherte
und Claire vor dem Zorn ihres Vaters ſchützte. Um einen
ſolchen Preis durfte er wahrlich nicht zögern, ſein Leben
in die Schanze zu ſchlagen.
„Ich ſtehe zu Dienſten,“ ſagte er ſich verbeugend mit

edlem Anſtande, und nun ward auch der Lieutenant wieder

ruhiger. Sie verabredeten den Ort, die Stunde und die
Waffen, denn ihr Fall war ein ſo außerordentlicher, daß
ſie dieſe Formalitäten ſelbſt regeln mußten, und ſie nicht
ihren Sekundanten überlaſſen konnten.
War es doch für Heinrich überhaupt ſchwierig, einen
Sekundanten zu finden und lange nachdem er Narbonne
verlaſſen hatte, war er über dieſe Frage noch nicht mit ſich
ins Reine gekommen.
nahe liegenden Gründen nicht in das Geheimniß ziehen und
einen andern Freund beſaß er in Paris nicht. In dieſer
Verlegenheit erinnerte er ſich endlich eines Herrn aus Wien,
den er vor etlichen Tagen in der Nähe des Palais royal
getroffen und von dem er erkannt und angeredet worden
war. Die Begegnung war ihm damals ſehr unangenehm
geweſen, denn er ſcheute es, an ſeine Vergangenheit erinnert
zu werden und wollte für ſeine Verwandten und ehemaligen
Freunde todt ſein, der gemüthliche Baron Frankenſtein hatte

ihn aber feſtgehalten, ihm, als er ſich unter dem Vorwande,

daß ihn der Dienſt rufe, möglichſt ſchnell von ihm losge-
macht, ſeine Adreſſe gegeben und ihm das Verſprechen ab-
genöthigt, ihn zu beſuchen. Heinrich hatte nicht die Abſicht
gehabt, der Einladung Folge zu leiſten, nun blieb ihm aber
doch nichts übrig, als zu dem Baron zu gehen, er war der
einzige, an den er ſich mit ſeinem Anliegen wenden konnte.
Baron Frankenſtein war zu Hauſe, als Heinrich ihm
gemeldet ward, und hocherfreut, ihn bei ſich zu ſehen, denn

er brannte vor Begierde zu erfahren, durch welche Schick-

Einen Kameraden konnte er aus

ſale ein öſterreichiſcher Edelmann in einen franzöſiſchen Ser-
geanten und ein leichtſinniger Verſchwender in einen allem
Anſcheine nach ernſten und gehaltenen Mann umgewandelt
worden war. ö
Mit ausgeſtreckter Hand ging er ſeinem Gaſte entgegen,
der heitere Ausdruck ſeines jovialen Geſichtes verwandelte
ſich aber in einen erſchrockenen, als er in deſſen verſtörte
Mienen ſah. ö
„Was iſt Ihnen, lieber Heldborn?“ fragte er ſtatt aller
Begrüßung; „ich müßte mich ſehr täuſchen oder Sie kom-
men nicht bloß in der Abſicht, mir einen Beſuch zu machen,
zu mir.“
„Sie haben es errathen, Herr Baron,“ entgegnete Hein-
rich mit einem tiefen Aufathmen und drückte Frankenſtein
warm die Hand, dankbar dafür, daß er ihm ſein Vorhaben
ſo ſehr erleichterte. „Ich möchte Sie um einen großen
Dienſt bitten.“ ö
„Von Herzen gern,“ antwortete der Baron und ſtreifte
mit ſeinen Blicken das Bureau, in dem er ſeine Baarſchaft
verwahrte, denn ſein erſter Gedanke war, daß der junge
Soldat ſich in Geldverlegenheit befinde. „Wenn es irgend
in meiner Macht ſteht.“ ö
„Sie können es thun, wenn Sie es wollen,“ fuhr

Heinrich, dem die Bewegung des andern nicht entgangen

war, mit einem ſchwachen Lächeln fort, „ich fürchte nur,
Sie werden Anſtand nehmen, ſobald Sie erfahren, um was
es ſich handelt.“ ö ö
„Um was denn? Sie brauchen —“
„Einen Sekundanten in einem Duell!“ fiel Heinrich
ſchnell ein, um den Baron zu verhindern, ihm, wie er un-
zweifelhaft die Abſicht hatte, Geld anzubieten. Franken-
ſtein riß denn auch die Augen vor Verwunderung weit auf
und wiederholte, zweifelnd ob er recht gehört habe: „In
einem Duell? Mich wollen Sie zum Sekundanten? Aber
wiſſen Sie auch, daß ich in zwanzig Jahren dergleichen
Geſchäfte nicht betrieben habe und, ehrlich geſtanden, nie
ein Freund davon geweſen bin?“ ö
„Ich würde Sie auch nicht bemühen,“ verſetzte Hein-
rich, „wenn der Fall nicht ſo eigenthümlich läge, daß ich
mich an keinen Kameraden wenden kann. Mein Gegner
iſt nämlich Lieutenant in demſelben Regiment, in welchem
ich diene, wenn auch nicht in derſelben Schwadron.“
„Zum Teufel auch!“ fuhr der Baron auf, „ſind Sie
toll! Das iſt ja ein Fall, der vor's Kriegsgericht gehört.“
„Deſſen bin ich mir vollkommen bewußt,“ war die
ruhige Entgegnung, „es können Ihnen indeß keinerlei Un-
gelegenheiten daraus erwachſen. Ich bin ihr Landsmann,
werde bei dem Duell Civilkleider tragen und mein Gegner
wird in demſelben Anzuge erſcheinen, Sie brauchen alſo
nicht zu wiſſen, ob er einen militäriſchen Rang bekleidet
und welchen. In Frankreich kommen täglich Duelle vor,

ohne daß ſeitens der Behörden viel darauf geachtet wird.

Ich verſichere Sie, Sie laufen dabei nicht die geringſte
Gefahr.“
„Ich nicht, aber Sie,“ verſetzte Frankenſtein kopf-
ſchüttelnd, und zwar ſtehen Sie in der Gefahr, aus der
Scylla in die Charybdis zu fallen. Gehen Sie unverletzt
 
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