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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 79- Nr. 87 (2. Oktober - 30. Oktober)
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heidelberger Fanilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

ur. 86.

Mittwoch, den 27. October

1886.

Die Grafen von Hartenegg.
Roman von Hermine Waldemar.
(Fortſetzung.)

Sie ſaßen noch lange an jener Stelle und bauten Luft-
ſchlöſſer. Dora verhielt ſich ſtill, das Glück überwältigte
ſie faſt und dann auch traten die Erlebniſſe der letzten
Monate zu deutlich in ihr Gedächtniß, und als Graf Hans
in übermüthiger Tändelei ihr den Pfeil aus dem ſchweren
Haare zog, mit den niedergefallenen Flechten ſpielte und
dieſelben wiederholt an ſeine Lippen drückte, da durchlief
ein Schauder ihre ganze Geſtalt. ö
Lautes Hundegebell ſchreckte das junge Paar aus ihrem
ſüßen Geplauder auf.
„O Gott, Herr Graf,“ rief Dora aufſpringend, „der

Vater! Was wird er dazu ſagen? Er gibt niemals ſeine

Einwilligung zu ſo ungleicher Verbindung.“
„Das laſſe meine Sorge ſein, mein ſüßes Mädchen,
aber — bin ich noch immer der Graf?. Haſt Du keinen
andern Namen für mich? Du haſt mir ohnedies noch nicht
geſagt, daß Du mich wirklich liebſt, Dora, hält es Dir ſo
ſchwer?“ ö ö
Er hatte ſich auch erhoben und nun ſtanden ſie ſich
gegenüber und ſahen ſich mit Blicken an, die genugſam
ihrer Herzen Gefühle bekundeten, dann erhob ſich Dora auf
die Fußſpitzen, ſchlang die Arme um ſeinen Hals und
flüſterte ſelig:
„Ja, ich liebe Dich, mein Hans, ſo ſehr, daß ich es
gar nicht ausſprechen kann.“
Mit einem Jubelruf drückte er einen Kuß auf ihre
rothen ſchwellenden Lippen. „Doch nun, mein Lieb, wollen
wir zum Vater gehen und unſer Glück verkünden.“
„Nein, nein, gehe Du allein, Hans, ich eile voraus,
komm Du langſam nach!“ Dora rief dies haſtig und ver-
legen, während ſie den Waldweg entlang lief.
Etwas befremdet ſah ihr der junge Graf nach, doch
raſch ſchwanden die Schatten von ſeiner Stirne, gedachte
er der ſoeben durchlebten Stunde. „Nun iſt ſie mein,“
rief er aus, „mein, und ich will ſie hochhalten mein
Leben lang.“ ö ö
VIII.

Als der junge Graf in die Nähe des Forſthauſes kam,
trat ihm ſchon Strobel mit aufgeregten Mienen entgegen.
„Es iſt gut, daß der Herr Graf heraufgekommen ſind,“

rief er von weitem, „ich hätte Sie ſonſt im Schloſſe auf-

ſuchen müſſen.“
„Haben SStrabel was iſt geſchehen?“
„Haben Sie nie etwas von einem ört,
Grafr. 2 Ontel gehöͤrt/ Herr
„Wie kommen Sie zu dieſer Frage, Strobel 2“ rief
Graf Hans erſtaunt, „gewiß, ich erinnere mich, daß meine
Eltern früher viel von einem verſchollenen Onkel ſprachen,
doch was ſoll es mit ihm?“ ö
„Er iſt hier,“ erwiderte der Förſter kurz.
„Wer? Der Onkel? Sie träumen wohl am lichten

Prüfend überflog der Graf mit einem raſchen Blick den
vor ihm ſtehenden, alten Mann, es kam ihm der Gedanke,
als müſſe er irre reden, doch Strobels Geſichtsausdruck
war ruhig und zeugte von großen Ernſte.
„Ich träume nicht, Herr Graf, ich ſah Ihren Onkel,
Ihres Vaters älteren Bruder, dieſen Nachmittag im Walde,
wie er die Stellen aufſuchte, welche er als Jüngling be-
gangen, wie er wehmüthig an jener Lichtung das vor ihm
liegende Schloß betrachtete und ſich heimlich eine Thräne
wegwiſchte.“
„Sie müſſen ſich geirrt haben, Strobel, was hindert
dieſen Onkel, frei und offen vor mich hinzutreten? Kom-
men Sie, alter Freund, erzählen Sie mir von dieſem
Onkel ſo viel, wie Sie wiſſen, aber vorher laſſen Sie mich
Ihnen ein Geſtändniß machen.“
„Sie mir ein Geſtändniß, Herr Graf?“ frug der
Förſter, nicht eben angenehm berührt, während er ſcharf
in des jungen Grafen glückliches Geſicht blickte. „Was
hätten Sie, der hochgeborne Herr Graf, mir, dem alten,
ſchlichten Förſter zu geſtehen?“
„Nur Ihnen kann ich es ſagen, Strobel, geht es doch
Sie am meiſten an. Ich liebe Ihre Dora und bin un-
endlich glücklich, denn vor einer halben Stunde verſicherte
ſie mich ihrer Gegenliebe.“
Große Ueberraſchung malte ſich in des ehrlichen Jägers
Geſicht, aber keine freudige; finſter zog er die buſchigen
Augenbrauen zuſammen, als er zornig erwiderte: „So ha-
ben Sie das Mädel doch bethört, Herr Graf, und ich —
haha — ich habe Sie ſelbſt in mein Haus geführt!“
„Strobel!“ Der Graf rief dies eine Wort ſo ent-
rüſtet und doch zugleich ſo hoheitsvoll, daß Strobel raſch
zu ſich ſelbſt kam.
„Verzeihen Sie einem alten Manne, Herr Graf, wenn
der Unmuth mit ihm durchging, aber Sie müſſen mir zu-
geſtehen, daß ich das Ding beim rechten Namen nannte,

oder wollen Sie mich glauben machen, daß Sie, ein Graf

Hartenegg, der mit Kußhand eine Adelige heimführen kann,

ſich ſeine Gemahlin unter der Dienerſchaft ausſucht? Ich

lebe zwar ſchon lange Jahre im Walde, aber ſoviel ver-
ſtehe ich. doch von der Welt, daß dies ganz entgegen ihren
Satzungen iſt. Aber zum Spielzeug, das, wenn zerbrochen,
verächtlich zur Seite geworfen wird, gebe ich ſelbſt Ihnen
nicht mein Kind, dafür iſt ſie mir zu gut.“ ö
„Wie mir ſcheint, habe ich wenig Ausſichten, Ihnen
ein angenehmer Schwiegerſohn zu ſein.“ ö
„Wie können Sie ſo reden, Herr Graf, Sie wiſſen,
wie treu ich Ihrem Hauſe allezeit gedient habe und wie
gut ich es nun auch mit Ihnen meine. Laſſen Sie ab
von Dora, es kommt nichts Gutes dabei heraus; ſie paßt
nicht zu Ihnen, wenn auch in der Bildung, aber nicht im
Stand, und ſo was rächt ſich ſpäter immer, und Sie kön-
nen es den Leuten Ihres Kreiſes nicht wehren, daß ſie
mein Kind über die Achſel anſehen und verächtlich die Naſe
rümpfen und dann wird nach und nach auch in Ihnen die
Reue Wurzel faſſen, Sie werden dann meines Kindes über-
drüſſig und verſuchen, ſie wieder loszuwerden; Sie werden
ſich in Ihrer Häuslichkeit nicht behaglich fühlen, weil Dora
 
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